»Es wird keiner erfahren«, erwiderte ich und musterte Beastmaster, um dessen Kopf kleine Vögel und Sternchen tanzten. Eigentlich waren in Atlantis sämtliche gewaltfördernde Spiele verboten, doch da Boxen als Sport galt, machte man hier eine Ausnahme.
Cas verzog das Gesicht. »Du willst es wirklich drauf ankommen lassen, oder? Du willst sie echt besuchen.«
Ich schwieg. Valea ging mir nicht mehr aus dem Kopf, das konnte Cas vermutlich nicht verstehen. Seit unserer Begegnung konnte ich nur noch an sie denken und das war nicht normal. Da war etwas, das ich verstehen musste. »Sie ist anders.«
»Und du bist verlobt«, sagte Cas und nun war es an ihm, den Kopf zu schütteln. »Beantragt-abgesegnet-vom-System-registriert-verlobt. Du weißt, ich stärke dir echt bei jedem Scheiß den Rücken, aber das halte ich einfach nur für dämlich.«
»Ich will sie nur besuchen und mit ihr reden. Da läuft nichts.«
Cas lachte bitter. »Klar. Du stehst nur so sehr auf sie, dass du alle Regeln brechen und sie besuchen willst. Zum Reden.« Beim letzten Wort formten seine Finger imaginäre Anführungszeichen.
Ich musste schmunzeln. »Wenn weder Elizabeth noch mein Vater davon erfahren, sehe ich da kein Problem.«
»Und wenn doch? Du weißt, dass du damit sogar gegen das Gesetz verstößt?« Cas runzelte die Stirn. »Ich meine hier nicht irgendwelche Kleinigkeiten, wie dass du dich in irgendein System hackst. Ich meine damit, dass du gegen das Bindungsgesetz verstößt. Keine anderweitigen körperlichen Verbindungen, wenn eine Ehe offiziell beantragt und genehmigt wurde.«
»Du klingst wie mein Vater«, gab ich zurück und verzog das Gesicht.
»Nein, wie ein Freund.« Cas presste die Lippen aufeinander. »Du magst echt um vieles herumkommen, was uns Normalos so widerfährt, aber wenn du so einen Mist machst ...«
»Erstens mache ich gar keinen Mist, sondern treffe sie nur und zweitens ...«
»... bist du kurz davor, Mist zu machen«, beharrte er. »Die Med-Op ist tabu für dich. Du kannst sie anschauen, ihre Brüste und ihren Po bewundern und das aus einem sicheren Abstand. Mehr nicht. Das kann nicht nur dich, sondern auch deinen Vater seinen Stand kosten.«
»Seit wann sorgst du dich um den Stand meines Vaters?« Ich hob die Augenbrauen.
»Kannst du dich an Calvin aus Kuppel 3 erinnern?«
»Alter ...«, murmelte ich.
»Nein, nicht Alter.« Cas schnaubte. »Ich musste den Kerl festnehmen. Hab ihn quasi aus der Tussi rausgezogen, mit der er seine Frau betrogen hat.«
»Danke für diese bildliche Beschreibung.« Ich schnitt eine Grimasse.
»Du weißt, was sie mit ihm gemacht haben, oder?«
»Du wirst ja nicht müde, davon zu erzählen.«
»Sie haben ihm seinen Rang aberkannt«, wiederholte er dennoch. »Er hat sämtliche Rechte in Atlantis verloren und das auf Lebenszeit. Nun treibt er sich irgendwo in der Pornomeile rum, wenn er überhaupt noch lebt. Ohne essen, ohne medizinische Versorgung. Begründung: er habe dem System bewusst schaden wollen. Hochverrat.«
»Ich weiß. Mir wird das nicht passieren, weil ich mich nicht erwischen lasse«, sagte ich mit Nachdruck.
Cas starrte eine Weile ruhig auf den Bildschirm und atmete dann angestrengt aus. »Weißt du, was noch schlimmer ist, als unter der Wasseroberfläche fest zu hocken und nicht mehr als diese verdammten Kuppeln im Meer zu haben?«
»Du wirst es mir sicher gleich sagen.«
»Mittellos zu sein und hier unten leben zu müssen«, gab er viel zu ernst zurück. »Der Kerl hat geflennt, als wenn wir seine liebe Mama ermordet hätten. Weil er wusste, dass du in Atlantis eigentlich nicht leben kannst, wenn du keine Privilegien mehr hast. Es ist viel schlimmer, als gleich zu sterben, weil es ein Tod auf Raten ist. Ausgeschlossen aus der Gesellschaft, obwohl du noch unter ihnen lebst.«
Ich klopfte Cas mit einem schrägen Grinsen auf die Schulter. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du einen Hang zum Übertreiben hast?«
»Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du langsam zu leichtfertig wirst?«
Mir gefiel der ernste Cas nicht, ich mochte den Spinner lieber, der für jeden Mist zu haben war. »Ich bin nicht leichtfertig. Dieses Mädchen, Valea, ich kenne sie irgendwo her.«
Cas schüttelte irritiert den Kopf. »Was?«
Ich hatte ihm bisher noch nicht von meiner merkwürdigen Vision erzählt und würde damit jetzt auch nicht anfangen. Ich fand selbst, dass es vollkommen wahnsinnig klang. »Ich habe einfach das Gefühl, sie zu kennen«, sagte ich deshalb nur.
»Du kriegst kalte Füße, weil Trümmer-Elizabeth dich eines Tages in den Wahnsinn treiben wird, das ist alles«, gab er unwirsch zurück und spielte mit den Virtual-Gloves zwischen den Fingern.
»Nein, das ist es nicht. Sie ist ... ich kann das echt nicht erklären.«
»Dann lass es«, sagte Cas ernst. »Ich habe keinen Bock, dir was von meiner Essensration zu geben, nur, weil du jegliches Recht drauf verwirkt hast.«
»Ich bin der Sohn des Stationsleiters, du glaubst doch nicht ernsthaft ...«
»Lass stecken«, unterbrach mich Cas und schüttelte den Kopf. »Ich sag ja, dir ist der ganze Mist der letzten Monate zu Kopf gestiegen. Du wirst nicht mit allem durchkommen. Nicht immer. Und gerade die Bindungsgesetze sind die Basis unseres Systems. Du bist am Arsch, wenn sie dich dabei erwischen, dass du Scheiße baust.« Er musterte mich aus schmalen Augen. »Calvin war ein hoher Offizier und ein Kumpel. Einer reicht mir. Ernsthaft.«
Mir entfuhr ein seltsam hohles Lachen, weil mich die Situation überforderte. Ich konnte Cas nicht erklären, warum ich sie unbedingt sehen musste. Und warum es mir tatsächlich scheißegal war, dass ich damit irgendein Gesetz brach. Denn es ging nicht. Es gab keinen plausiblen Grund dafür, dass ich Valea auf jeden Fall wiedersehen würde.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte ich grinsend und nickte in Richtung der Leinwand. »Was hältst du von noch einer Runde? Ich bin zwar nicht scharf drauf, noch mal zu verlieren, aber ich muss dich ja irgendwie entschädigen für die Suspendierung.«
Cas grinste wieder. »Dafür wirst du noch ein paar Schläge einstecken müssen.« Er sprang auf und zog sich die Virtual-Gloves wieder über, während ich versuchte, die Gedanken an Valea beiseitezuschieben. Vermutlich verlor ich tatsächlich den Verstand.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.