Vor allem wegen dieser Möglichkeit nahm ich besonders bedächtig ein Gepäckstück nach dem anderen auf, linste dabei immer wieder verstohlen zur Seite und konnte mich in der kurzen Zeit gar nicht sattsehen.
„Das da auch noch“, sagte sie zwei- oder dreimal ruhig, als ich mit dem Aufladen nicht mehr so gut vorankam, weil mir die freien Hände und Schultern ausgegangen waren. Ihre Bemerkung war nicht besonders helle, denn in dem kahlen Gang zwischen den stählernen Schließfachwänden hätte man nicht einmal eine Briefmarke übersehen können. Doch immerhin half sie mir dann beim Aufnehmen der letzten Teile, hängte mir den schweren Laptop-Koffer an seiner langen Schlaufe um den Hals und klemmte mir am Ende sogar noch das Schminktäschchen unters Kinn. Dann fragte sie freundlich:
„Geht das so?“
Ich bejahte mit zusammengebissenen Zähnen und wollte nicken. Das hatte leider zur Folge, dass mir das Schminktäschchen herausrutschte und zu Boden plumpste. Sie ging anmutig neben mir in die Knie und hob es auf. Kopfschüttelnd wischte sie mit spitzen Fingern darüber und sagte dann in leicht gereiztem Tonfall:
„Pass doch auf!“
Sie schob mir das Ding wieder unters Kinn, machte auf dem Absatz kehrt und ging mit leeren Händen voraus. Als ich mich daraufhin verdattert in Bewegung setzte und noch hastig hervorpresste, wir könnten doch einen Gepäckwagen suchen, zwitscherte sie bloß fröhlich zurück:
„Ach, den brauchen wir nicht. So ist es doch viel einfacher.“
Frauen können manchmal furchtbar gedankenlos sein.
Ich stolperte so gut es ging weiter und tröstete mich damit, eingehend ihr entzückendes Hinterteil zu studieren, das sich bei ihren forschen Schritten keck und herausfordernd unter dem Mantel abzeichnete. Allerdings fiel ich mit meinen unbeholfenen Versuchen, alles auf einmal zu tragen, nach und nach ziemlich weit hinter sie zurück. Bis sie schließlich innehielt, sich energisch umdrehte und mir ungeduldig zurief:
„Kommst du?“
„Jaja, sofort, geht schon irgendwie“, ächzte ich hilfeheischend.
„Prima!“, quittierte sie trocken und wandte sich in einer eleganten Bewegung zum Weitergehen. „Aber nun sieh zu, dass du dich ein wenig beeilst.“
So ein Früchtchen! Doch solange ich einigermaßen den Anschluss hielt, entschädigte ihr Anblick für vieles. Den Rest konnte sie ja in der Nacht gutmachen. Falls alles so lief, wie ich mir das mittlerweile ausmalte.
3
Sie wartete bereits am Auto, als ich schließlich ächzend dort ankam.
„Da bist du ja endlich“, trällerte sie fröhlich.
„Ja“, entgegnete ich zähneknirschend, „die Teile sind immer so gerutscht und ich …“
„Ach was, du hast wahrscheinlich nur getrödelt.“
Erst wollte ich sie dafür barsch zurechtweisen. Glücklicherweise fiel mir rechtzeitig ein, was ich noch mit ihr vorhatte. Sollte ich mir etwa wegen so einer Lappalie die Aussicht auf eine heiße Sexnacht vermasseln, auf die ich ohnehin schon viel zu lange hatte warten müssen? Also fragte ich stattdessen keuchend:
„Magst du mir mal kurz ein oder zwei Teile abnehmen, damit ich den Kofferraum aufschließen kann?“
„Das schaffst du schon“, gab sie aufmunternd zurück, und mehr hatte sie dazu offenbar nicht zu sagen.
Ich schaffte es tatsächlich, auch ohne dass sie einen Finger rührte, und endlich konnte ich die Kofferraumklappe wieder zuschlagen. Fragend sah ich sie an.
„Jetzt hast du dir aber wirklich eine Belohnung verdient“, verkündete sie strahlend.
Genau, was ich erhofft hatte.
„Ich habe nicht mehr viel Geld. Aber ich möchte dich wenigstens auf etwas Kleines einladen für all das, was du für mich tust.“
„Ach was“, gab ich zurück, „das geht schon in Ordnung.“
„Nein, geht es nicht. Du bist so selbstlos und so anständig, welcher andere Mann hätte mir schon so ritterlich aus der Patsche geholfen?“
Absolut jeder, dachte ich im Stillen. Jeder Mann, der einen durchschnittlich geschulten Blick für Hinterteile hat und gerade so zum Platzen geladen ist wie ich. Aber so direkt sagte ich das nicht. Sondern lieber nur:
„War doch klar.“
Dass es plötzlich nicht mehr sofort zu mir nach Hause gehen sollte, war mir nicht recht. Wir waren doch schon so wunderbar auf Kurs gewesen. Und wir waren es im Grunde noch. Sobald ich meine Beute wieder im Wagen hatte, jetzt sogar mit Sack und Pack war jede Unterbrechung nichts weiter als ein völlig unnötiges Risiko. Wie oft kam gerade bei den besten Gelegenheiten im letzten Moment noch etwas dazwischen? Aber das konnte ich ihr natürlich nicht gut sagen.
„Wenn du unbedingt willst“, fuhr ich nach kurzem Überlegen fort, weil es nicht so aussah, als würde sie es sich noch mal anders überlegen. „Ich wüsste da ein Nachtcafé, das praktisch auf dem Weg zu mir liegt.“
Das war gelogen, aber sie kannte sich ja nicht aus in der Stadt. Folglich konnte ich ihr alles erzählen, was mir gerade in den Kram passte. Vermutlich sah für sie eine Straße aus wie die andere, und da die Sonne sich für diesen Tag längst verabschiedet hatte, konnte meine knusprige Begleiterin nicht einmal wissen, in welche Richtung wir fuhren. Sollte sie später tatsächlich noch auf dumme Ideen kommen – speziell auf die eine, doch nicht bei mir übernachten zu wollen –, dann musste ich nur daran ‚erinnern’, dass wir doch ohnehin schon ‚fast da’ waren.
Taktik ist manchmal alles.
Andererseits hatte ein Umweg auch Vorteile. Denn bis dahin hatte ich jede Minute genossen, die ich mit ihr im Wagen allein gewesen war. Mit ihrem frischen Duft, diesem hinreißend zarten Stimmchen und diesen studierten langen Beinen, die ich meinerseits schon so gründlich studiert hatte.
Mit dem Ergebnis, dass ich jetzt absolut sicher war, mit diesen entzückenden Beinen und allem, was die Natur daran befestigt hatte, in Klausur gehen zu wollen. Die Abgeschlossenheit meines rassigen Renners war eine gute Vorbereitung darauf, zumal ich da in meinem Element war und jederzeit die Chance hatte, beim Schalten in den nächsten Gang in meiner begreiflichen Verwirrung auch mal vollkommen versehentlich ihr verlockend nach vorn ragendes Knie zu erwischen. Nur Flachlegen wäre trotz der erstklassigen Liegesitze ein wenig umständlich gewesen.
Aber früher oder später musste sich so viel Nähe doch auszahlen!
*
Jedenfalls war sie mit meinem Vorschlag schon mal einverstanden, und so betraten wir wenig später das besagte Lokal, ein speziell zu später Stunde attraktives Café mit zahlreichen abgeteilten Nischen auf mehreren Ebenen einer aufwendigen Balkenkonstruktion in einem saalartigen Raum – dass man sich eigentlich in einem nüchternen Betonbau befand, wurde einem höchstens beim Blick an die Decke bewusst. Das Café war auch an diesem Abend leidlich gut besucht, und wir fanden ein freies Tischchen, an dem wir uns niederlassen konnten. Da die Bedienung erst einmal auf sich warten ließ, sah ich die Chance, rasch noch eine Kleinigkeit zu erledigen:
„Bestellst du schon mal, falls jemand kommt? Ich geh mir nur eben die Hände waschen.“
Sie nickte lächelnd, und im Weggehen beschloss ich klopfenden Herzens, mir auf gar keinen Fall mehr Zeit zu lassen als unbedingt nötig, damit mir dieser Spitzenfang nicht noch im letzten Augenblick vom Haken hüpfen konnte. So zog ich auf der Toilette nur schnell eine Packung bunte Präservative, wusch mir alibimäßig die Hände und ging hast-du-nicht-gesehen wieder nach draußen.
Am Tisch erwarteten mich bereits zwei hohe Gläser mit klarem Inhalt. Mein blonder Engel erhob sich feierlich, hielt mir lächelnd eines der Gläser entgegen und hielt das zweite in einer entzückend unschuldsvollen Geste vor den eigenen Leib gedrückt, und zwar ausgerechnet zwischen zwei freundlich atmende Klassebrüste, die ich für den Rest des Abends nicht aus den Augen zu lassen gedachte.
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