Er war sich durchaus darüber im klaren, daß den aufmerksamen Spähern der Wadschagga der Zug der Sklavenjäger nicht entgangen sein konnte. Und Ugawambi war den Eingeborenen kein Unbekannter. Niemand als er konnte Imi Bej bis hierher gebracht haben.
Aber selbst, wenn sie ihm glaubten, vierzig Gewehre vermochten mehr als eine ganze Armee von Eingeborenen, die mit Speeren und Schilden bewaffnet waren.
Es war zum Verzweifeln. Ugawambi hatte seinen Gewinn längst vergessen. Nicht einmal nach Whisky sehnte er sich in dieser Stunde.
Wer war schließlich schuld daran, daß er eingewilligt hatte, Imi Bejs Führer zu werden?
Niemand als seine Weiber. Geldgierig, wie sie waren, würden sie ihn auch in die Hölle hetzen, wenn es galt, Schätze zu erwerben.
Ugawambis Gesicht nahm einen grimmigen Ausdruck an. Er ballte die Fäuste. Wenn er je in die Heimat zurückkehren würde, seine Frau und seine Schwiegermutter würden nichts zu lachen haben. Er würde die Alte aus dem Hause werfen und seiner Frau ein für allemal die Flausen aus dem dicken Kopf prügeln. Das glaubte er seinem Massa schuldig zu sein.
Am Nachmittag ließ ihn Imi Bej rufen. Mürrisch setzte er sein Pferd in Bewegung und ritt an die Spitze des Zuges.
»Haben wir es noch nicht bald geschafft?« fragte Imi Bej.
»Warum so eilig«, fragte Ugawambi frech dagegen. »Reichtum ist noch keinem Menschen von selbst in den Schoß gefallen.«
Imi Bejs Gesicht verzerrte sich zu einer wütenden Grimasse.
»Ich lasse dir die Haut in Streifen vom Leibe ziehen, du verdammte Kröte, wenn du mir keine vernünftige Antwort gibst!«
»Spar dir deine dummen Drohungen«, fuhr ihm Ugawambi über den Mund.
»Du Laus, du dreckige, du schwarzes Warzenschwein, ich werde ...«
»Nichts wirst du«, fuhr Ugawambi dazwischen. »Ich habe dir schon einmal gesagt, daß ich mir deine Beleidigungen nicht auf die Dauer gefallen lasse. Wir sind Geschäftspartner, und ich habe genauso ein großes Interesse wie du, bald ans Ziel zu kommen.«
Imi Bej beherrschte sich.
»Wie lange also noch?« fragte er kurz.
»Drei bis vier Tage werden wir schon noch brauchen«, sagte Ugawambi.
»Du mußt das doch genau wissen! Du bist doch diesen Weg schon einmal geritten!«
Ugawambi grinste breit.
»So genau kann ich mich nicht mehr erinnern.«
Imi Bej sah ein, daß er mit Drohungen aus dem Schwarzen nichts herausholen konnte. Aber in dieser Gegend brauchte er ihn mehr als je zuvor. Er konnte es nicht darauf ankommen lassen, sich vollständig mit ihm zu entzweien. So gab er seiner Stimme einen freundlicheren Klang, als er jetzt fragte:
»Weißt du einen guten Lagerplatz für die Nacht?«
»Noch nicht, aber ich werde ihn finden.«
»Gut, dann laß es mich wissen.«
Ugawambi nickte kurz, wandte sein Pferd und ritt wieder an das Ende des Zuges.
Bald brach die Nacht herein, und Ugawambi fand einen Lagerplatz. Die Männer waren müde.
Die kurzen Unterhaltungen kamen bald ins Stocken. Imi Bej hielt es nicht für nötig, Wachen auszustellen. Vor den Eingeborenen hatten Sklavenjäger keine Angst. Und sonst war niemand da, der ihre Nachtruhe hätte stören können.
Ugawambi schlug sein Lager etwas abseits von den anderen auf, was diesen sehr recht war, denn sie mochten nicht in der Nähe eines Negers schlafen. Obwohl sie auf den schwarzen Mann angewiesen waren, konnten sie ihre Abneigung gegen ihn doch nicht überwinden.
Stunde um Stunde verrann.
Der Neger hatte einen schweren Traum. Er wollte schreien; aber er brachte keinen Ton heraus.
Irgend etwas Stinkendes, Übelschmeckendes, was in seinem Mund war, hinderte ihn daran. Als er sich aufrichten wollte, flüsterte jemand neben ihm:
»Wenn dir dein Leben wert ist, so wehre dich nicht und gib dich gefangen.«
Ugawambi war starr vor Schrecken.
Er fühlte, wie sich Riemen um seine Handgelenke legten. Starke Arme zerrten ihn von seinem Platz. Dann wurde er emporgehoben und auf ein Pferd gesetzt. Und dann stob das Tier in rasendem Galopp davon.
Die Nacht war dunkel, und es regnete. So hatte Ugawambi nicht die Möglichkeit, den Mann, der irgendwo neben ihm ritt, näher in Augenschein zu nehmen.
Endlich verlangsamte sich die Gangart der Tiere. Dem Neger war speiübel. Der Knebel in seinem Mund hatte einen entsetzlichen Geschmack.
Neben ihm sagte eine Stimme:
»So, du Ungeheuer, ich glaube, jetzt kann ich dich von dem Pfropfen in deinem verräterischen Mund befreien.«
Ugawambi horchte auf. Diese Stimme kannte er. Als ihm jemand den Knebel aus dem Mund nahm, meinte er :
»Du sein Massa Pfeifer?«
»Ja«, sagte Michel, »danke Gott, daß ich dich nicht totgeschlagen habe.«
»Oh —, oh —, Ugawambi sein gar nicht so untreu, wie Massa denken. Aber warum stecken Massa Ugawambi so furchtbar stinkenden Knebel in Maul?«
Michel freute sich, daß er wieder einmal englische Laute vernahm. Er lachte, dann schnitt er ihm die Fesseln durch.
»Ich glaube nicht, daß du versuchen wirst, mir zu entfliehen.«
»Massa Pfeifer ganz sicher sein. Ugawambi bleiben bei Massa Pfeifer.«
»Nun, so will ich dir auch deinen Knebel zeigen. — Hier.«Ugawambi nahm das stinkende Etwas in die Finger und hielt es sich dicht vor die Augen. Plötzlich stieß er einen Schrei aus.
»Das — , das sein Ugawambis viel schöne, gut Perücke ! Oh —, Ugawambi nicht wissen, wie Perücke stinken.«
Er fuhr sich mit der linken Hand ein paarmal durch das Kraushaar, um sich zu vergewissern, daß die Perücke wirklich nicht mehr an ihrem Platz war. Aber trotz seiner eigenen eindeutigen Feststellung über den Geruch stülpte er sich die anrüchige Hauptzierde mit schnellem Griff wieder über. Er atmete sichtlich auf.
»Willst du dich denn nie von diesem Ding trennen?« fragte Michel belustigt.
»Nein, nein! Ugawambi vornehmes Mann. Massa sehen Portugiesen an. Alles vornehmes Mann.
Tragen alle Perücken.«
Dem Pfeifer konnte es ziemlich gleichgültig sein, ob er Ugawambi mit oder ohne Perücke gefangen hatte. Er hatte die Sklavenkarawane praktisch führerlos gemacht. Und das war ein Schachzug, mit dem Imi Bej sicher nicht gerechnet hatte.
Als sie eine Weile schweigend geritten waren, fragte Ugawambi plötzlich:
»Warum Massa Pfeifer nicht reiten geradeaus? — Königsstadt liegen da vorn. Ugawambi genau wissen.«
»Meinst du, ich habe Lust, Imi Bej eine Spur zu hinterlassen, die ihn direkt zum Ziel führt?«
»Ah —, Ugawambi verstehen. Massa Pfeifer nehmen gefangen Ugawambi, damit böse Bej nicht finden den Weg.«
Als Michel jetzt antwortete, verlieh er seiner Stimme einen drohenden Klang.
»Ja, du hast ganz recht. Was aber glaubst du, werde ich mit dir machen?«
»Ugawambi nicht wissen«, sagte der Schwarze treuherzig.
»Nun, ich werde dich dem König ausliefern. Und weißt du, wie die Wadschagga Verräter zu bestrafen pflegen?«
Ugawambi schwieg schuldbewußt.
»Sie binden sie an einen Baum und schneiden sie in breite Streifen.«
Dem langen Neger traten vor Entsetzen die Augen aus dem Kopf.
»Du meinen, schneiden Ugawambi in breite Streifen, wenn Ugawambi noch leben?«
»Hm.«
»Das sein viel schrecklich, gräßlich, furchtbar!«
»Was du getan hast, ist noch furchtbarer! Wie konntest du dein Wort brechen? Wie konntest du die wilde Meute in diese Gegend führen? Hast du dir nicht denken können, daß damit Unglück über dieses friedliche Volk hereinbricht?«
»Ugawambi nichts denken. Ugawambi böse Schwiegermutter und habgierige Frau. Ugawambi viel Schnaps getrunken. Imi Bej sagen, Ugawambi Geschäftspartner von Imi Bej. Ein Viertel mein Anteil. Ein Viertel viel Whisky, sehr viel Whisky.«
»Du bist ein unverbesserlicher Säufer. Du verkaufst deine Seele, um dich mit dem berauschenden Zeug volllaufen zu lassen. Was hast du davon?«
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