Weil eine Welt mit Geschichten
eine bessere Welt ist.
Gregor Demblin
Wie ich lernte,
Plan B zu lieben
Life is a story
1. Auflage 2020
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Gesetzt aus Minion Pro und Lato.
© Coverfoto: Andreas Hofer, www.andreas-hofer-fotograf.at
© Fotos: unsplash.com
Printed in the European Union.
ISBN: 978-3-903715-02-8
eISBN: 978-3-903715-03-5
Wem sonst als euch.
Für meine Frau und meine Kinder.
Mit euch hat alles erst so richtig begonnen.
Einleitung
Two seconds to eternity
Blackout
AKH
Abhaken
Schwere Geburt
The sky is the limit
Mut
Ein Stück Paradies
Sie
Neubeginn
A day in the life
Ausgebrannt
Gut geht’s
Fundamentale Zuneigung
myAbility
Epilog
Risikopatient. Eingeschränkte Lungenfunktion. Multiorganversagen. Die Botschaft meines Arztes war eindeutig: bloß kein Risiko eingehen, sich das Virus zu holen. Das war zwar nicht überraschend, aber tief drinnen hatte ich doch auf leichte Lockerung meiner weitgehenden Isolation gehofft. Egal. Mein Leben war noch nie einfach.
Draußen ist herrliches Badewetter. Aber vielen Menschen geht es nicht gut. Sie haben Angst um ihren Job, um ihre Existenz. Immer öfter werde ich in letzter Zeit gefragt, wie ich es geschafft habe, mir in meiner Situation ein neues Leben aufzubauen. Wenn man sieben Mal umfällt, muss man acht Mal aufstehen, sagt ein Sprichwort. Das Besondere ist diesmal, dass diese Krise alle betrifft. Aber wir werden das schaffen. Das weiß ich.
Ich weiß das, weil ich immer wieder gezwungen war, von vorne zu beginnen. Am Anfang glaubt man, das ist unmöglich. Aber irgendwann läuft es. Der Mensch ist unglaublich anpassungsfähig und kreativ.
Solange es einem gut geht, glaubt man gar nicht, was man alles verlieren kann. Ich habe innerhalb von einem Augenblick alles verloren. Das ist jetzt 25 Jahre her. Niemals in meinem Leben habe ich mich so frei gefühlt wie damals. Ich war endlich fertig mit der Schule, ich konnte zum ersten Mal in meinem Leben machen, was ich wollte. Ich war überglücklich. Jetzt würde ich die Welt erobern. Beginnen wollte ich damit in den USA. Ein One-Way-Ticket hatte ich bereits gebucht.
Doch davor war die Maturareise. Mit acht VW-Bussen waren wir Richtung Griechenland unterwegs. Unsere Zelte stellten wir an den schönsten Stränden auf. An Tag fünf war der Besuch eines abgeschiedenen Bergklosters geplant. Die Sonne brannte vom Himmel und stundenlang stiegen wir über schmale Pfade und Hängebrücken den Berg hinauf.
Endlich am Ziel, klopften wir an die Pforte. Der orthodoxe Abt empfing uns freundlich. Aus Höflichkeit aß ich ein Stück Zuckergebäck, das uns angeboten wurde. Noch heute wird mir übel, wenn ich an den picksüßen Rosengeschmack denke.
Die Sonne stand schon tief, als wir an den Strand zurückkamen. Völlig überhitzt, hatte ich nur einen Wunsch: so schnell wie möglich ins Meer! Und dann sollte sich mein Leben, innerhalb von einer Sekunde, für immer verändern.
Ich würde alles tun, um diesen Moment rückgängig zu machen. Oft habe ich mich gefragt, wie mein Leben wohl sonst verlaufen wäre. Aber das spielt es nicht. Man muss das Leben nehmen, wie es kommt. Und notfalls bei den Hörnern packen. Ich weiß nicht, ob mir das gelungen ist. Aber ich weiß, dass man aus Krisen sehr wohl gestärkt herausgehen kann. Wenn Plan A nicht mehr funktioniert, dann muss eben Plan B her. Und je früher man damit anfängt, desto besser.
Auch wenn ich mir das damals nicht vorstellen konnte: Ich würde mit niemandem tauschen. Das Leben steckt voller Möglichkeiten und Überraschungen, und ich bin dankbar für jeden einzelnen Tag.
Listen to: Highway to Hell. AC/DC
Es ist gleißend hell und wahnsinnig heiß. Ich springe als Erster aus dem Auto, renne zum Zelt und habe schon die Badehose an. Mit großen Sätzen laufe ich über den Sandstrand. Ich erreiche das Wasser, laufe weiter, und als es etwa hüfttief wird, hole ich tief Luft und hechte in die nächste große Welle, die mir schäumend entgegenrollt.
Ich liebe das Meer, habe es immer schon geliebt. Ich tauche mit einem Kopfsprung ein, und schon bin ich in dem herrlich kühlen Nass, rundherum nichts als Ruhe und die Lichtreflexionen am Sandboden.
Aber irgendetwas ist heute anders. Ich bin mit dem Kopf leicht am Grund angekommen, habe eigentlich nichts gespürt, aber plötzlich kann ich mich nicht mehr bewegen. Ich versuche wieder aufzutauchen, den Kopf über die Wasseroberfläche zu bekommen, aber es gelingt mir nicht.
Ich kann weder Arme noch Beine bewegen und werde von den Wellen hilflos herumgewirbelt. Mich erfasst eine unsagbare Panik und ich verstehe überhaupt nicht, was los ist. Die Luft wird immer knapper, Ersticken ist schrecklich. Immer verzweifelter versuche ich, irgendwie die Oberfläche zu erreichen. Doch jede neue Welle wirbelt mich hilflos herum.
Merkt denn niemand etwas? Kommt mir niemand zu Hilfe? Nicht hier, nicht jetzt, ich bin doch zu jung zum Sterben! Meine Panik wird zu einem unfassbaren Grauen, und mir wird mit Schrecken bewusst, dass das wohl meine letzten Sekunden sind.
Und genau in dem Moment, als mir das bewusst wird, erlebe ich plötzlich eine unglaubliche Leichtigkeit. Es ist seltsam, die unsagbare Panik vor dem Tod ist wie weggewischt. Mir wird klar, dass das Leben auf der Erde ohne mich genauso weitergehen wird, und alle Last fällt von mir ab. Alles wird gut, ganz egal, was mit mir passiert. Der Gedanke ist nicht beunruhigend, sondern sehr angenehm, wie eine Erlösung, ein Eintreten ins Nirwana.
Ich beobachte mich selbst, und starke Gefühle gehen mir durch den Kopf. Sollte ich das hier überleben, werde ich die Welt für immer mit anderen Augen betrachten. Warum tun wir uns und unserer Umwelt so viel Gewalt an? Wenn ich überlebe, werde ich nie wieder Fleisch essen, werde ich jede Form von Gewalt ablehnen.
Plötzlich nehme ich wieder die wunderbaren Lichtreflexionen wahr. In allen Farbtönen, hellblau, türkis, grün bricht sich die Sonne am strahlend gelben Sandboden. Die Schönheit der Natur ist einfach unbeschreiblich. Die Zeit steht still. Ich empfinde unendliches Glück. Alles ist gut. Die Erde ist so wunderwunderschön.
Ich sehe das helle Licht. Ich bin vollkommen ruhig. Dann zieht sich mein Brustkorb reflexartig zusammen und ich atme schmerzhaft Salzwasser ein. Alles wird schwarz und ich bin weg.
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