„Auf den Bertl und seine Schießkunst!”
„Darauf trink' ich gern!”
Sie schütteten die Klaren hinunter – hervorragende Qualität, die Gänsehaut kam exakt, nachdem sich der Schluck in den Eingeweiden gesetzt hatte und hielt etwa zwanzig wohlige Sekunden lang an – und zündeten sich synchron einen Tschick an.
„Weißt du,”, begann Garstmuth dann wieder kichernd, „die Knarre vom Bertl, das ist so ‘n Spezialding mit frisiertem Lauf und angefeilter Munition, mannstoppend – der Idiot hat mehr als nur einen Schutzengel gehabt, dass es ihm nicht das ganze Bein weggerissen hat.” Er kicherte, dass ihm fast die Tränen kamen und schnaubte dabei den Rauch stoßweise aus.
Jetzt kam Frasther wieder auf das eigentliche Thema zurück: „Also, du hast eh schon geschrien, dass du dabei bist, stimmt's, Langer?”
„Na, glaubst du, das lass' ich mir entgehen?”, dröhnte Garstmuth.
Frasther grinste; er hatte auch nichts anderes von seinem alten Haberer* erwartet.
„Und du glaubst, es reicht wenn wir zu dritt dort antanzen? Ich mein', mit wie vielen Leuten haben wir's zu tun?”, erkundigte sich Garstmuth, dessen scharfer Verstand bereits die Situation zu analysieren begann.
„Tja, das wissen wir eben nicht so genau; eigentlich wissen wir auch noch nicht mal, wo wir die Kerle überhaupt finden können. Aber das sollte doch wohl drin sein, dass wir das rauskriegen, wenn wir ‘ne Nacht lang unsere alten Kontakte abklappern“, spielte Frasther mit offenen Karten.
„Kennen wir denn Keinen, der frisch aus dem Häfn* kommt? Die wissen doch immer alles.“
„Das ist ja die geniale Idee!“, freute sich Frasther. „Klar kenn' ich da wen – und du kennst ihn auch!“
„Ahso?“, stutzte Garstmuth.
„Jetzt rate mal, wer mir vor einigen Tagen einen Brief aus dem Knast geschrieben hat!“, triumphierte Frasther.
„Hmm, kenn 'ne ganze Menge Kerle, die im Moment brummen. Aber ich glaub' nicht, dass einer von denen schreiben kann!“ Garstmuth lachte dröhnend.
„Der Bumsti, Mann! Der Bumsti sitzt und hat sich bei mir ausgejammert, wie scheiße das dort ist…“
„Auweia, der Bumsti“, unterbrach Garstmuth. „Na, das kann ich mir gut vorstellen, dass es die halbe Portion da drin nicht leicht hat“, er nickte, wie um seine Aussage zu bekräftigen, und trommelte mit dem Feuerzeug auf dem Tresen herum.
„Wir gehen ihn besuchen, Mann, du und ich. Bringen ihm ein paar Stangen Tschick mit und so, dem armen Schwein. Und fragen ihn aus, wenn wir schon mal dabei sind – der Bumsti weiß sicher was!„
„Eh klar“, pflichtete Garstmuth bei. „Davon lebt die Ratte ja, immer zu wissen, was abgeht… aber besuchen gehen können wir ihn um die Uhrzeit nicht mehr, Alter.“
„Schon klar, schon klar. Das machen wir dann morgen – oder so. Aber inzwischen können wir immer noch so losgehen und schauen…“
„Von mir aus können wir gleich heut Nacht um die Häuser ziehen, ich hab' eh nix anderes vor“, meinte Garstmuth. „Und ich hätt’ da auch noch einen idealen Mann, der uns verstärken könnte. Der macht auch hundertprozentig mit, da bin ich mir fast sicher.”
„Was heißt hundertprozentig, aber du bist dir nur fast sicher?”
„Der Kerl heißt Watschlav und glaub mir, Frasther: Wenn du ihn erstmal kennengelernt hast, wirst du froh sein, dass wir ihn dabei haben. Übrigens ist Watschlav Pole, glaub' ich, oder Bulgare oder sowas – nun, zumindest kann er mal die Sprache des Feindes verstehen, das ist schon mal ein Vorteil für uns!”
„Können Polen Russisch?“, war sich Frasther da nicht so ganz sicher.
„Ach, ist doch alles das selbe Kauderwelsch, da drüben…“, machte Garstmuth eine wegwerfende Handbewegung und prostete Frasther zu. Dieser stieß an, dass die Gläser klingelten und beide tranken einen großen, leckeren Schluck des edlen Gebräus.
Die Sache war besiegelt: Garstmuth war dabei. Das war ein beruhigender Gedanke. Frasther war zutiefst zufrieden – jetzt konnte nicht mehr viel schiefgehen. Und da er gerade so gute Laune hatte, lud er Garstmuth noch auf einige Drinks quer durch die Welt ein: Sie begannen in Amiland mit Whiskey und pflichteten sich gegenseitig bei, dass dieses Getränk und der V8 die einzigen vernünftigen Dinge seien, was die Amis je zustande gebracht hatten. Dann schlürften sie einen Cuba Libre und huldigten Che Guevara, der schon ein wilder Hund gewesen war – nur schade, dass ihn der Scheiß-CIA zur Strecke gebracht hatte. Dann soffen sie einen Sambuca und waren sich nicht einig darüber, wo denn der wohl herkam. Frasther war für Brasilien, Garstmuth für Italien oder Spanien – doch egal, wer denn nun Recht hätte, auf jeden Fall käme das Gesöff aus einer großen Fußballnation. Danach wechselten sie auf Cognac – das Einzige, was ihnen zu den Franzmännern einfiel war, dass die ihnen trotz all ihrer Macken immer noch lieber am Arsch waren, als die Amerikaner am Gesicht, denn immerhin waren sie ja Europäer.
„Ham’ die nicht auch Atombomben?”, lallte Frasther.
„Ganze Bunker voll davon, die Franzfotzen”, grölte Garstmuth zurück. Dann wechselten sie auf den Balkan und orderten Slivovitz.
Die große Stunde des Barkeepers hatte geschlagen: Neben dem Slivo brachte er noch eine Flasche durchsichtiges Zeugs ohne Etikett. „Kroatischer Rakija, hat ein Vetter von mir selbst gebrannt! Den müsst ihr probieren – geht auf's Haus!”, gab er sich die Ehre.
Der Sprit sah aus wie Wasser, vollkommen klar und durchsichtig; aber wenn man ihn trank, semmelte er rein, dass die Schwarte krachte. Frasther fand den Geschmack ganz hervorragend, obwohl er bereits in einem Zustand war, der ihm die Beurteilung nicht eben erleichterte. Trotzdem spürte er noch, wie sich nach dem Setzen des Schluckes eine wohlige Wärme von seinen Gedärmen aus durch den ganzen Körper hindurch ausbreitete. Stolz vernahm der Barmann die Lobeshymnen, die seine beiden bereits arg angesäuselten Gäste auf seinen edelsten Tropfen sangen. Dann ging es weiter in den Osten und Frasther und Garstmuth labten sich an der hochprozentigsten Wodkasorte, die der freundliche Wirt auf die Schnelle hatte auftreiben können.
Frasther steckte sich noch eine Kippe an und stellte fest, dass er bereits Mühe hatte, mit der Flamme die Spitze des Tschicks zu treffen. Dabei war es doch erst früh in der Nacht, wunderte er sich.
„Wir sollten mal langsam weiterziehen, was?”, fragte Garstmuth, der offenbar bemerkt hatte, dass Frasther in Gedanken war.
„Ich bin gerade am Überlegen, Mann – können wir diesen Watschlav irgendwo auftreiben, was denkst du? Wir sollten nämlich auch noch für den Luis seine Katzen abkassieren, da hat er mich drum gebeten.”
Garstmuth kratzte sich am Sack und überlegte kurz.
„Katzen abkassieren? Klingt spaßig. Ja, ich denk’ schon, das wir den Watschlav auftreiben können, ich weiß ja, wo er wohnt… Bin schon gespannt auf den Prag-Luis, ob die Qualle noch fetter geworden ist, seit ich ihn das letzte Mal geseh'n hab'.”
„Sag mal, wieso hängt der Watschlav eigentlich nicht hier drin ab, der Schuppen heißt doch 'Balkan-Stube', oder? Wäre doch genau das richtige Umfeld, wenn der Knabe sowieso aus dem Ostblock kommt…”
„Täusch dich da bloß nicht! Das ist wie bei den Bayern und den Preußen, nur schlimmer. Eines kannst du mir glauben, Alter, bei denen ist das untereinander wesentlich komplizierter als bei uns. Wenn der hier aufkreuzen würde, wäre das höchstwahrscheinlich der letzte Auftritt seines Lebens.” Wie zur Erklärung zog Garstmuth pfiffig eine Augenbraue hoch. „Und abgesehen davon gehört Polen, glaub' ich, gar nicht zum Balkan, aber da bin ich mir nicht sicher.”
Frasther war das einerlei; Balkan, Ostblock, wo war da der Unterschied? Er übernahm die bereits beträchtliche Zeche, dann wankten sie zum Jeep. Garstmuth hatte keine eigene Karre. Die verdammten Bullen hatten ihm schon fünfmal den Schein geknipst, viermal wegen Trunkenheit und einmal, weil er seine Karre angeblich „als Waffe eingesetzt hatte”, wie der Beamtenjargon das so nett umschrieb. In Wirklichkeit hatte er nur versucht, die Polizeisperre zu umfahren und dabei versehentlich zwei Bullen auf die Hörner genommen – von böser Absicht konnte also keine Rede sein. Verknackt hatten sie ihn trotzdem, auch weil er zu der Zeit ohnehin ohne Führerschein unterwegs gewesen war. Ohne Führerschein hatten sie ihn sowieso schon oft erwischt, was ihn unter anderem auch schon in den Knast gebracht hatte, weil er die Strafen nicht bezahlen konnte. Seine Chancen, in diesem Leben noch mal auf legalem Weg an eine Lenkerberechtigung zu kommen, waren wirklich äußerst bescheiden. Irgendwann hatte er so gründlich die Schnauze voll von dem ganzen Theater gehabt, dass er sich gar kein Auto mehr gekauft hatte. Das hielt ihn zwar nicht davon ab, weiterhin gelegentlich zu fahren, wenn es sich mal als notwendig erwies, doch in der Regel versuchte er, das zu vermeiden.
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