Marie Louise Fischer
Liebe, gefährliches Spiel
Roman
Saga Egmont
Liebe, gefährliches Spiel
Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof Forlag A/S
Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, ( www.marielouisefischer.de)
represented by AVA international GmbH, Germany ( www.ava-international.de)
Originally published 1973 by Lichtenberg Verlag, Germany
All rights reserved
ISBN: 9788711719039
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
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SAGA Egmont www.saga-books.comund Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk– a part of Egmont www.egmont.com
»Ihre Tochter hat einen Meineid geschworen!« Klaus Leonhardt, entlassener Zuchthaussträfling, schleuderte es seinem ehemaligen Vorgesetzten ins Gesicht.
Alfred Grosser, Direktor des Mädchengymnasiums in Bad Harsfeld, hielt sekundenlang die Luft an. Eine jähe ungesunde Röte stieg ihm ins Gesicht.
»Das ist eine ungeheuerliche Anschuldigung!« sagte er mühsam beherrscht.
»Nicht ungeheuerlicher als jene, die Ihre Tochter seinerzeit gegen mich vorgebracht hat!« erwiderte Klaus Leonhardt herausfordernd. »Ich schwöre Ihnen, Herr Direktor, ich habe Gisela niemals angerührt!«
»Das Gericht hat meiner Tochter und nicht Ihnen Glauben geschenkt!«
»Das Gericht ist zu einem entsetzlichen Fehlurteil gekommen!«
Die beiden Männer sahen sich starr in die Augen. Die Röte auf dem Gesicht Direktor Grossers verebbte, seine Züge schienen unter dem bohrenden Blick des anderen zu verfallen, und seine Haut nahm eine fahle, graue Blässe an.
»Herr Leonhardt«, sagte er, »ich fürchte, Sie stehen im Begriff, sich für das ganze Leben unglücklich zu machen. Der Prozeß gegen Sie ist abgeschlossen. Sie haben keine Möglichkeit, ihn wieder aufzurollen …«
»O doch, Herr Direktor!« fiel Klaus Leonhardt ihm ins Wort. »Sobald ich beweisen kann, daß der kleine Christoph nicht mein Sohn ist …«
»Sie sind nach dem Gesetz sein Vater. Es ist bewiesen, daß Sie der Verführer meiner Tochter sind. Sollten Sie irgendeiner dritten Person gegenüber Ihre Behauptung wiederholen, daß meine Tochter einen Meineid geschworen hat, müßte ich Sie, so leid es mir persönlich um Sie tut, wegen Verleumdung belangen!«
Klaus Leonhardt lächelte plötzlich; es war ein freudloses, bitteres Lächeln.
»Sie könnten mir gar keinen größeren Gefallen tun, Herr Direktor«, sagte er sanft, »denn dadurch würde ich genau das erreichen, was ich erreichen will. Die Vaterschaftsfrage würde Gegenstand eines zweiten Prozesses werden, und diesmal – verlassen Sie sich darauf! – würde ich mich nicht mundtot machen lassen… ich würde meine Schuldlosigkeit beweisen!«
»Sie sind ja wahnsinnig, Leonhardt!«
»Weil ich ein haarsträubendes Unrecht, das man mir zugefügt hat, nicht einfach hinnehme? Weil ich mich nicht damit abfinde, daß meine Karriere… daß mein ganzes Leben durch die Gewissenlosigkeit eines unreifen Mädchens zerstört worden ist? Nennen Sie das Wahnsinn, Herr Direktor?«
»Gisela hat eine Hölle durchgemacht. Meine Frau und ich, wir sind durch ein Fegefeuer gegangen. Wollen Sie uns allen diese Qual wirklich noch ein zweites Mal zumuten?«
Klaus Leonhardt lehnte sich zurück und schlug die langen Beine übereinander.
»Ich kann mir sehr wohl vorstellen, Herr Direktor, daß diese ganze Angelegenheit für Sie und Ihre Familie einigermaßen peinlich war und peinlich ist. Aber gelitten, wirklich gelitten, habe nur ich, und ich zweifle stark daran, daß Sie auch nur genügend Fantasie besitzen, sich vorzustellen, was ich durchgemacht habe. Was ist aus mir geworden? Ein Mann, der aus der Bahn geworfen worden ist, ein Vorbestrafter, auf den die ganze bürgerliche Gesellschaft mit Fingern weist, ein Mann ohne Zukunft. Nein, glauben Sie nur nicht, daß Sie bei mir auch nur einen Funken Mitleid für sich und Ihre Familie erwecken können. Ich war ein Idealist, aber ich bin geheilt. Jetzt geht es mir nur noch um mich und meine Rehabilitierung.«
Direktor Grosser stieß seinen Sessel zurück, sprang auf und begann heftig im Zimmer auf und ab zu gehen.
»Das alles ist eine so furchtbare… eine so unvorstellba re Tragödie«, murmelte er. »Wenn ich nur damals kühler gedacht, überlegter gehandelt hätte …«
Klaus Leonhardt lachte auf.
»Wie schlecht Sie sich selber kennen, Herr Direktor! Sie waren kühl und überlegt genug, Sie wußten genau, was Sie wollten… mich zugrunde richten!«
Direktor Grosser fuhr herum und blieb unmittelbar vor Klaus Leonhardt stehen.
»Ich war blind vor Haß!« bekannte er. »Daß meiner Tochter dies zustoßen mußte, meinem einzigen Kind! Was für Hoffnungen hatten wir auf Gisela gesetzt, wie stolz sind wir immer auf sie gewesen… und dann plötzlich dieser Schicksalsschlag aus heiterem Himmel! Sie haben recht, ich wollte Sie zugrunde richten!«
»Sagen Sie nur nicht, daß Ihnen das jetzt leid tut!«
»Doch, Herr Leonhardt, so ist es! Ich bedauere mein Verhalten von damals, ich bedauere es von ganzem Herzen! Ich bin zu der Einsicht gekommen, daß es weit klüger… und auch weit menschlicher gewesen wäre… wenn ich auf eine Anzeige gegen Sie verzichtet hätte!«
Wider Willen fühlte sich Klaus Leonhardt durch dieses unerwartete Bekenntnis ein wenig aus dem Gleichgewicht gebracht. Er mußte sich zwingen, den kalten, unerbittlichen Ton beizubehalten, den er seinem ehemaligen Vorgesetzten gegenüber bisher angewandt hatte.
»Ich höre wohl nicht recht«, sagte er mit gekünsteltem Spott, »ausgerechnet Sie fragen sich, ob es nicht besser gewesen wäre, einen Verbrecher laufen zu lassen?«
»Ich weiß, Herr Leonhardt«, sagte der Direktor, »und ich habe es immer gewußt, daß Gisela damals in einem schwierigen Alter war. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß Gisela Ihnen diese… diese Verführung allzu leicht gemacht, ja, daß sie Sie durch ihr sehr freies Benehmen geradezu herausgefordert hat …«
»Ich habe Ihre Tochter nicht verführt, Herr Direktor«, erklärte Klaus Leonhardt mit Festigkeit.
»Ach, lassen Sie das jetzt doch! Wir sind zwei erwachsene Männer, wir sind ganz unter uns! Warum sollen wir nicht offen miteinander reden? Wir hätten das längst tun sollen!«
»Ich habe es Ihnen gegenüber niemals an der nötigen Aufrichtigkeit fehlen lassen«, sagte Klaus Leonhardt, durch die plötzliche Wendung des Gespräches einigermaßen aus dem Konzept gebracht.
»Doch, das haben Sie! Warum sind Sie nicht damals einfach zu mir gekommen und haben gesagt: Dies und das ist passiert, ich weiß, es war falsch von mir, aber mein Temperament ist mit mir durchgegangen! Geben Sie mir Ihre Tochter zur Frau! – Ich gebe zu, ich bin nicht sicher, wie ich einen solchen Antrag aufgenommen hätte… aber warum haben Sie nicht wenigstens den Versuch gemacht?«
Klaus Leonhardt verschlug es die Sprache. »Das hätten Sie wirklich von mir erwartet, Herr Direktor?«
Niemals zuvor war ihm diese Möglichkeit durch den Kopf gegangen, und sekundenlang war es ihm wirklich, als wäre ein solcher Antrag besser gewesen – besser jedenfalls als dieser unglückselige Prozeß, jahrelange Inhaftierung, eine zerstörte Karriere.
»Ja«, erwiderte Direktor Grosser ruhig, »aber ich habe genauso versagt wie Sie. Da Sie selber nicht den Mut zu diesem Schritt fanden, hätte ich Ihnen entgegenkommen sollen. Aber, wie gesagt, ich war von Haß verblendet.«
Klaus Leonhardt hatte sich wieder gefaßt.
»Warum erzählen Sie mir das alles?« fragte er mit seinem alten spöttischen Unterton.
»Verstehen Sie mich wirklich nicht?« fragte Direktor Grosser, »oder macht es Ihnen einfach Freude, mich zu demütigen?«
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