Beifall wurde laut, und während der Mann noch weiterredete, scharten sich immer mehr Männer um ihn. Sonja, Daron und auch Iatos wandten ihnen den Rücken und gingen.
»Wenn du einen Plan hast, irgendwas, dann sollten wir möglichst gleich mit Bo-ugan sprechen«, sagte Sonja zu Daron.
»Ja.« Er nickte. »Ja.«
Gedankenverloren stapfte er weiter. Sonja blieb noch kurz bei Iatos stehen.
»Ich werde dich auf dem laufenden halten«, versprach sie ihm. »Jedenfalls dürfen wir nicht zulassen, dass diese Dummköpfe durch einen neuen Sturmangriff Selbstmord begehen.«
»Natürlich nicht«, bestätigte Iatos. »Ich halte euch den Daumen, dir und Daron.«
Sie schlug ihm auf die Schulter und eilte hinter Daron her, um sich mit ihm zu Bo-ugans Haus zu begeben.
Bo-ugan saß mit Agthor und einigen anderen Männern in seinem dämmrigen Haus an dem langen Tisch. Die Pergamentkarte war ausgebreitet, Wein und Erfrischungen standen bereit.
Einer von Bo-ugans Stab spielte mit einem Messer. Er saß in einem Holzsessel und ließ die Klingenspitze immer wieder in die Armlehne fallen. Mühelos las Sonja seine Gedanken.
Bo-ugan lehnte sich nach vorn und hob die verschränkten Hände zum Kinn, als Sonja und Daron eintraten. Der Soldat, der sie hereingeführt hatte, salutierte und zog sich wieder zurück.
»Ja«, sagte Bo-ugan zu Sonja. »Setzt euch – beide.«
Sie taten es. Daron nahm neben Sonja Platz, griff nach einem Becher, schenkte sich Wein ein und nippte sogleich daran. Keinem blieb verborgen, wie nervös er war. Das gefiel Sonja nicht, denn so benahm man sich nicht, wenn man zu seinem Kriegsherrn ging, um ihm einen guten Plan zu unterbreiten, der die Wende des Krieges bedeuten sollte.
»Wir sprachen gestern von einer möglichen Änderung der Taktik«, wandte Sonja sich an den Hetman.
»Ja, ja«, drängte Bo-ugan.
»Mein Freund Daron hat einen Plan – so versicherte er mir.«
Bo-ugan musterte den jungen Mann. »Was ist dein Plan, Daron?«
Daron starrte in den Weinbecher. »Weniger ein Plan«, gestand er, »als eine Möglichkeit.« Er blickte auf und in des Hetmans stahlblaue Augen. »Erfolg garantieren kann ich allerdings nicht. Doch allein, um damit anzufangen, muss ich um eure Hilfe ersuchen. Es ist – vielerlei zugleich, Bo-ugan. Wenn ich es richtig sehe, wird es Eure Probleme lösen – und vielleicht meine ebenfalls.«
Bo-ugan runzelte die Stirn. »Du sprichst in Rätseln. Erklär bitte genau, was du dir ausgedacht hast!«
Daron richtete sich in seinem Sessel auf, blickte Sonja und die anderen an und legte die Hände auf den Tisch! »Ich glaube, ich weiß, wo ich eine Waffe finden kann, die imstande ist, Thotas und seine Priester zu vernichten.«
Bo-ugan unterdrückte seine Aufregung. »Sag mir wo! Ich werde eine Armee danach schicken.«
»Ich weiß eben nicht genau wo. Das ist einer der Gründe, weshalb ich zaudere, überhaupt davon zu sprechen.«
»Jegliche Hoffnung auf Erfolg ist jetzt ein Wagnis wert«, versicherte Bo-ugan dem jungen Mann.
»Wirklich?« murmelte Daron und starrte den Hetman an. Nach seinem Ton schien er dabei an mehr zu denken als an eine einfache Strategie gegenüber dem Feind.
Bo-ugan griff nach der Weinkanne und fragte, ob er Daron nachschenken dürfe. Der junge Mann nickte. »Erzähl mir mehr über dieses Geheimnis!« bedrängte er ihn. »Ich muss schließlich wissen, welches Risiko ich eingehe.«
»Ihr«, sagte Daron zu ihm, »geht so gut wie keines ein, von dem zeitweiligen Verlust von zwei Kriegern abgesehen – nein, von drei: Sonja, ich und noch einer. Wir müssen uns auf eine Reise begeben, damit ich Hinweisen auf dieses – Geheimnis folgen kann. Wenn wir es finden, kehre ich zurück mit der Macht, die Zikkurat zu vernichten!«
»Du sprichst immer noch in Rätseln«, sagte Sonja. »Kannst du uns nicht näher erklären, worum es geht?«
»Nein«, entgegnete Daron. »Ich muss euch bitten, mein Schweigen einstweilen zu achten.«
Sonja und auch Bo-ugan blickten ihn überrascht an.
»Ich will mich wahrhaftig nicht wichtig machen«, fuhr Daron ernst fort. »Obgleich ich noch jung bin, Befehlshaber, bin ich weitgereist und habe viel gelernt. In meiner Vergangenheit gibt es Rätsel, die ich hoffentlich noch aufdecken kann. Und wenn mir das gelingt, bin ich imstande, euch ebenfalls zu helfen.«
»Das klingt nach mehr als nur nach Schwertern«, meinte Bo-ugan angespannt.
»Ja, Hetman. Es geht um weit mehr als nur um Schwerter.«
»Zauberei?«
»Auch viel davon.«
Bo-ugans Gesicht verdüsterte sich. »Ich habe Zauberer angestellt. Sie haben mir herzlich wenig geholfen. Keine Zauberei kommt gegen Thotas an.«
»Da täuscht Ihr Euch, seid versichert. Aber ich darf Euch nicht sagen, woher ich das weiß. Könnt Ihr mein Schweigen achten, Lord Bo-ugan? Ich weiß, dass Ihr Zauberer angeworben habt, doch lediglich unbedarfte, schwächliche. Sie taten mächtiger, als sie waren, um daran zu gewinnen. Ich spreche nicht von kleinen Zaubern und Hellseherei, sondern von derselben Art von Zauberei, wie Thotas sie gegen euch einsetzt – einer Zauberei der Macht. Wenn ich Erfolg habe, kann ich ihn vernichten.«
»Dann wirst du eine ganze Armee zu Hilfe haben«, versprach ihm Bo-ugan. »Falls du mich von der Wahrheit deiner Worte überzeugen kannst.«
»Ich werde keine Armee benötigen, Lord Bo-ugan. Ich hätte nur gern, dass die Rote Sonja und ein Mann mich begleiten. Das heißt, falls Sonja mitkommen mag …«
»Selbstverständlich«, versicherte sie ihm.
»Dann such einen Soldaten aus. Nimm den besten! Du kannst gern einen Mann aus meinem Stab haben.«
»Ich fürchte, der würde meinen Zweck nicht erfüllen«, lehnte Daron dankend ab, »auch wenn er vermutlich im Kampf unschlagbar ist. Ich möchte den armen Irren mitnehmen, Bo-ugan, diesen Urrim.«
Bo-ugan hob die Brauen. »Das meinst du doch nicht ernst?«
»Ich könnte es nicht ernster meinen. Eure Soldaten sind im Schwertkampf unvergleichlich, aber wohin ich gehe, ist Schwertkampf nicht so wichtig wie Urrim. Er ist verwundet und scheint ein Irrer zu sein; dennoch ist er durchaus nicht ohne Geist – und wenn er sich dessen bedient, sieht er manchmal seltsame Dinge. Er spricht zwar selten und unbeholfen, aber dann und wann redet er von den Dingen, die er sieht. Deshalb brauche ich ihn.«
»Willst du damit sagen«, wandte Sonja sich an Daron, »dass Urrims Kopfverletzung bewirkt hat, dass er etwas verstehen kann, wozu die meisten anderen nicht imstande sind?«
»Das stimmt. Ich habe mich mit ihm unterhalten – habe seine verworrenen Worte gedeutet.«
Sonja erinnerte sich an ihr Gespräch mit Iatos. Gewiss hat es irgendeinen Zweck, hatte er über Urrims Verwundung gesagt …
»Verzeih, wenn ich es unverblümt sage«, warf nun Bo-ugan ein, »aber je mehr ich von diesem – ah, Plan – höre, desto weniger halte ich davon.«
»Gestattet Sonja, mir und Urrim, dass wir noch heute aufbrechen«, beharrte Daron. »Bei Euren vielen Hunderten von Kriegern werden wir Euch nicht fehlen. Und wenn wir zurückkommen …«
»Wann mag das sein?«
»Vielleicht in einer Woche, möglicherweise erst in einem Monat. Länger gewiss nicht.«
»Dann geht!« Bo-ugan erklärte sich einverstanden. »Geht und tut, was du für richtig hältst, Daron. Inzwischen werde ich mit der Belagerung fortfahren und zusehen, was ich erreichen kann.«
»Das erinnert mich an etwas«, sagte Sonja. »Eine Menge Eurer Soldaten ist der Leiche auf dem Hauptplatz wegen aufgebracht. Man steigert sich in einen Sturmangriff hinein.«
»Ich werde ihnen schon Vernunft beibringen«, versprach Bo-ugan.
Als sie das Haus verließen, wandte sich Sonja an Daron: »Das war ein merkwürdiges Gespräch. Ich hoffe, du weißt, worauf du dich da einlässt.«
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