Ralph Ardnassak - Malleus communisticarum oder der Stiefel Gottes

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Er kannte weder die Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels, keine einzige Zeile davon, die er beide allein aufgrund der Tatsache verabscheute, weil sie das verhasste kommunistische Regime beständig zu seiner Legitimierung heran zog. Aber wie jene ließ er sein Gesichtshaar üppig wuchern und sprießen, um dadurch wie sie seine Verachtung des herrschenden Establishments zum Ausdruck zu bringen.
Glatt rasiert war nämlich in jenen Jahren vornehmlich die Staatsmacht gewesen. Glatt rasiert waren Honecker und Mielke und Ihresgleichen. Glatt rasiert waren die Parteifunktionäre und die Bonzen aller Hierarchiestufen, an deren Revers das Bonbon, das Parteiabzeichen, blitzte wie eine Eintrittskarte in die bessere Gesellschaft der DDR. Glatt rasiert waren die Vopos, die Stasis, die Offiziere, die Schließer in den Gefängnissen, die Spitzel und Aufpasser und die FDJ-ler, die die Fahnen und Fackeln zu den Republikgeburtstagen an der hölzernen Tribüne in der Karl-Marx-Allee mit all den winkenden Greisen um den vertrottelten und autoritären Honecker vorbei trugen!
Glatt rasiert waren die Schuldirektoren und die Generaldirektoren der volkseigenen Kombinate! Glatt rasiert waren die Offiziersschüler. Glatt rasiert und dressiert waren die gegenwärtigen und die künftigen Eliten der sozialistischen Gesellschaft der DDR! Die privilegierten Leistungssportler und die Schriftsteller, die gehätschelten Künstler, die Ideologen und Strategen und die Wirtschaftslenker. Die Jagdgenossen Honeckers, die linientreuen Familien, die nicht auffallen, sondern aufsteigen wollten und die mit dieser Angst, um ihre Pfründe gebracht zu werden, all die tausend Ungerechtigkeiten des Regimes erst ermöglichten.

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Ralph Ardnassak

Malleus communisticarum oder der Stiefel Gottes

Roman einer Entmenschlichung

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Inhaltsverzeichnis Titel Ralph Ardnassak Malleus communisticarum oder der - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Ralph Ardnassak Malleus communisticarum oder der Stiefel Gottes Roman einer Entmenschlichung Dieses ebook wurde erstellt bei

I I Die Rache ist eine Art von wildwachsen- der Gerichtsbarkeit, die das Gesetz, je mehr die menschliche Natur dazu hin- neigt, umso dringender ausrotten sollte. (Francis Bacon) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 101, Satz 1) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Straftat gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 103, Satz 2) Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat. (Bärbel Bohley) Gelegentlich kam es in den neuen Bundesländern im Zusammenhang mit den Ereignissen der „Wende“, der sogenannten friedlichen Revolution, zur Selbsttötung von Menschen. Darunter waren politisch Verantwortliche unterschiedlicher Ebenen, aber auch einfache Bürger. Die Motive waren verschieden und komplex, sie reichten offenbar von Angst vor Rache und juristischer Vergeltung bis hin zur Einsicht der kommenden eigenen Perspektivlosigkeit, Scham oder Schuldgefühlen. Studien und diverse Artikel, unter anderem im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL, negieren das Problem oder bezeichnen es offen als DDR-Nostalgie (http://www.spiegel.de/einestages/selbstmorde-nach-der-wende-a-946683.html). Die exakte Zahl der wendebedingten Suizidhandlungen ist bis heute ungeklärt. An einer emotionslosen und sachlichen Aufklärung der Problematik besteht aktuell offenbar keinerlei Interesse. Diejenigen mögen auch einmal die gerechte Strafe erhalten, die mich zu diesem Schritt trieben. (aus dem Abschiedsbrief des LPG-Vorsitzenden der Harzgemeinde Rieder, Helmut Dube, verfasst vor seinem Suizid)

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Impressum neobooks

I

Die Rache ist eine Art von wildwachsen-

der Gerichtsbarkeit, die das Gesetz, je

mehr die menschliche Natur dazu hin-

neigt, umso dringender ausrotten

sollte.

(Francis Bacon)

Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 101, Satz 1)

Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Straftat gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 103, Satz 2)

Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat.

(Bärbel Bohley)

Gelegentlich kam es in den neuen Bundesländern im Zusammenhang mit den Ereignissen der „Wende“, der sogenannten friedlichen Revolution, zur Selbsttötung von Menschen. Darunter waren politisch Verantwortliche unterschiedlicher Ebenen, aber auch einfache Bürger. Die Motive waren verschieden und komplex, sie reichten offenbar von Angst vor Rache und juristischer Vergeltung bis hin zur Einsicht der kommenden eigenen Perspektivlosigkeit, Scham oder Schuldgefühlen.

Studien und diverse Artikel, unter anderem im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL, negieren das Problem oder bezeichnen es offen als DDR-Nostalgie (http://www.spiegel.de/einestages/selbstmorde-nach-der-wende-a-946683.html). Die exakte Zahl der wendebedingten Suizidhandlungen ist bis heute ungeklärt. An einer emotionslosen und sachlichen Aufklärung der Problematik besteht aktuell offenbar keinerlei Interesse.

Diejenigen mögen auch einmal die gerechte Strafe erhalten, die mich zu diesem Schritt trieben.

(aus dem Abschiedsbrief des LPG-Vorsitzenden der Harzgemeinde Rieder, Helmut Dube, verfasst vor seinem Suizid)

II

Der einstige Minister ohne Geschäftsbereich hatte es vollbracht! Er hatte sich, gegen die Widerstände zahlreicher politischer Gegner, ja selbst gegen die Widerstände verschiedener seiner eigenen Anhänger, durchgesetzt!

Er wusste, es kam im Leben eines Menschen entscheidend darauf an, sich durchzusetzen, vor allem dann, wenn dieser Mensch sich für einen bedeutenden Menschen hielt, der sich dazu berufen fühlte, Geschichte zu schreiben, um auf diese Weise selbst in die Annalen der Historie einzugehen!

Die letzten Jahre, die Jahre der politischen Wende, sie waren zweifellos turbulent gewesen. Sie hatten ihn, so fühlte er sich jedenfalls, von ganz unten nach ganz oben gespült. Dorthin, wo er meinte zu fühlen, dass sich ein zumindest angemessener Platz für ihn befände. Dorthin, wo er meinte, hingehören zu müssen. Er fühlte sich wie ein Getretener, der nun endlich selbst dazu berufen war, zum Stiefel Gottes zu werden und kräftig zu treten!

Eigentlich meinte er oft, dass die Bezeichnung Stiefel knecht Gottes für ihn, den einstigen Jugendpfarrer und jetzigen Politiker, passender gewesen wäre, aber andererseits fand er auch, dass jetzt nicht die Zeit für Bescheidenheit war. Zu lange schon war er bescheiden gewesen, hatte er kleine Brötchen gebacken. Zu kleine, ja eigentlich mickrige Brötchen, wie er fand. Und wer jetzt leise und bescheiden war, in dieser neuen Zeit des Aufbruchs, der eitlen Spreitzerei, der Erhebung von Ansprüchen und der Umverteilung von Macht, Ämtern und Vermögen, der würde es später umso schwerer haben, der würde niemals mehr Gehör finden!

Er hatte sie erlebt und kennengelernt, die vielen politischen Mitkämpfer und Kollegen, wie sie, sobald Opposition gefahrlos möglich geworden war, aus ihren Löchern heraus gekrochen kamen, in denen sie sich ganz komfortabel eingerichtet hatten, um nun auf Opfer zu machen und lauthals nach Vergeltung zu schreien, um sich auf diese Weise in Szene zu setzen und eine, oftmals späte, Karriere einzufordern, für die es, angesichts des fortgeschrittenen Alters und des einsetzenden rücksichtslosen Gedränges um Pfründe und Ämter, keine zweite Chance mehr geben würde. Bereits in einigen Jahren, das ahnten die Meisten, würden alle lukrativen Posten auf diese Art schon vergeben und somit verloren sein!

Der einstige Minister ohne Geschäftsbereich hatte viel über die französische und die russische Revolution gelesen. Er wusste, dass der Volkszorn ungerecht, dumm, dafür aber geradezu allmächtig und gefürchtet war. Er hatte erlebt, wie die johlenden Massen, die an den Montagen auf den Straßen Leipzigs unterwegs gewesen waren, die allmächtige Staatsmacht, bestehend aus dem gefürchteten Ministerium für Staatssicherheit, der Nationalen Volksarmee, der Volkspolizei und den Kampfgruppen, einfach hinweg gejohlt und hinweg demonstriert hatte! Es war eine eindrucksvolle Lektion gewesen, wie der Volkszorn einiger zehntausend Demonstranten die einst omnipotente Staatsmacht dazu bewegt hatte, völlig kampf- und widerstandslos den Schwanz einzuziehen, ja mehr noch, sich schließlich in die Demutsgeste zu begeben und sich so unter tausenden von quälenden Rechtfertigungs- und Schuldanerkenntnistiraden die eigene wirtschaftliche Existenzgrundlage willig und ergeben entziehen zu lassen.

Die Erkenntnis der Möglichkeit, sich wie einst Napoleon an die Spitze dieses unberechenbar, aber allgegenwärtig kochenden Volkszornes zu stellen, um sich wie jener kurzleibige Korse davon zum höchsten Ruhm empor tragen zu lassen, hatte ihm eine regelrechte Gänsehaut beschert und er hatte damals sofort beschlossen, zu einer solchen Art Volkstribun zu werden!

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