Dementsprechend rasch war ich bei jener Grazienschau nicht mehr in der Verfassung gewesen, mich ohne Erregung öffentlichen Ärgernisses von meinem Stuhl zu erheben. Die perfekte Mischung aus professionellem Laufsteggehabe und kompromisslosem Zurschaustellen weiblicher Attribute hatte meinen Herzschlag schockierend in die Höhe getrieben und mich binnen kürzester Zeit für horizontale Vergnügungen jeglicher Art einsatzbereit gemacht.
Und genau diese Mischung erlebte ich nun wieder bei Blondie.
Auch sie schwebte durch den Raum wie von unsichtbaren Fäden getragen. Manchmal schien es mir, als berührte sie nicht einmal mehr den Boden. Jeden Augenblick rechnete ich damit, dass sich hinter ihrem Rücken imposante weiße Engelsflügel entfalten würden.
Im Vergleich zu den Grazien jenes Schaulaufens hatte sie freilich einen geradezu unschätzbaren Vorzug: Diesen blonden Engel hatte ich schon so gut wie im Bett. Ich musste nur noch herausfinden, wie ich den unvermeidlichen Sturmangriff am überzeugendsten kaschieren konnte.
Unversehens kam mir der Zufall zu Hilfe.
„Hach!“, japste sie plötzlich und sank unvermittelt in die Knie.
Sie befand sich ausgerechnet am anderen Ende des Raumes, doch da es sich offenkundig um einen Notfall handelte, war ich ihr mit wenigen entschlossenen Schritten beigesprungen. Sofort kniete ich neben ihr nieder und fragte besorgt:
„Was ist denn los?“
„Ach, wahrscheinlich nichts, … ich … ahhh!“
„Wo tut’s denn weh?“
„Hier… ahhh … autsch …“
Sie wies auf ihren Knöchel.
Es war ein entzückender Knöchel, den ich unbedingt eingehend untersuchen musste. Natürlich kam ich meiner Pflicht mit größter Sorgfalt nach.
„Man sieht gar nichts.“
„Vielleicht schaust du nicht richtig.“
„Eigentlich kenne ich mich mit sowas aus.“
„Glaubst du, das Bein kann gerettet werden?“
Ich lachte.
„Wäre echt schade drum. Bist du umgeknickt?“
„Weiß nicht, … da am Teppich, irgendwie …“
„Ja, da ist diese Kante. Ist man schnell dran hängengeblieben. Kannst du aufstehen?“
Sie konnte, und angeschmiegt an meine starke Schulter schaffte sie es unter tapferem Seufzen tatsächlich auf die Ledersitzecke. Leider hatte es sich bei der überstürzten Rettungsaktion nicht vermeiden lassen, dass meine Hände auch kurz über ihre Brüste, über ihre Schenkel und besonders sanft durch ihre Leisten geglitten waren. Völlig unbeabsichtigt, versteht sich.
Wir lagerten den verwundeten Knöchel auf dem lehnenlosen Zusatzelement, und als ich ihren Fuß noch einmal abtastete, jaulte sie auf:
„… nicht so fest …“
Ihr Atem ging auf einmal schwer, und ihr prachtvoller Busen machte getreulich jeden Atemzug mit. Mir wurde ganz anders, als ich gewahr wurde, dass sie mir plötzlich sehr, sehr tief in die Augen sah.
Ich kniete vor dem Polster, auf das ihr Fuß gebettet lag, und sah sie gebannt an. Ihre Zehen regten sich sachte in den schmalen Riemenschuhen, und da verlor ich wohl die Kontrolle. Ehe ich wusste, was ich tat, hatte ich mich schon nach vorne gebeugt, ihren Fuß samt Schuh zwischen beide Hände genommen und einen hungrigen Kuss auf ihren entblößten unteren Spann gedrückt.
Darüber erschrak ich selbst dermaßen, dass ich plötzlich fühlte, wie ich errötete. Ich wagte nicht einmal aufzusehen und küsste den Fuß in einer jähen Anwandlung ein zweites Mal und ein drittes Mal. Und dann gleich noch einmal.
Es war der erste Frauenfuß, dem ich diese hohe Ehre zuteil werden ließ. Kann sein, dass ich schon irgendwann vorher während dieses oder jenes Liebesspiels beim Erforschen eines Frauenkörpers auch einem Fuß einen flüchtigen Kuss verabreicht hatte. Doch nie war es zu einer vergleichbaren Zeremonie wie diesmal gekommen. Und während sich meine Lippen noch sehnsüchtig auf die zarte Haut dieses niedlichen kleinen Gebildes drückten, empfand ich plötzlich eine veritable Angst, mein blonder Engel könne mich zu Unrecht für einen armseligen Fußfetischisten halten.
Scheu blickte ich zu ihr auf.
Sie erwiderte meinen Blick lange und fragte dann sanft:
„Ist es das, was du gemeint hast?“
„Was?“
„Dass du dich mit sowas auskennst.“
Ich schluckte. Senkte den Blick. Und sah wacker wieder zu ihr auf.
Ihr Blick war noch berückender geworden. Sie hatte den Kopf nach vorne geneigt und sah mich unter der goldenen Haube ihrer Haarpracht hervor so sinnlich an, dass ich auf einmal das schier untrügliche Gefühl hatte, mit Blicken entkleidet zu werden. Das war mir nie zuvor passiert, und ich muss zugeben, dass es mich enorm einschüchterte.
Ob Frauen das gleiche demütigende Prickeln empfanden, wenn sie das tausendste Mal in der Öffentlichkeit von ihrem Gegenüber mit Blicken bis auf die sich nackt aufrichtenden Brustwarzen freigelegt wurden?
Das Füßchen dieser selbstsicheren jungen Frau regte sich vor meinen faszinierten Augen keck und unschuldig wie die erwachende Geliebte in den ersten Sonnenstrahlen des frühen Morgens.
Ohne es zu wollen, stöhnte ich auf.
Aus purer Verlegenheit presste ich ein weiteres Mal meine Lippen auf ihren süßen kleinen Fuß. Sie ließ es anmutig geschehen.
Ich bebte vor Lust.
Und urplötzlich übermannte mich das Gefühl, dass dieses hinreißende junge Weib schon viel, viel mehr über Sex wieder vergessen hatte, als ich jemals darüber lernen würde.
6
Sie sah mich dann geraume Zeit an, und mir wurde zunehmend unwohl dabei. Ihre Blicke schienen mir derart durchdringend, dass ich mich vollkommen durchschaut fühlte, und möglicherweise war ich das sogar. So traf es mich wie ein Keulenschlag, als sie mit ihrer feminin samtigen Stimme auf einmal sagte:
„Du hast lange keine Frau gehabt, nicht wahr!“
Es war eine Feststellung, keine Frage, doch ich versuchte auszuweichen:
„Ach, ich, das würde ich so nicht …“
„Wie lange?“
„Also, das … das möchte ich nicht …“
„Antworte!“
Etwas Schneidendes lag in ihrer Stimme. Das war immer noch dieses becircende Stimmchen, das mich den ganzen Abend lang auf Wolke sieben gehalten hatte. Doch da war auch ein unüberhörbarer Unterton, der mir ganz ohne Worte zu verstehen gab: ‚Entweder du redest jetzt, oder du kannst dir für den Rest der Nacht jeden Gedanken an Sex abschminken’.
Das wollte ich auf keinen Fall.
„Ein halbes Jahr“, stieß ich heiser hervor, „nein, nein: über ein Jahr!“
Ohne ersichtlichen Grund hatte mich auf einmal die Vorstellung gepackt, dass sie in meinen Gedanken lesen konnte wie in einer Speisekarte und dass sie meine Lüge mit dem halben Jahr sofort durchschaut hatte. Wenn sie mich nun ausgerechnet deswegen aufs Abstellgleis geschoben hätte – nicht auszudenken! Dann lieber die Wahrheit gesagt, auch wenn mich die als Liebhaber in einem ziemlich miesen Licht erscheinen ließ.
„Na also, war doch gar nicht so schwer.“
Ihre Worte waren wie ein begütigendes Streicheln über meinen Nacken, mit dem ich mich sehr wohl gefühlt hätte, wäre da nicht die beunruhigende Ahnung gewesen, ihr auf eine seltsame Weise ausgeliefert zu sein.
Zaghaft schüttelte ich den Kopf.
„Dann onanierst du viel, oder?“
Ich war fassungslos, wie unbekümmert sie das schändliche Wort aussprach, ganz abgesehen davon, dass sie die hochnotpeinliche Befragung mit äußerster Selbstverständlichkeit durchführte. Es war wirklich, als gäbe es für sie nichts Normaleres auf der Welt.
Trotzdem protestierte ich jetzt:
„Darüber will ich nicht … nicht … Wie kannst du nur so etwas fragen?“
„Gib Antwort!“, sagte sie völlig ruhig. „Auf der Stelle!“
Ich kann nicht sagen, weshalb ich sie an diesem Punkt nicht rigoros zurechtwies oder sie gleich aus dem Haus warf. Oder nein: Einen Punkt weiß ich schon, eigentlich zwei. Insgesamt sogar drei. Wenn man ihre sehenswerte Rückseite dazurechnet, vier beziehungsweise fünf.
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