Selbst wenn hier von einer Regelungslücke ausgegangen werden kann, die insbesondere mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, vgl. § 1353 BGB offensichtlich geworden ist, stellt sich die Frage, ob sie planwidrig ist und es spricht rein dogmatisch gegen eine Erweiterung des § 1592 auf gleichgeschlechtliche Elternschaft, dass die Regelung des § 1592 keine zwingende Folge einer Ehe betrifft, sondern als Teil des Abstammungsrechts anzusehen ist. Während die unterschiedliche Behandlung in Bezug auf eherechtliche Folgen durch die Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare beendet werden sollte, ist es derzeit noch erklärtes Ziel des Abstammungsrechts, eine möglichst weit gehende Übereinstimmung von statusrechtlicher und leiblicher Abstammung anzustreben[36].
Anders als bei verschieden geschlechtlichen Ehepaaren, bei denen immerhin die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des mit der Mutter verheirateten Ehemannes besteht, kann dieses Ziel bei gleichgeschlechtlichen Paaren aber gerade nicht erreicht werden. So lange das Abstammungsrecht grundsätzlich noch die genetische Abstammung als Anknüpfungspunkt für die rechtliche Zuordnung der Eltern zu ihrem Kind ansieht, besteht mithin keine Vergleichbarkeit zwischen dem geregelten und dem ungeregelten Sachverhalt, wie es die analoge Anwendung einer Norm jedoch voraussetzen würde.
Folglich kann über § 1592 Nr. 1 keine Qualifizierung der F als Mutter erreicht werden.
Hinweis zur Falllösung:
Selbst wenn die ggf. besser nachvollziehbaren Argumente für die Anwendung des § 1592 auf gleichgeschlechtliche Paare sprechen[37] und in der Rechtsprechung und Literatur z.T. die derzeitige Fassung des § 1592 für verfassungswidrig gehalten wird[38], kann es sinnvoll sein, in der Klausurlösung der Ansicht des BGH zu folgen (der sich gegen eine direkte oder analoge Anwendung des § 1592 ausspricht), um vorliegend auch noch den Themenkomplex der Stiefkindadoption abhandeln zu können.
3. Mutterschaft über die Regelungen der Stiefkindadoption i.S.d. §§ 1754 I 2. Alt., 1752
151
Fraglich ist, ob F über §§ 1754 I 2. Alt., 1752 Mutter des zu gebärenden Kindes werden könnte. Durch die Annahme als Kind erhält der/die Anzunehmende in Bezug auf den/die Annehmenden die rechtliche Stellung eines leiblichen Kindes.
Während nach § 1755 I grundsätzlich mit der Annahme des Kindes das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu den bisherigen Verwandten erlischt, verhält sich dies bei der Stiefkindadoption insofern anders, als hier das Verwandtschaftsverhältnis zum/zur verheirateten Ehepartner:in, mithin dem leiblichen Elternteil, bestehen bleibt, vgl. § 1755 II BGB.
Grundsätzlich wäre es somit möglich, dass F über § 1754 I 2. Alt. Mutter eines von H zu gebärenden Kindes würde und beide auch rechtlich gemeinsam Eltern sein könnten, sofern die Voraussetzungen einer Adoption gegeben sind.
a) Voraussetzung einer Adoption
152
Bei einer Adoption muss ein notarieller Antrag auf Kindesannahme, vgl. § 1752 II gestellt werden, sodann kommt es zur Prüfung, ob die Kindesannahme zulässig ist, woraufhin bei Feststellung der Zulässigkeit ein entsprechender Beschluss des Familiengerichts ergeht, § 1752 I.
In Bezug auf die Zulässigkeit ist zu eruieren, ob voraussichtlich ein Eltern-Kind-Verhältnis entstehen wird, § 1741 I; ob die Annehmende das entsprechende Mindestalter aufweist, § 1743; ob die grundsätzlich vorgesehene Probezeit eingehalten wurde, § 1744; ob Interessen der Kinder des Annehmenden oder des Anzunehmenden entgegen stehen, § 1745 und die entsprechenden Einwilligungserklärungen des Kindes, der leiblichen Eltern und ggf. des Ehegatten i.S.d. §§ 1746 ff. in notarieller Form, vgl. § 1750 vorliegen bzw. ob die Einwilligung eines Elternteils ersetzt wurde, § 1748.
153
Es ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen hier erfüllt werden können.
Der gemeinsame Freund S der H und F ist zwar i.S.d. § 1592 Nr. 1-3 in rechtlicher Hinsicht nicht als Vater zu qualifizieren, sollte aber rein vorsorglich i.S.d. § 1747 I in das Kindesannahme-Verfahren einwilligen.
Exkurs/Vertiefung:
Der BGH hat mit Beschluss vom 18. Februar 2015 entschieden, dass der (private) Samenspender zur Wahrung des Einwilligungserfordernisses nach § 1747 I von der Geburt des Kindes und dem Adoptionsverfahren in Kenntnis zu setzen ist, damit er am Verfahren beteiligt werden kann[39]. Etwas anderes gelte nur dann, wenn zuverlässig feststellbar ist, dass er die rechtliche Vaterstellung von vornherein nicht annehmen wolle, wie es bei einer ärztlich assistierten Fortpflanzung unter Verwendung einer offiziellen Samenspende i.d.R. der Fall sei. Eine weitere Ausnahme vom Einwilligungserfordernis besteht, wenn der Aufenthalt des Samenspenders dauerhaft unbekannt ist, vgl. § 1747 IV.
154
Die Einwilligung wird S sicherlich erteilen, da er nur zur Samenspende bereit ist, wenn ihn keine Vaterpflichten treffen, wovon wegen §§ 1600d, 1614 I rechtssicher letztlich erst ausgegangen werden kann, wenn der Kindesannahmebeschluss ergangen ist, da eine Vaterschaftsfeststellung aufgrund der privat durchgeführten Becherspende noch möglich und ein für das Kind durch H erklärter auf die Zukunft gerichteter Unterhaltsverzicht unwirksam wäre.
Während nämlich § 1600d IV den Samenspender bei ärztlich assistierter künstlicher Befruchtung in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung entsprechend freistellt, gilt dies in Bezug auf die Vaterschaftsfeststellung eines privaten Samenspenders, der mit der Bechermethode spendet, nicht[40].
Exkurs/Vertiefung:
Eine anonyme Samenspende steht in Deutschland im Widerspruch zu dem aus Art. 1 i.V.m. Art. 2 GG hergeleiteten Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung. Seit dem 1.7.2018 ist das Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen[41] in Kraft, wodurch das Samenspenderegistergesetz (SaRegG) eingeführt und § 1600d um einen Absatz 4 ergänzt wurde. Gemäß § 1 I SaRegG wird ein Samenspenderregister geführt, um Kindern ihr Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu ermöglichen.
Der Auskunftsanspruch von Personen, die vermuten, durch heterologe Verwendung von Samen bei einer ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtung gezeugt worden zu sein, ist in § 10 SaRegG geregelt und kann nach Vollendung des 16. Lebensjahres geltend gemacht werden.
155
Die Mutterschaft der F und damit die gemeinsame Elternschaft von H und F ließe sich folglich über eine Stiefkindadoption erreichen.
C. Abwandlung II: Unterhaltsanspruch der F gegen H aus §§ 1569 ff.
156
F könnte in dem in der Abwandlung II zu beurteilenden Fall von H Unterhalt verlangen, wenn die Voraussetzungen der §§ 1569 ff. erfüllt wären.
157
Zunächst müsste zwischen H und F eine Unterhaltsbeziehung bestehen. Diese ergibt sich hier aus der ehemals wirksamen und nunmehr geschiedenen Ehe zwischen ihnen.
II. Bedürftigkeit der Unterhaltsberechtigten
158
Des Weiteren müsste F bedürftig sein. Von einer Bedürftigkeit ist auszugehen, wenn ein Bedarf i.S.d. §§ 1570 ff. vorliegt, der gemäß § 1578 nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessen ist und keine eigene Deckungsfähigkeit der F besteht, vgl. § 1577.
159
Exkurs/Vertiefung:
Für den Bedürftigen besteht beim nachehelichen Unterhalt nach § 1574 I nur die Obliegenheit einer angemessenen Tätigkeit. Er ist nicht verpflichtet, statt weiterhin im erlernten Beruf zu arbeiten, in eine etwaig höher dotierte Hilfsarbeitertätigkeit zu wechseln[42].
Читать дальше