»Keine Spur! Im Gegenteil, sie ist mir sehr sympathisch«, erwiderte Primes und kreuzte, für den Earl unsichtbar, zwei Finger hinter dem Rücken.
»Das will ich stark hoffen, Inspector!«
Langsam umrundeten sie den Teich.
Primes bemerkte, dass Celeste sich vom Gärtner verabschiedete und ihnen langsam auf dem Weg folgte, den sie genommen hatten.
»Den alten Gärtner hat Ihre Gattin eingestellt?«, wollte Primes wissen.
»Lewis? Natürlich! Ich sagte Ihnen ja bereits, dass sie alle Leute eingestellt hat, außer James und Walter, meinen Stallmeister.«
»Kommen die beiden ebenfalls aus Amerika?«
Seine Lordschaft war mit einem Ruck stehengeblieben.
»Was soll diese Frage?«, fauchte er.
»Nun, ich muss mich doch mit den Leuten beschäftigen. Sie wünschen ja, dass ich sie im Auge behalte, Mylord, zumal Sie deren Befragung ja nicht erlauben«, erwiderte Primes ruhig. »Da interessiert mich natürlich auch deren Vorleben.«
»Wie das meiner Gattin!«, höhnte der Earl.
»Kommen die beiden nun aus Amerika oder nicht?«, wiederholte Primes hartnäckig.
»James ja, steht auch so auf dieser Liste, die ich Ihnen gegeben habe. Wenn Sie schon so fragen: auch er ist gebürtiger Engländer. Walter dagegen, wurde schon von meinem Vater eingestellt und war noch nie außerhalb Großbritanniens. Ich denke auch nicht, dass er jemals den Hauch eines Drangs verspürt dazu hat.«
Primes nickte vielsagend.
»Als Sie in Übersee waren, wo Sie Ihre Frau kennenlernten, hat James Sie da begleitet?«
»Verdammt, Inspector, was soll das schon wieder?«, zischte Sir Andrew. Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarre und ließ den Rauch in kleinen Wölkchen durch den Mund entgleiten. »Sie stellen wirklich Fragen, die für mich keinerlei Sinn ergeben.«
»Sie lernten Ihre Gattin also in New York City kennen. Wurden Sie von James auf dieser Reise begleitet?«, wiederholte der Inspector seine Frage.
»Ja!«, stieß Celestes Vater unwillig hervor und eine Zornesfalte bildete sich auf seiner Stirn.
Wie Primes bemerkte, blieb Celeste auf der anderen Seite des Teiches stehen und betrachtete die zugefrorene Wasserfläche. Sie wusste, dass Primes mit ihrem Vater allein sein wollte. Eines musste er ihr lassen: Sie hatte ein unglaubliches Gespür dafür, wann sie sich zurückhalten musste. Jedenfalls, wenn es um den Umgang mit Zeugen ging.
»Aha!«
»James ist mein Butler, nicht mein Reisegefährte, wie Sie das wohl vermuten. Wollen Sie mir nicht endlich sagen, worauf Ihre Fragen abzielen?«
»Ich frage nicht umsonst, Mylord«, wich Primes zunächst aus, nicht ohne Nachdruck.
»Haben diese Fragen etwas mit dem Diebstahl des Colliers zu tun?«
»Gewiss.«
»Merkwürdig.« Seine Lordschaft schüttelte den Kopf.
»Nicht so merkwürdig, wie Sie vielleicht vermuten, Sir.«
Sir Andrew sog heftig an seiner Zigarre, so dass ein leises, knisterndes Geräusch zu hören war, als die Glut den Tabak verbrannte.
»Warum sind Sie so gereizt, Mylord? Fehlt Ihnen etwas?«, erkundigte sich Primes nach einem Moment des Schweigens. In seinem Gesicht spiegelte sich Besorgnis wider.
»Ich bin gereizt? Zum Donnerwetter, Inspector!«, schnaubte sein Gegenüber
Primes bemerkte, dass die Hand, mit der seine Lordschaft die Zigarre hielt, stark zitterte.
»Ich finde, dass Sie recht nervös wirken.«
»Ich muss schon bitten, Sie haben Nerven! Noch kein Mensch hat behauptet, dass ich nervös sei!« Seine Lordschaft schien pikiert.
»Dann bin ich also der Erste, der es Ihnen sagt«, stellte Primes trocken fest.
»Lassen Sie doch den Unsinn, Inspector. Im übrigen: Es kann Ihnen doch wohl völlig gleichgültig sein, ob ich nervös bin oder nicht.«
»Ich frage mich, ob Sie Sorgen haben, Mylord?«
»Ich ... Sorgen?« Er brach in Gelächter aus, aber es klang irgendwie nicht echt. »Sie machen mir vielleicht Spaß!«
»Sie sind sehr fahrig.« Primes ließ nicht locker. »Was bedrückt Sie, Sir? Wollen wir nicht offen zueinander sein? Womöglich kann ich Ihnen helfen. Oder Ihre Tochter, die eine wirklich ausgezeichnete Ärztin ist, der ich mich und mein Leben ohne Bedenken anvertrauen würde.«
»Jetzt hören Sie endlich mit diesem Blödsinn auf, Inspector!«, knurrte der Earl. Sein Gesicht lief rot an. »Es geht mir gut. Allerdings regen Sie mich mit der Impertinenz auf, die Sie an den Tag legen.«
»Also gut. Wie Sie wünschen, Sir«, setzte Primes an. »Ich bin ehrlich besorgt um Sie, und ich bin sicher, Ihre Tochter ist es ebenfalls.«
»Ihre und die Sorge meiner Tochter sind völlig unbegründet. Mir geht es ausgezeichnet, wie ich Ihnen bereits versichert habe. Ich bin frei von Sorgen. Mich bedrückt nichts. Ich bin glücklich verheiratet. Meine Frau ist jung, sehr jung sogar und unglaublich attraktiv. Ich bin zwar nicht mehr der Jüngste, aber ich glaube, ich bin noch ganz und gar auf der Höhe, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Sicher«, erwiderte Primes, auch wenn es nicht überzeugt klang. »Ist das nicht schön hier, Celly?«, rief er Celeste über den Teich hinweg zu – ein Wink, der ihr zeigen sollte, dass sie jetzt zu ihnen aufschließen konnte.
Als sie neben Primes und ihren Vater trat, lächelte sie: »Ich weiß, einfach wundervoll, nicht wahr? Herrlich anzuschauen ... all die weiße Pracht.«
»Du hast dich lange mit dem Gärtner unterhalten, wie ich bemerkt habe«, stellte Sir Andrew fest und blickte seine Tochter tadelnd an.
»Ja, Vater«, bestätigte sie. »Wie alt ist er eigentlich?«
»Dreiundsiebzig«, entgegnete er. »Ein richtig alter Gauner, nicht wahr?«
Celeste sah ihn unschlüssig an und wusste nicht so recht, was sie darauf erwidern sollte.
»Was hat er dir erzählt?«, forderte der Earl in harschem Ton zu wissen.
»Wir haben nur über den Park gesprochen. Ich fragte ihn, ob es ihm hier gefällt, und er sagte: Ja, sehr gut. Es macht sich schon.« Sie machte eine rhethorische Pause. »Ja, genau das erwiderte er.«
»Es macht sich schon?«, hakte Primes nachdenklich nach, der diese Aussage nicht so ganz verstand.
»Dass dieser alte Knabe etwas mit dem Diebstahl zu tun hat, kann ich mir nicht vorstellen«, warf der Earl ein.
»Nicht?«, fragte Primes überrascht mit einem erstaunten Seitenblick. »Sagten Sie nicht gestern wiederholt, dass Sie jeden einzelnen Ihrer Bediensteten in Verdacht haben, Mylord?«
»Das war vielleicht etwas übertrieben«, räumte er ein. »Diesem alten Mann traue ich zwar Gemeinheiten zu, aber ein Collier zu stehlen, halte ich für ausgeschlossen.«
»Welcher Person, genauer gesagt, welchem Ihrer Angestellten würden Sie den Diebstahl denn in erster Linie zutrauen?« Primes sah seine Lordschaft fragend an. »Das würde mich wirklich brennend interessieren.«
Sir Andrew nahm einen Zug von seiner fast aufgerauchten Zigarre, ehe er antwortete: »Ich kann keinen verdächtigen.«
»Sie haben doch bereits alle verdächtigt, Vater«, warf Celeste ein. »Jedenfalls gestern. Da waren Sie sogar sehr vehement in Ihren Äußerungen«
»Ich war erregt«, beschied er ihr knapp. »Aber ich bin davon überzeugt, dass eher eine weibliche Person in Betracht kommt.«
»Darf ich erfahren, wer das Ihrer Meinung nach sein könnte, Sir?«, übernahm Primes wieder das Gespräch.
Seine Lordschaft zuckte nervös zusammen und blickte plötzlich in eine andere Richtung.
»Die Person, die dort auf uns zukommt«, sagte er dann leise und deutete mit dem Kopf in die entsprechende Richtung.
Celeste und Primes folgten seiner Bewegung und sahen eine schwarzgekleidete Frau auf sich zukommen.
»Wer ist das?«, erkundigte sich Primes.
»Das ist Mrs. Carpenter, die Haushälterin«, antwortete Sir Andrew knapp.
»Kommt Sie auch aus Amerika?«
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