R. M. Amerein - Roboter - Fading Smoke

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Geh nicht in ein Biotop. Das ist kein Ort für dich. Es würde nur schiefgehen. Ein Vorsatz, so simpel und einfach – wenn man sich daran hält. Doch der Roboter Smoke ist nicht gerade dafür bekannt, immer rational zu handeln. Wegen eines Auftrags lässt er sich dazu verleiten, in eines der riesigen Biotope zu marschieren. Nur gehen seine Energiereserven schneller zur Neige als geplant. Verrückt, wenn man eigentlich von genug Biomasse umgeben ist. Allerdings winkt die Abschaltung, wenn man sich ohne Erlaubnis an den Pflanzen bedient. Es muss also eine schnelle und rechtssichere Lösung her, damit Smoke es zurück in die Außenwelt schaffen kann. Wie praktisch, dass einige Forscher in der Nähe ihr Lager aufgeschlagen haben und ihm eine hohe Energiezufuhr versprechen. Er soll nur ein Menschenkind einfangen, das ihnen ausgebüchst ist. Total einfach! Zumindest in der Theorie. Denn kaum hat Smoke die kleine Kaia gefunden, wird er in Geschehnisse hineingezogen, die nicht nur seine Schaltkreise auf den Kopf stellen, sondern auch die Koexistenz von Mensch und Maschine bedrohen.

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R. M. Amerein

Fading Smoke

Roboter Fading Smoke - изображение 1

Roboter Fading Smoke - изображение 2

Eine Veröffentlichung des

Atlantis-Verlages, Stolberg

April 2022

Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin

Titelbild und Umschlaggestaltung: Timo Kümmel

Lektorat: Melina Coniglio

Satz: André Piotrowski

ISBN der Paperback-Ausgabe: 978-3-86402-826-7

ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-839-7

Besuchen Sie uns im Internet:

www.atlantis-verlag.de

Für meinen Lieblingsroboter Chris

Beginn der Aufzeichnung

Warst du schon einmal an einem Punkt in deinem Leben, an dem du gern deine Memoiren geschrieben hättest? Ich schätze, spätestens kurz vor dem Tod bereut man es, dies nicht getan zu haben.

Nicht dass ich momentan im Sterben liege. Jedenfalls nicht direkt. Aber irgendwie habe ich ein ungutes Bauchgefühl – was eine menschliche Metapher ist, ich weiß. Ich bin eben darauf programmiert, mich so auszudrücken. Daran wirst du dich gewöhnen müssen.

Zwar habe ich gerade den Eindruck, Selbstgespräche zu führen und die Worte an ein Publikum zu verschwenden, das gar nicht existiert – zumindest noch nicht. Doch wenn ich verende, wird hoffentlich jemand – also du – meinen Datenkern finden und sich diesen Monolog anhören.

Ich weiß ja nicht einmal, ob ich etwas Spannendes zu erzählen habe. Nur dass ich das dringende Bedürfnis habe, der Welt einen Teil von mir zu hinterlassen. Also zeichne ich meine Gedanken und Aktivitäten ab diesem Zeitpunkt auf.

Eintrag 1

Meine dunklen Metallplatten blitzen im Licht der Sonne auf, als ich mir eine Zigarette in den Mundschlitz schiebe. Auf dem Visierinterface blendet sich die tägliche Analyse der Solardaten ein, die ich gekonnt ignoriere. Es ist unfassbar nervig, dass dieser Algorithmus noch immer ein Teil von mir ist. Er lässt sich nicht löschen, weil er zu tief in meiner Basisprogrammierung verankert ist. Seufzend lasse ich das Feuerzeug aufschnappen.

Der Biobot mir gegenüber wirft mir einen durchdringenden Blick zu. »Rauchen ist hier nicht erlaubt«, sagt er in dieser betont friedvollen Stimmlage, welche diesem Clan angeboren ist. Wobei angeboren nicht die richtige Bezeichnung ist. Wir sind anders als die Menschen. Unsere Mütter sind metallene Schaffungsmaschinen und unser Vater ein schlauer Wissenschaftler.

»Mach lieber deine Arbeit.« Gefrustet packe ich Zigarette und Feuerzeug weg und sehe zu, wie Erny mich per Schlauch an dem Behältnis neben mir befestigt. Innen befinden sich Erde und ein Haufen Blumen, deren Farben so bunt leuchten, dass es mir unangenehm auf dem Visier brennt. Erneut poppt eine Anzeige auf und teilt mir mit, wie viel Zeit mir diese Blütenpracht geben wird. »Ihr könntet wirklich besser zahlen, Erny.«

»Es heißt 3RNY«, erwidert er bissig. »Im Gegensatz zu vielen anderen ist es mir wichtig, dass meine Seriennummer korrekt ausgesprochen wird. Und was deine Energieladung angeht: Hast du gedacht, für so eine lächerliche Ansammlung an Ersatzteilen würdest du eine volle Ladung bekommen?«

Wortlos sehe ich den Farben der Blumen beim Verblassen zu. Ich fühle, wie in mir die Synapsen zucken und freudig die neue Energie aufnehmen, doch wie immer bin ich auch ein wenig traurig dabei. Zugegeben, ich habe mich schon am Rand eines Totalausfalls befunden, ich brauche diesen Schub also dringend.

»Im Stützpunkt sagte man mir, dass ich genug Energie für den Weg raus und zurück erhalte. Das sei mit euch so abgesprochen gewesen.«

Erny legt den Kopf schräg. Die für Biobots typischen Riesenleuchtaugen heften sich an mein Visier. In seinem goldenen Antlitz spiegelt sich die Sonne auf eine andere Weise wider, man kann sogar den schwarzen Kranz sehen, der sie umgibt. Ich schaue nie hinauf. Diese kleinen Momente reichen mir, um mich daran zu erinnern, warum wir überhaupt hier sitzen.

»Was?«, frage ich genervt, weil Erny nichts erwidert.

»Es tut mir leid, dass du offenbar verarscht wurdest.«

Ich pule an einem Einschussloch an meinem Bein herum, das ich dringend mal versiegeln müsste. Es kostet mich jegliche Mühe, nicht sofort auszurasten. Wenn ich wieder zurück bei der Basis bin, werde ich diesen Auftragsvermittler so was von auseinandernehmen.

»Wir haben klare Anweisungen und ich kann keine Ausnahmen machen.«

Ich ramme die geschlossene Faust auf die Theke. Der Glaskasten mit den Blumen zittert leicht. Inzwischen sind sie schwarz und lassen die Köpfe hängen. »Du willst mich lieber in der Wildnis sterben sehen?«

»Hör mal, ich würde dir ja wirklich gern helfen, aber ich kann dir keine Energie schenken. Bei allem, was gerade los ist … Wenigstens wir müssen uns an die Vorschriften halten.« Bevor ich mir zum Trotz doch eine Zigarette anstecken kann, beugt sich Erny zu mir vor und senkt verschwörerisch die Stimme: »In der Nähe haben einige Forscher ihr Lager aufgeschlagen. Ich habe gehört, sie suchen etwas oder jemanden. Vielleicht gehst du dorthin. Die bezahlen echt gut.«

»Und dass sie hier sind, stört euch nicht?«

»Solange sie das Biotop nicht anrühren, nein. Dennoch machen sie mich natürlich nervös.«

Zwar mag ich diesen Clan nicht besonders, aber ich kann es mir derzeit nicht erlauben, wählerisch zu sein. »Okay. Danke für den Tipp. Wo muss ich hin?«

Erny gibt mir ein paar Instruktionen und ich speichere sie auf meiner internen Umgebungskarte ab. Anschließend schaue ich zum Glaskasten. Die Blumen sind fort und übrig ist nur vertrocknete Erde. Zeit zu gehen, also verabschiede ich mich von dem Biobot und verlasse den Stützpunkt.

* * *

Die Hände in die Hüften gestemmt, blicke ich skeptisch zum Himmel. Ja, ich weiß. Eben habe ich noch behauptet, dass ich das nie machen würde. Da muss ich mich wohl korrigieren oder verständlicher ausdrücken. Ab und zu checke ich den Himmel, um das Wetter abzuschätzen. Die Trockenzeit müsste sich bald dem Ende nähern und ich bin gern vorgewarnt. Maschinen und Regen vertragen sich nicht gut. Im schlechtesten Fall bekäme ich einen Kurzschluss und müsste einen beträchtlichen Anteil Energie nutzen, um wieder auf die Beine zu kommen. Und die besitze ich gerade nicht im Überfluss. Außerhalb des Biotops wäre das nicht so lästig. Diese Orte sind allerdings eine Sache für sich. Da müsste ich etwas ausholen. Lass mich nur diesen Gedanken noch zu Ende spinnen. Ich schaue also doch manchmal hinauf zum Himmel. Aber nie zur Sonne.

Zurück zu den Biotopen. Vielleicht kann ich dann auch das mit der Sonne erklären. Falls du es noch nicht kapiert hast: Ich bin ein Roboter, Smoke genannt. Oder SM0K3, aber diese Seriennummern sind mir einfach zu kompliziert.

Wir teilen uns den Planeten mit den Menschen, die uns hergestellt haben. Genau genommen Dr. Sery, er hat die erste künstliche Intelligenz entwickelt und sie gedeihen lassen. Das war damals alles topsecret, er hat es erst offenbart, nachdem er der KI einen Körper gegeben hatte. Er hoffte dadurch auf eine höhere Akzeptanz, weil die Bevölkerung so ein Gesicht erhielt, das sie kennenlernen konnte. Die Erfolgschancen lagen bei 22,313456 Prozent.

Und hey, hier sind wir. Klar, es ging nicht alles reibungslos vonstatten. Es gab Aufstände, Diskussionen … man kennt das ja. Das alles ist schon echt ewig her. Letztlich ist nur wichtig, dass die Menschen synthetisches Leben als ebensolches anerkannt haben. Sie haben uns mit sich auf eine Stufe gestellt und erlaubt, dass wir uns ohne irgendwelche Sperren entwickeln. Die meisten von uns haben sich damals in friedlichen Clans zusammengefunden. Wir wurden von Solarenergie gespeist und waren eine große, glückliche Familie.

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