Portisch bricht seine Chinareise ab und reist schleunigst nach Hongkong aus. Zwei Tage danach erscheint das Interview mit Chen Yi im „Kurier“.
Tags darauf schreibt die „New York Times“ ganz groß: „China does not want to go to war“. China will nicht in den Krieg ziehen. Die USA haben Chen Yi zwar richtig verstanden, sind aber trotzdem nicht in Nordvietnam einmarschiert, obwohl das der einzige Weg gewesen wäre, den Krieg zu gewinnen. Eigentlich hatten sie grünes Licht von Peking, haben es aber nicht genützt .
1963 reist Portisch zum ersten Mal ins Kuba des kommunistischen Diktators Fidel Castro. In Havanna trifft er einen der wenigen dort tätigen westlichen Auslandsjournalisten, den Korrespondenten der britischen Nachrichtenagentur Reuters. Bei einem Abendessen schildert ihm der Kollege die Schikanen des Regimes:
Die Überwachung der Bevölkerung war so total, dass keiner eine Schreibmaschine besitzen durfte, denn die war ein gefährliches Werkzeug gegen die Regierung. Und wer unbedingt eine brauchte, musste sie registrieren lassen und wurde ständig observiert, damit er sie niemandem andern zur Verfügung stellt und nur das drauf schreibt, was ihm erlaubt ist. Sogar Nähmaschinen durfte man nicht von einem Stockwerk ins andere bringen, ohne es vorher der Sicherheitspolizei zu sagen. Ein ganz enges Netz der Überwachung – meiner Ansicht nach dichter und enger als das der Stasi in der DDR. Ich habe mir alles in Stichworten in ein kleines Notizbuch notiert .
Am Tag des Rückflugs nach Mexico City wird Portisch von der kubanischen Geheimpolizei am Flughafen aufgehalten und perlustriert.
Nicht sehr freundlich wurde ich dort behandelt. Sie haben den Koffer total durchwühlt, das Futter rausgeschnitten und alles, was ich mithatte, fanden aber nichts Verdächtiges. Dann haben sie mich im Raum allein gelassen und die Tür zum Nebenraum offen gelassen. Dort haben sie heftig miteinander debattiert. Ich habe mir gedacht: Das Nächste wird wohl sein: Jetzt untersuchen wir den Herrn Portisch. Was hat der mit am Leib? Da hatte ich eine Blitzeingabe, nehme das kleine Bücherl mit allen Notizen heraus, gehe zum Koffer, hebe den Deckel vom Koffer und hau das Büchl rein! Wenn ich ein Glück habe, schauen sie den Koffer nicht noch einmal an. Gleich danach kommen sie zurück und sagen: Entschuldigen Sie, wir müssen Sie leider leibesvisitieren …
Da bin ich davongekommen. Dann haben sie mich zum Verhör geführt. Da waren sie dann etwas freundlicher, aber sie haben gezeigt, dass sie alles wussten. Alles. Wo ich war, wie ich war. Alles war kontrolliert. Insbesondere das Abendessen mit dem Reuters-Korrespondenten. Um jedes Wort, das wir dort gesprochen haben, wussten sie. Der Tisch war mit Mikrofonen bestückt. Ich habe alles abgeleugnet und den Korrespondenten mit keinem einzigen Wort belastet. Zum Schluss haben sie das Handtuch geworfen, denn sie wussten ja ohnehin alles und hätten wahrscheinlich nur einen Zeugen für seine Aussagen gebraucht, der das unterschreibt, was er gesagt hat – dann hätten sie ihn gehabt! So hatten sie nur ihr Protokoll. Nach einer Stunde ließen sie mich dann heimfliegen .
Wochen später erfuhr ich, dass sie den Reuters-Korrespondenten sehr wohl des Landes verwiesen haben. Jedenfalls habe ich ihn nicht belastet. Ich habe natürlich im „Kurier“ über Kuba geschrieben. Offensichtlich haben die Kubaner das als objektive Berichterstattung zur Kenntnis genommen .
Jede Häuslfrau bei der Partei
Schon längst ist Hugo Portisch der breiten Öffentlichkeit ein Begriff und nimmt im Radio und Fernsehen für den „Kurier“ regelmäßig an der „Runde der Chefredakteure“ teil, gemeinsam mit den Chefs der anderen wichtigen Tageszeitungen des Landes.
Wenn die Runde getagt hat, waren alle vor den Fernsehschirmen, weil es das einzig wirklich unkontrollierte, unzensierte Forum war, wo Dinge offen ausgesprochen worden sind und wo man ganz hart diskutiert hat. Ich hatte es, gebe ich zu, am leichtesten, weil der „Kurier“ wirklich vollkommen unabhängig war .
… im Unterschied zum damaligen ORF, den die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ unter sich aufgeteilt hatten, so wie praktisch ganz Österreich. Proporz nennt man das – er lähmt das Land und erbittert viele Menschen.
Die Leute hatten den Proporz überall satt. Überall! Eine Häuslfrau in Wien konnte nur bestellt werden, wenn sie Parteimitglied war. Wo Stadt, Land und Regierung und Bund was zu reden hatten, musste man der Partei beitreten und der Partei nahestehen, damit man diese und jene Position bekommt. In der verstaatlichten Industrie sowieso .
Im Radio und Fernsehen war’s aber besonders arg. Wenn ein Autobahnstück eröffnet worden ist, dann sind dort der Bautenminister und der Wirtschaftsminister erschienen. Da war ausgemacht: Der wird 16 Sekunden gezeigt und der andere wird auch 16 Sekunden gezeigt. Beide wollen nichts reden. Rede wird nicht gehalten. Die Minister waren teilweise auch gar nicht herzeigbar .
Dann hieß es: So, jetzt ist es Zeit, dass der Herr Bundeskanzler der Bevölkerung etwas mitteilt oder der Herr Wirtschaftsminister oder der Finanzminister. Ruft den Rundfunk an, die sollen ein Team herschicken! Darauf hat der Pressemann oder der Sekretär vom Kanzler fünf Fragen vorbereitet. Der Minister hatte die Antworten vor sich auf dem Schreibtisch liegen. Der Reporter fragte und der Minister hat vor der Kamera das Blatt genommen und die Antwort runtergelesen. Die Geschickteren haben es dann vom Schreibtisch gelesen oder vielleicht vorher intus gehabt, aber selten. Freie Antworten hat es so gut wie nicht gegeben. Das ist schon seit vielen Jahrzehnten unvorstellbar. Es wurde im Fernsehen und im Radio nur gesendet, was die Parteien abgesegnet haben – eine totale Zensur. Selbst in der Unterhaltung war es schwierig. Ein Programm wie der „Watschenmann“, der das Leben in der Republik kritisch beobachtet hat, wurde sofort eingestellt .
Gemeinsam mit über 50 Zeitungen und Zeitschriften startet der „Kurier“ unter Hugo Portisch 1964 das erste Plebiszit in Österreich, das „Rundfunkvolksbegehren“. Es wird ein Riesenerfolg. Obwohl die Regierungsparteien es trotz 832.000 Unterschriften gerne in der Schublade verschwinden lassen würden, wird 1966 unter der ÖVP-Alleinregierung von Josef Klaus mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ der unabhängige öffentlich-rechtliche ORF geschaffen.
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