»Ja. Mit Mr. Baum zum Beispiel.«
»Ah, mit jenem Gentleman, den man den Pfeifer nennt?«
»Ja, mit eben diesem.«
»Und Ihr, schöne Frau, unterwerft Euch den Anweisungen dieses Mannes?« Marina lächelte überlegen.
»Unterwerfen ist ein schlechter Ausdruck, Sir Warren. Ich möchte lieber sagen, daß wir die Dinge koordinieren. Das wäre treffender ausgedrückt.«
»Well, dann seid Ihr also ein vollgültiger Partner, mit dem man reden kann?«
»Ich würde Euch empfehlen, Mr. Baum und Senor Porquez hinzuzuziehen.«
Der Tanz war zu Ende. Hastings geleitete seine Dame an einen Tisch. Durch einen livrierten Diener ließ er Michel und Porquez zu sich bitten.Dann saßen sie zusammen.
»Ich habe euch einen Vorschlag zu machen.«
Michel und Porquez nickten.
»Zunächst die wichtigste Frage«, sagte Hastings. »Seid ihr bereit, mit euren Schiffen in die Dienste der Ostindien-Kompanie zu treten?«
»Das hängt davon ab, was die Kompanie zahlt«, sagte Michel.
»Wir zahlen dasselbe wie jedes Handelsunternehmen für Frachtbeförderung, rückerstatten euch jedoch alle zusätzlichen Ausgaben wie etwa Pulver, Kugeln und die Abnutzung sonstiger Waffen, soweit euch Piraten oder andere Gegner belästigen.«
»Das heißt, daß Ihr uns eine Route zugedacht habt, die unter Umständen gefährlich werden könnte?«
»Um ehrlich zu sein, ja. Aber ich kann mir vorstellen, daß gegen eine Flottille von vier Schiffen, wie ihr sie darstellt, kein Feind bestehen kann. Wir würden gern eine regelrechte Schiffahrtslinie zwischen Kalkutta, Siam und dem Malaiischen Archipel eröffnen, um auch dort unten mit den Eingeborenen und den Holländern zwischenkolonialen Handel zu treiben. Euch würde ich diese Route anvertrauen.«
Michel tauschte schnelle Blicke mit Marina und Porquez. In ihren Augen las er Zustimmung. Hier war die beste Lösung für ein ungefährdetes Fortbestehen der »Trueno« gegeben. Hier konnte das Schiff seinen früheren schlechten Ruf ins Gegenteil verkehren. »All right, Sir Warren, wir sind einverstanden. Wann können wir über die Einzelheiten der Verträge sprechen?«
»Ich werde Sir Edward William Bescheid sagen, daß er sich bereits morgen früh mit euch in Verbindung setzt.« —
Am Tisch von Hastings hatte sich jetzt Lord Hawbury niedergelassen.
»Sagt, General«, fragte Hastings, »was ist dieser Mr. Baum für ein eigenartiger Mensch? Doch wohl kein Pirat? Den Eindruck macht er gar nicht.«
»Mein Sohn hat mir viel über ihn erzählt. Er muß ein heldenhafter Mensch sein und hat die unglaublichsten Abenteuer bestanden. Meine Tochter zum Beispiel hat er aus den Klauen dieses dicken Daj von Algier befreit — unter Einsatz seines Lebens. Er soll ein Deutscher sein, dem die Heimat zu eng geworden ist. Ich kenne ihn leider zu wenig, um Euch umfassende Aufklärung zu geben. Aber was ich in den letzten Wochen gesehen habe — alle Achtung, ein Mensch, wie ihn der englische König wohl brauchen könnte. Schade, daß er kein Engländer ist.« Hastings sah sinnend vor sich hin. Dann sagte er:
»Ich schätze Menschen mit Fähigkeiten, selbst dann, wenn sie nicht in England geboren sind. Man müßte ihn für die Dienste der Kompanie in Indien einsetzen können. Solche Männer brauchen wir bei der Vergrößerung unseres kolonialen Besitzes.«
»Ah, ich habe da noch etwas vergessen zu erwähnen«, ergriff Lord Hawbury wieder das Wort, »der Mann besitzt eine Wunderwaffe, ein Repetiergewehr, mit dem es durch irgendeinen, uns fremden Mechanismus möglich ist, sechsmal hintereinander zu schießen, ohne zwischendurch zu laden.«
Hastings winkte ab.
»Well, ich habe von solchen Versuchen gehört. Unsere Waffentechniker halten derartige Konstruktionen für absurd. Viele Waffenmeister haben sich mit diesem Problem befaßt, aber keiner hat es bisher gemeistert.«
»Nun, nach dent, was ich über die Flinte jenes Mr. Baum gehört habe, scheint die Konstruktion doch gelungen zu sein, denn meine Kinder berichteten mir von verblüffenden Erfolgen, die der Mann damit gehabt hat.«
»Konntet Ihr Euch bereits selbst von der Wirksamkeit dieser Waffe überzeugen?«
»Nein. Auf den Schiffen war dazu keine Möglichkeit. Immerhin würde mich das Ding als alten Offizier Seiner Majestät sehr interessieren; aber ich möchte natürlich nicht aufdringlich sein.« »Nun, so nehmt den Helden doch mit Euch, wenn Ihr nach Bihar geht. Vielleicht habt Ihr seine Unterstützung einmal nötig.«
Hawbury schlug sich mit der flachen Hand auf die Schenkel.
»Das ist eine ausgezeichnete Idee, Hastings. Aber wie überrede ich den Mann dazu? Er wird es sicher vorziehen, bei seinen Kameraden auf der »Trueno« zu bleiben.« »Ihr meint, bei seiner Kameradin.« Lord Hawbury lachte.
»Das wäre ja durchaus verständlich. Aber ich weiß ziemlich gut, daß es nicht so ist. Der Mann soll einer verlorenen Liebe in Deutschland nachtrauern. Nun, ich kann das natürlich nicht beurteilen. Und wenn Ihr ihm ein anständiges Angebot macht für den Fall, daß er in unsere Dienste tritt, so würde ich niemanden lieber mitnehmen als ihn. Er ist nämlich zu allem auch noch ein approbierter Arzt.«
»Gut«, fuhr Hastings fort, »ich werde mit dem jungen Mann reden. Vielleicht hat er mal wieder Sehnsucht nach dem Lande. Die Schiffe werden sicherlich auch ohne ihn zuverlässig operieren.« »Solange die tolle Gräfin diese Flottille führt, habe ich keinen Zweifel.«
Die Herren erhoben sich und schlenderten hinaus, um ihre Unterhaltung im Park fortzusetzen. — An einem der nächsten Tage wurde Michel abermals zum Gouverneur gebeten. Die Verträge für die Schiffe waren schon am Morgen nach dem Bankett zur Zufriedenheit aller abgefaßt und unterzeichnet worden. Michel wunderte sich, was Hastings jetzt noch von ihm wollte. Aber da er Muße hatte, ging er hin.
Sie unterhielten sich zuerst über Gott und die Welt. Im Verlauf des Gesprächs merkte der Pfeifer dann, daß Hastings bemüht war, von ihm selbst einige Schilderungen seiner mannigfaltigen Abenteuer zu hören.
Erst nach einer Stunde, als Michel schon aufbrechen wollte, meinte Hastings:
»Seht Euch einmal dieses Papier an, junger Mann, und lest es sorgfältig durch. Vielleicht gefällt es Euch.«
Michel griff zögernd nach dem dargereichten Blatt. Durchlesen konnte man schließlich viele Dinge. Warum nicht auch das hier? Aber während die Buchstaben an seinen Augen vorüberzogen, wuchs das Erstaunen in ihm. Fragend sah er auf. »Soll das ein Vertrag sein?«
»Ja. Und er erhält volle Gültigkeit, sobald Ihr Euern Namen darunter gesetzt habt. Ich kann ihn natürlich auch in den Papierkorb werfen.«
Michel las das Ganze noch einmal. Dann schloß er die Augen für einen Augenblick und malte sich die Zukunft aus, die ihm dieses Stückchen Papier bot. Irgendwie kam ihm dieser Vertrag wie gerufen. Er hatte schon hin und her überlegt, wie es zwischen ihm und Marina werden sollte, wenn sie nun für unabsehbare Zeit dauernd zusammen waren. Es gab keine Möglichkeit, von hier aus nach Amerika zu gelangen, es sei denn, auf einem englischen Schiff. Aber ein englisches Schiff würde ihn nach Boston bringen. Da war er dann dicht bei den Tories, so dicht, daß es schwer werden würde, zu den Rebellen Washingtons überzuwechseln. Er würde schon noch nach Amerika kommen. Dessen war er sicher. Er war auf das Gesicht Marinas gespannt, wenn sie erfuhr, daß er nun wieder von ihr gehen würde. Leicht fiel es ihm auch nicht mehr. Er mußte sie fliehen, bevor es zu spät war. Hin und wieder tauchte das immer mehr verblassende Bild Charlotte Ecks auf. Es mußte wieder Farbe gewinnen. »Habt Ihr einen Gänsekiel?« fragte Michel. Hastings tauchte die bereit gehaltene Feder in die Tinte.
»Ihr seid ein Mann von schnellem Entschluß, Herr Doktor.« Michel nickte.
»Das war von jeher meine Stärke oder auch« — er zögerte und dachte an Marina — »meine Schwäche. Ich danke Euch für dieses Angebot.«
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