Schließlich kam ich auf die gloriose Idee, Musik aufzulegen. Ich dachte erst an Klassik, doch nach dem Reinfall mit dem Rotwein entschied ich mich doch für ein paar stimmungsvolle Rockballaden. Sobald die CD lief, trat ich hinter sie und beugte mich zu ihr hinab.
Sie duftete hin – rei – ßend.
Es war kein Parfüm. Es war ihr eigener Duft. Der Duft ihres Körpers. Und er war unwiderstehlich.
Aber sie rührte sich nicht. Sie ließ es stumm zu, dass ich über sie gebeugt dastand, dass ich den Duft ihres Haares atmete, doch sie machte keinerlei Anstalten, mich ihrerseits zu berühren oder sich zu einem ersten innigen Kuss zu mir umzudrehen.
So brach ich die Attacke irgendwann unvermittelt ab und richtete mich brüsk wieder auf. Es fiel mir schwer, mir den Anschein von Gleichgültigkeit zu geben, denn natürlich war mir der Fehlschlag alles andere als gleichgültig. Sie aber ließ sich nichts anmerken, und so gelang es mir einigermaßen, meine Enttäuschung zu überspielen.
„Gibt es eigentlich in Kasachstan viele blonde Mädchen?“, fragte ich, weil mir trotz fieberhaften Überlegens keine noch weltmännischere Frage eingefallen war.
„Weiß nicht. Ich war da noch nie. Brauchst du noch welche?“
„Nein, nein. Ich meine, … ich … du bist ja …“
Es war so unfair! Wie sollte man als Mann ein halbwegs gepflegtes Gespräch führen, wenn ausgerechnet beim Anblick der atemberaubendsten Frau die ganze unwichtige restliche Welt schlagartig zu existieren aufhörte?
Außerdem: Wozu noch lange reden? Ein paar entschlossene Griffe hätten doch mehr als genug gesagt.
Aber das wagte ich nicht.
Noch nicht.
*
Sie hatte diese Probleme nicht. Was immer sie tat, wirkte natürlich, spontan und vollkommen ungezwungen. So wie jetzt, als sie sich unvermittelt erhob und neugierig begann, meine CDs und DVDs durchzusehen.
Bis sie auf etwas Interessantes stieß.
„’Die Geschichte der Null’“, las sie vor. „Ist das was Mathematisches?“
Ja, klar, gab es in Kasachstan überhaupt Kinos? War da das Fernsehen schon erfunden?
Ich hüstelte nervös. Ein Auflachen unterdrückte ich lieber, damit sie mir nicht einschnappte. Aber dass sie so naiv sein konnte, fand ich denn doch zu komisch. So dauerte es etwas, bis ich stockend zu antworten vermochte:
„Nicht direkt. Ähm. Ist so’n alter Film. Kennst du wahrscheinlich nicht.“
Sie nickte verständnisvoll. Dann rief sie aus:
„Da ist ja eine Frau drauf!“
„Ja? Ist mir noch gar nicht aufgefallen.“
Lange besah sie das Cover, bis sie versonnen vor sich hin sagte:
„Die hat gar nichts an.“
Der Klang ihrer Stimme verhieß nichts Gutes. Ich hatte schon viel zu viele Frauen kennengelernt, die paradoxerweise auf andere Frauen, speziell auf nackte, gar nicht gut zu sprechen waren. Und die nicht einmal den Unterschied zwischen Porno und Erotikfilm kannten. Also wiegelte ich vorsichtshalber entschieden ab:
„Das sieht wohl nur so aus.“
„Man sieht ihre Brüste.“
„Kann gar nicht sein!“
Corinne Clery hätte meine Worte nicht hören dürfen, denn für ihre hinreißende Darstellung der O würde ich die kleine Pariserin in Wirklichkeit bis zu meinem Dahinscheiden aus tiefstem Herzen verehren. Doch Blondie ließ sich nicht von ihrem Kurs abbringen:
„Nein, sie hat nichts an! Sieh doch selbst!“
„Oh ja, jetzt fällt es mir wieder ein: Sie ist ein Waisenkind, das mit seinen Eltern auf der Flucht ist. Die Eltern sind arm, sehr arm, und sie haben alles verloren. Zuletzt auch noch die Kleider ihrer Tochter.“
Autsch! Ich hatte schon das Gefühl, etwas zu dick aufgetragen zu haben. Doch mein blonder Engel erwiderte in aller Unschuld:
„Ach! Fast wie bei mir. Nur das mit den Kleidern nicht.“
Schade , dachte ich, aber das können wir doch rasch in Ordnung bringen. Und sagte listig:
„Kleider sind gar nicht so wichtig.“
„Was hat sie denn da um den Hals?“
„Ach das …“
Einen Sklavenring, wäre die korrekte Antwort gewesen. Aber das war ein Stichwort, das mir bei so einem unschuldigen jungen Ding zu riskant schien. Also sagte ich lieber:
„Ist wahrscheinlich nur so ein Schmuckstück.“
„Ob mir das stehen würde?“
Sie sagte das genau in dem Moment, in dem ich von hinten an sie herangetreten war. Ich musste unbedingt die DVD-Hülle sicherstellen, ehe sie mich mit ihrer endlosen Fragerei so weit in die Enge getrieben hatte, dass mir vielleicht wirklich keine Ausrede mehr einfiel.
„Oh, ganz sicher“, erwiderte ich, indem ich mit spitzen Fingern eine Linie um ihren bildschönen Hals zog, dort, wo der Sklavenkragen in etwa zu liegen gekommen wäre. Sie drehte den Kopf zu mir, lächelte heiß und entwand sich mir ein weiteres Mal.
Wenigstens hatte ich jetzt die DVD.
*
Ihre Figur war ein Traum. Rank und schlank, alles in perfekter Balance. Michelangelo hätte seine Freude an ihr gehabt.
Die kleinen, feinen Ausbuchtungen vorne wie hinten beeindruckten mich schon in Ruhestellung über alle Maßen. Doch sie bewegte sich auch noch geschmeidig wie eine junge Katze, und mit jeder Bewegung offenbarten sich neue aufregende Ansichten. Ihre Arme waren auffallend schmal, so dass ich ein ums andere Mal registrieren konnte, wie mein Beschützerreflex ansprang und ich das heftige Bedürfnis verspürte, ihr eine starke Schulter zu sein, an die sie sich schutzsuchend anlehnen konnte. Auch ihre Taille war schmal. So schmal, als habe die Natur ein Ausrufezeichen setzen wollen, um darauf aufmerksam zu machen, dass darunter umwerfende Hüften zu einem Becken ausluden, welches an Weiblichkeit nicht das Geringste zu wünschen übrig ließ.
Und dann diese Beine.
Wow!
Ihre schiere Länge hätte zu dem Trugschluss verleiten können, dass sie unmittelbar unter den Schultern beginnen mussten. Das war glücklicherweise nicht der Fall. Bei diesem Prachtkind war alles am richtigen Platz, da war ich nahezu sicher. Um die erforderliche letzte Gewissheit zu erlangen, musste ich natürlich erst gewisse verborgenere Partien dieses märchenhaften Körpers hautnah in Augenschein nehmen. Was momentan leider noch durch einige vollkommen überflüssige Kleidungsstücke verhindert wurde.
Als sie mir jetzt vom Fenster her zulächelte, hatte sie für einen Moment etwas von der sehr jungen Cameron Diaz, über die ich ein paar Wochen zuvor einen hochinteressanten Aufsatz in der französischen Ausgabe des Fachmagazins Playboy gelesen hatte. Es war ein sehr informativer Artikel gewesen, gewissenhaft recherchiert und kompetent geschrieben. Praktischerweise ergänzt durch einzelne Hochglanzbilder, die dem Leser eine sehr viel tiefergehende Vorstellung von Gedanken, Träumen und Persönlichkeit dieser bemerkenswerten jungen Frau aus der kalifornischen Provinz vermittelten, als es trockener Text allein vermocht hätte. Eines jener Bilder war sogar so großformatig angelegt gewesen, dass man es zum Betrachten umständlich aus der Zeitschrift herausklappen musste.
Mein blonder Engel hätte sich auf einem solchen Hochglanzfaltbild bestimmt auch hervorragend gemacht.
Ich sah die Kleine an und fühlte dieses vertraute Kribbeln in meinen Fingern, die endlich etwas Handfestes zum Greifen haben wollten. Weiche Haut, duftendes Haar, feste Pobacken. Ich liebte den Griff auf beide Hälften des Sitzfleisches, mit dem man ein Becken so machtvoll an sich heranziehen konnte, dass sich das resultierende leichte Zurückfedern als harmonischer Übergang zu rhythmischen Hüftbewegungen geradezu anbot. Es war an der Zeit, diesen und andere wichtige Griffe an meiner reizenden Besucherin praktisch auszuprobieren.
Die Art, wie sie sich durch den Raum bewegte, hatte etwas schwerelos Schlenderndes und war zugleich verlockendes Anpreisen auf höchstem Niveau. Jahre zuvor hatte ich einmal bei einem Kunden aus der Industrie das Vorturnen mehrerer Dutzend bestens gewachsener junger Damen miterleben dürfen. Es war um Engagements als Messehostess gegangen, einen Knochenjob, aber spitzenmäßig bezahlt und offenbar sehr attraktiv für die Elite der lokalen Stöckelschuhgazellen. Die meisten Kandidatinnen hatten bereits Erfahrungen in ähnlichen Jobs gesammelt, die eine oder andere eventuell sogar in gewissen Etablissements mit geschlossener Gesellschaft.
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