Die Schattenseiten des in den letzten Jahren stark zugenommenen Tourismus auf dem als »Trauminsel« beworbenen Koh Samui machten sich in unterschiedlichster Form vor allem für die ursprünglichen Einwohner bemerkbar. So beklagten sich viele, ihr Land an Unternehmer vom Festland verloren zu haben und darüber, dass vielerorts die Kokospalmen-Haine, die früher zahlreiche Strände säumten, mehr und mehr verschwunden waren.
Doch am meisten machten ihnen die stark gestiegene Preise für Lebensmittel sowie für Trinkwasser zu schaffen. Denn unter dem rasanten Bevölkerungszuwachs hatten ganz besonders sowohl die Qualität als auch die Quantität des kostbaren Nass’ gelitten. Das hatte zur Folge, dass die Insulaner heute oft auf Wasser aus Flaschen zugreifen mussten, was ein immer größeres Loch in ihren meist kargen Geldbeutel riss. Auch im Sun Flower Ressort war das ein erheblicher Kostenfaktor und Michael Kober war schon länger damit beschäftigt, eine andere, auf Dauer günstigere Lösung zur Trinkwasserversorgung zu suchen. Vor zwei Monaten war er dann auf die Anzeige einer deutschen Firma gestoßen, die in Bangkok ein Büro unterhielt und Trinkwasseraufbereitungssysteme für Hotelanlagen anbot. Sein Interesse war sofort geweckt und nach ein paar Telefonaten mit der Niederlassung in der Hauptstadt war ein Mitarbeiter zu einem Beratungsgespräch zu ihm auf die Insel gekommen.
Der entsandte Berater der OsmoTec GmbH sprach fließend Deutsch und war bestens vorbereitet, als er sein Konzept dem Hotelmanager vorstellte. Er hatte sogar eine Liste bereits abgeschlossener Projekte mit im Gepäck, die ähnliche Probleme mit der lokalen Trinkwasserqualität hatten und bereit waren sich mit dem noch unschlüssigen Manager auszutauschen. Das hatte er dann auch getan und die Rückmeldungen, die er bekam, waren durchweg positiv, was ihn in seiner Entscheidung eine hauseigene Trinkwasseraufbereitung aufzubauen, beflügelte.
Als nächster Schritt mussten gemeinsam mit dem hoteleigenen Hausingenieur die technischen Daten aufgenommen werden um die Bemessung einer geeigneten Anlage vorzunehmen und ein Angebot erstellen zu können. Laut Berechnungen der Firma OsmoTec sollte sich bei dem angegebenen Trinkwasserbedarf des Sun Flower Ressort, die Anlage schon nach knapp zwei Jahren amortisieren, eine Rückfrage bei den gelisteten Referenzen bestätigte Michael Kober diese Daten. Das überzeugte ihn schließlich, und mit diesen fundierten Informationen beantragte er die notwendigen Mittel bei der Hotelzentrale. Schon nach ein paar Tagen erhielt er grünes Licht für die geplanten Umbaumaßnahmen.
Das alles war schon vor einigen Wochen erfolgt, und jetzt war es endlich soweit und das Sun Flower Ressort würde in der nächsten Woche auf eine autarke Trinkwassergewinnung mittels mehrerer Umkehrosmose-Module der Firma OsmoTec umgestellt werden. Er hoffte, dass die ganzen Installationen in der vereinbarten Zeit über die Bühne gehen würden, denn ab Anfang Dezember begann die Hauptsaison und dann war keine Zeit mehr für die Koordination irgendwelcher Bauarbeiten.
Genüsslich widmete er sich seinem Papayasalat mit Limettendressing, den er mittlerweile sogar in der »normalen« thailändischen Schärfe essen konnte. Seine europäischen Geschmacksknospen hatten sich angepasst, so wie er sich auch an die Lebensweise der Thais gewöhnt hatte. Er mochte ihre Ruhe und Gelassenheit, eine vollkommen andere Art zu leben, als die im hektischen Deutschland, und das machte sich positiv in seinem ganzen Leben bemerkbar.
Dass es in wenigen Wochen mit der thailändischen Gelassenheit vorbei sein sollte und er an die Grenzen seiner Belastbarkeit kommen würde, konnte er an diesem entspannten Novembertag noch nicht erahnen.
Katharina Waldmann
Parikia, Paros
Katharina drehte sich im Halbschlaf noch einmal auf die Seite, ihre Hand tastete nach Dawid um die letzten Minuten gemeinsam das warme Bett zu genießen. Doch sie griff ins Leere, denn er war schon vor einer Stunde aufgestanden und frühzeitig zu seiner Werkstatt aufgebrochen. Eine wichtige Arbeit musste nach Naxos geliefert werden, und somit entfiel das gemeinsame Frühstück, an das sie sich so gewöhnt hatten und – bis auf wenige Ausnahmen – auch täglich zelebrierten. Der Wecker hatte jetzt schon das zweite Mal geklingelt und es wurde Zeit aufzustehen, das gab ihr auch Karl, ihr verwöhnter Kater eindeutig zu verstehen. Sie schaltete den Alarm aus und schwang sich aus ihrem großen Bett, das Dawid kurz nach seinem Einzug gebaut hatte.
Den heutigen Tag würde sie auch wieder nutzen um ihre während der Sommerzeit liegen gebliebene Ablage zu sichten und aufzuräumen. Es war Freitag, und sie freute sich auf ihre langjährige Kollegin und Freundin Angelikí, mit der sie so lange in der Athener Mordkommission zusammengearbeitet hatte. Ihr Besuch war schon mehrfach angekündigt, aber immer wieder verschoben worden. Diesmal schien es tatsächlich zu klappen, und sie hoffte eine Menge Neuigkeiten aus ihrer alten Dienststelle zu erfahren. Außerdem schien Angelikí ihr etwas wichtiges Privates mitteilen zu wollen, so geheimnisvoll wie sie am Telefon geklungen hatte. Katharina war schon ganz neugierig. Hektisch schaute sie auf die Uhr – für ein ausgiebiges Frühstück blieb keine Zeit mehr, wenn der Morgen ruhig verlief, könnte sie das aber vielleicht später gemeinsam mit ihrem Team nachholen. Ein gesponsertes Arbeitsfrühstück mit der ganzen Mannschaft, den drei Beamten Takis, Konstantinos und Spyros, die sie von ihrem Vorgänger und Freund Adonis Georgidis übernommen hatte, sowie ihrem Stellvertreter Filippos aus Athen und ihrer Sekretärin Xenia, war stets eine gern gesehene Geste. Eine kleine Entschädigung für die früher stattgefundene Beköstigung durch Adonis’ Frau Nektaria, einer begnadeten Köchin, die es sich nicht nehmen ließ, ihren Mann und dessen Mitarbeiter regelmäßig in der Dienststelle zu bekochen. Katharina wusste von den Kochkünsten Nektarias, war sie doch während ihrer Urlaube auf Paros häufig bei den Georgidis eingeladen gewesen. Nektaria hätte an der langgepflegten Tradition auch gerne festgehalten, doch für die Kommissarin kam das nicht in Frage, sie waren ja schließlich kein Restaurantbetrieb, sondern eine Polizeidienststelle. Eine ihrer ersten Maßnahmen, um etwas frischen Wind in die behäbige Truppe zu bekommen. Die drei alteingesessenen Polizisten hatten es mürrisch zur Kenntnis genommen.
Schnell machte sie sich auf den Weg von Ambelas nach Parikia, eine Strecke, die, wenn es gut lief, in zwanzig Minuten zu schaffen war. Ihr Autoradio dudelte leise vor sich hin, und während sie die Abzweigung in Richtung Parikia nahm, hörte sie in den Morgennachrichten von erneuten Protestkundgebungen in Athen und Thessaloniki. Der Grund dafür war die geplante Privatisierung der öffentlichen Trinkwasserversorgung, und das erregte seit einigen Wochen die Gemüter. Die Bevölkerung befürchtete weitere Kostensteigerungen und wehrte sich mit allen Mitteln, aber unter dem Druck der Troika waren bereits beide großen Versorger in Aktiengesellschaften umgewandelt worden um eine Übernahme durch einen privaten Investor vorzubereiten. An vorderster Front mit dabei war auch die AquaTop AG, und das verantwortliche Management wartete schon ungeduldig auf die Unterzeichnung der entsprechenden Verträge. Katharina missfiel der Gedanke zutiefst, sie hatte Freunde in Großbritannien, die sich oft über die ständig steigenden Trinkwassergebühren beschwerten, seitdem die Thatcher-Regierung in einer großen Welle viele behördlichen Einrichtungen, so auch die öffentliche Trinkwasserversorgung, privatisiert hatte. Doch nicht nur die großen Städte in Griechenland standen auf der Einkaufsliste der AquaTop AG, auch viele Kykladen Inseln waren seit längerem im Visier des Großkonzerns. Besonders auf Mykonos war man aufmerksam geworden, nachdem die Negativschlagzeilen zu Trinkwasserengpässen in den Sommermonaten immer häufiger in der Presse erschienen. Große Tankschiffe mussten mittlerweile jedes Jahr für teures Geld gechartert werden, um den immer weiter sinkenden Grundwasserspiegel auszugleichen und eine einigermaßen ausreichende Trinkwasserversorgung auf der Touristeninsel sicherzustellen. Auch auf Paros hatte der Grundwasserspiegel mittlerweile eine kritische Grenze erreicht, und es bedurfte dringend neuer Konzepte um auch in Zukunft die Insel mit genügend Trinkwasser zu versorgen.
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