Marie Louise Fischer
SAGA Egmont
Liebe im Grand Hotel
Liebe im Grandhotel (Die Chefin)
Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, ( www.marielouisefischer.de) represented by AVA international GmbH, Germany ( www.ava-international.de)
Originally published 1968 by LichtenbergVerlag, Germany
Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof Forlag A/S
All rights reserved
ISBN: 9788711719015
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
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»Ich habe verstanden, daß du heute deinen dritten Hochzeitstag hast«, sagte die Hotelsekretärin Lona Simon, »es ist durchaus nicht nötig, daß du das dauernd wiederholst. Ich begreife nur nicht, daß dir das erst heute einfällt!«
Sie saß auf dem schweren antiken Schreibtisch im Büro des Hoteliers, die Beine mit den zierlichen Fesseln übereinandergeschlagen, und stach mit der Spitze ihres Kugelschreibers Löcher in den Stenogrammblock, der auf ihren Knien lag.
Urban Horster stand vor ihr, die Hände in den Taschen seines korrekten dunklen Anzugs, und zeigte jenes hinreißende Lächeln, das ihm seit jeher die Sympathien aller weiblichen Hotelgäste eingetragen hatte.
»So, begreifst du das wirklich nicht?« fragte er neckend. »Darf ich dich daran erinnern, daß ein faszinierendes junges Mädchen namens Lona es verstanden hat, mir so völlig den Kopf zu verdrehen, daß man es fast ein Wunder nennen kann, wenn ich mich überhaupt noch an meinen eigenen Namen erinnern kann?«
Sein Charme prallte an ihr ab.
»Ach, laß doch die blöden Witze«, sagte sie wütend. »Es gibt Dinge, die man einfach nicht vergißt. Seit Wochen habe ich mich auf diesen Tag gefreut …«
»Ich doch auch, Liebes«, sagte er begütigend und wollte seine Hand auf ihren Arm legen.
Sie stieß seine Hand heftig zurück.
»Ach, mach mir doch nichts vor! Es ist doch immer dasselbe. Deine Frau braucht bloß mit dem kleinen Finger zu winken, und schon läßt du mich im Stich.«
Sie warf ihr schulterlanges schwarzes Haar mit einer wilden Kopfbewegung zurück.
»Lona, Liebes, nun nimm doch mal Vernunft an …«
»Aber wieso gerade ich? Warum verlangst du nicht von deiner Frau, daß sie vernünftig sein soll? Schließlich ist es ja ihre eigene Dummheit. Warum hat sie dich erst heute an diesen blöden Hochzeitstag erinnert?«
»Weil sie erwartet hat, daß ich von selber daran denken würde!«
»Dann kennt sie dich aber schlecht.«
»Kann sein.«
Urban Horster nahm sich eine Zigarette aus dem schweren, wunderbar ziselierten Silberkasten und zündete sie sich mit dem Tischfeuerzeug an.
»Ich jedenfalls …« begann Lona.
»Das kann ich mir denken«, sagte er, »du hättest mich Tag und Nacht daran erinnert. Aber im Gegensatz zu dir ist Ellen eben bemüht, mir nicht auf die Nerven zu fallen.«
»Soll das heißen …?« Sie rutschte vom Schreibtisch, ließ Stenoblock und Kugelschreiber fallen und trat auf ihn zu, tiefen Vorwurf in den großen dunkelbraunen Augen, deren Wirkung sie durch ein geschicktes Make-up noch vergrößerte.
»Natürlich nicht«, sagte er rasch, »sei doch nicht so empfindlich. Ich wollte dich nicht beleidigen, nur … Versuch doch endlich zu verstehen! Ich liebe dich … ja, nur dich! Aber an unserem Hochzeitstag muß meine Frau wirklich vorgehen.«
Er machte keinen Versuch, sie in die Arme zu nehmen, und sie begriff plötzlich, wie ernst es ihm war und daß sein Widerstand nicht so leicht zu brechen sein würde wie sonst. In Sekundenschnelle hatte sie einen kindlich bettelnden Ausdruck in ihr pikantes kleines Gesicht gezaubert.
»Schrecklich«, sagte sie mit leiser Stimme, »ich muß doch heute nach Straßburg! Die Kleider sind fertig und …«
Sie schluckte schwer.
»Die Kleider! Deshalb brauchst du doch nicht traurig sein! Die können wir doch genausogut noch nächste Woche abholen.«
»Aber ich kann doch nicht noch länger in demselben alten Zeug herumlaufen!«
Er musterte ihre Erscheinung, den schmalen grauen Rock, der ihre runden Hüften und die schlanke Taille betonte, den korallenroten kurzärmeligen Pullover, der sich um ihren festen Busen schmiegte. Plötzlich war das alte Lächeln wieder in seinem Gesicht.
»Mir gefällst du sehr gut so«, sagte er schmunzelnd.
»Das ist doch kein Argument!«
»Na, dann darf ich dich vielleicht daran erinnern, daß dein Kleiderschrank so prall gefüllt ist, daß er fast aus den Scharnieren platzt!«
»Urban«, sagte sie schmollend, »Liebling, du hast ja recht. Ich bin ein ganz dummes kleines Ding, aber ich hatte mich nun mal so darauf gefreut! Bitte, bitte, tu mir doch die Liebe, fahr mit mir nach Straßburg … nur ganz rasch hin und wieder zurück! Dann kannst du doch nachher immer noch …«
Er stieß seine Zigarette mit einer ungeduldigen Bewegung in die kupferne Aschenschale.
»Warum mußt du dir auch ausgerechnet deine Kleider in Straßburg kaufen! Als wenn es hier in Baden-Baden nicht genug Möglichkeiten gäbe!«
»Liebling«, sagte sie sanft, »hast du denn ganz vergessen, warum ich das tue? Doch nur dir zuliebe. Du selber hast mich doch darum gebeten … damit ich dich nicht kompromittiere. Damit die Klatschmäuler hier sich nicht den Mund darüber zerreißen können, woher ich das Geld habe, mir teure Modellkleider zu kaufen.«
Er stieß noch immer seine schon gänzlich zerdrückte Zigarette in die Aschenschale.
»Du würdest mir entschieden mehr damit helfen, wenn du versuchen würdest, deine Ansprüche ein bißchen herabzuschrauben. Du weißt genau, daß ich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten bin. Ich habe große Kredite aufnehmen müssen …«
»Na eben«, fiel sie ihm kaltschnäuzig ins Wort, »da kommt es auf ein paar lumpige Tausender mehr oder weniger doch auch nicht an!«
Es sah sie an, und in seine leuchtend blauen Augen trat ein kalter Glanz. Er bereute plötzlich, daß er sich überhaupt mit ihr eingelassen und daß er es dahin hatte kommen lassen, daß sie so mit ihm zu sprechen wagte. Sie war attraktiv, und sie hatte es verstanden, sein Interesse zu wecken und, länger als jede andere vor ihr, wachzuhalten. Aber sie war nicht die einzige reizvolle Frau auf der Welt, und von jeher hatten die Frauen es ihm leichtgemacht. Warum sollte er sich gerade von dieser einen beherrschen lassen?
»Geh zum Teufel«, sagte er grob, »ich habe genug von dir.«
Lonas Gesicht wurde zu einer glatten, ausdruckslosen Maske.
»Danke«, sagte sie kühl, »ich danke dir für deine Aufrichtigkeit. Es ist immer gut, ganz klar zu wissen, woran man ist.«
Sie nahm den Stenogrammblock und ihren Kugelschreiber vom Boden auf und fragte mit ironischer Beflissenheit:
»Haben Sie mir noch etwas zu diktieren, Herr Horster? Oder irgendwelche Anweisungen zu geben? Nein? Dann darf ich mich jetzt wohl zurückziehen.«
Sie ging zur Tür, als ob sie das Zimmer verlassen wollte, drehte sich aber, die Klinke schon in der Hand, noch einmal um.
»Mach dir meinetwegen keine Sorgen«, sagte sie mit einem süßen Lächeln, »ich werde schon jemanden finden, der mich nach Straßburg fährt – und mir meine Kleider bezahlt!«
Urban Horster war fest entschlossen gewesen, sie gehen zu lassen, aber diese Andeutung genügte, seine guten Vorsätze zunichte zu machen. Mit wenigen Schritten war er bei ihr und packte ihre Handgelenke.
»Was soll das heißen?«
»Als ob du mich nicht ganz genau verstanden hättest! Ich pfeife auf deine Liebe, wenn sie so aussieht. Ich habe knickrige Männer seit jeher gehaßt. Gott sei Dank gibt es ja noch andere!«
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