»Mehr?«
»Ihre Villa ist Klasse Zwei, sagten Sie? Ich nehme an, daß Sie sie behalten möchten. Also müssen wir Sie wohl zu Klasse Zwei machen.«
»Sie wollen mich in die Hohe Regierung nehmen, Sir?«
»Natürlich«, sagte Kloofman freundlich. »Überlegen Sie doch: Wie kann ich Sie in Ihre niedrige Klasse zurückschicken, nachdem Sie derart über mich triumphiert haben? Sie haben an Status gewonnen. Giacomin wird ein neues Büro für Sie herrichten.« Kloofman lächelte. »Sie haben mehr bekommen, als Sie wollten, Quellen. Ich gratuliere Ihnen.«
* * *
Quellen tauchte endlich an der Erdoberfläche auf, nachdem er Stockwerk um Stockwerk nach oben gefahren war. Er schwankte auf die Straße hinaus und mußte sich breitbeinig hinstellen, um nicht von Schwindel erfaßt zu werden. Er sah die hohen Türme, die zierlichen Brücken über den Straßen und die Leuchtdreiecke an den obersten Stockwerken der Gebäude.
Ich habe nicht viel Zeit, dachte Quellen.
Nach dem Interview mit Kloofman war er wie gelähmt. Wenn er jetzt zurückdachte, konnte er gar nicht begreifen, wie er das geschafft hatte. Wie er sich zur Hohen Regierung durchgeboxt und kühn seine Forderungen gestellt hatte. Wie er Betrug auf Betrug gebaut hatte. Es konnte nicht wahr sein.
Aber die Häuser um ihn existierten tatsächlich. Der Himmel war echt. Das Pflaster war echt. Und das Interview mit Kloofman hatte stattgefunden. Er hatte gewonnen. Er war sogar Klasse Zwei. Er hatte Kloofman zum Rückzug gezwungen.
Quellen wußte, daß er überhaupt nichts gewonnen hatte.
Er hatte sein Manöver mit bemerkenswerter Kühnheit durchgeführt, aber er war ein Narr gewesen, und das erkannte er jetzt klarer als vor einer Stunde. Es war nur ein Augenblickstriumph, nur eine Illusion. Wirkliche Sicherheit gab es für ihn nicht. Also mußte er den anderen Plan in die Tat umsetzen. Er hatte sich auf einen Fehlschlag vorbereitet, und er wußte, was er zu tun hatte, wenn ihm auch nicht mehr viel Zeit blieb.
Kloofman hatte ihn mit seinem Lächeln und seinem Lob nicht täuschen können. So leicht konnte man einen Mann der Klasse Eins nicht herumschieben.
Quellen wußte, daß er sich Lanoy und Mortensen holen würde, um ihn dann zu vernichten. Ich hätte es von Anfang an wissen sollen. Wie konnte ich mir einbilden, Kloofman zu überlisten? fragte er sich.
Aber er bereute den Versuch nicht. Der Mensch mußte sich hin und wieder aufrichten und kämpfen. Quellen hatte es versucht. Er hatte etwas Absurdes getan, und er hatte eine Glanzleistung vollbracht, auch wenn der Ausgang nicht nach seinem Willen war.
Die Freude über den Sieg hatte nachgelassen, und Quellen konnte wieder kühl und vernünftig denken.
Er betrat das Hauptquartier und gab Befehl, daß man Lanoy sofort zu ihm bringen sollte. Der Mann wurde in sein Büro geführt. Er sah niedergedrückt aus.
»Das werden Sie noch bereuen, Quellen«, sagte Lanoy bitter. »Ich habe es ernst gemeint, als ich erklärte, Brogg habe die Roboter auf mich abgestimmt. Ich kann die Hohe Regierung jederzeit von Ihrer Villa in Afrika unterrichten …«
»Das ist nicht nötig«, sagte Quellen. »Ich lasse Sie laufen.«
Lanoy war verwirrt. »Aber Sie sagten …«
»Das war vorher. Ich lasse Sie frei und versuche soviel wie möglich von den Verhöraufzeichnungen zu vernichten.«
»So haben Sie also doch nachgegeben, Quellen. Sie wußten, daß Sie das Risiko nicht auf sich nehmen konnten.«
»Im Gegenteil. Ich habe der Hohen Regierung selbst über die Villa erzählt. Ich sprach mit Kloofman persönlich darüber. Es hat keinen Sinn, sich mit kleinen Leuten zu unterhalten.«
»Das nehme ich Ihnen nicht ab, Quellen.«
»Es ist trotzdem die Wahrheit. Und deshalb hat sich auch der Preis für die Freilassung geändert. Ich brauche Ihr Schweigen nicht mehr. Ich will Ihre Dienste.«
Lanoys Augen wurden groß. »Was ist denn vorgefallen?«
»Eine ganze Menge. Ich habe jetzt keine Zeit, Ihnen alles zu erklären. Ich bringe Sie sicher aus dem Gebäude. Zu Ihrem Labor müssen Sie selbst kommen. In etwa einer Stunde bin ich bei Ihnen.« Quellen schüttelte den Kopf. »Ich glaube zwar nicht, daß Sie lange frei bleiben werden, Lanoy. Kloofman will Ihre Maschine unbedingt. Er will politische Gefangene in die Vergangenheit schicken. Und die öffentlichen Einnahmen erhöhen. Er hat vor, das Arbeitslosenproblem dadurch zu lösen, daß er die Leute bis zu fünfhunderttausend Jahre zurückschickt, um sie von Raubtieren fressen zu lassen. Ich bin überzeugt davon, daß man Sie bald wieder erwischen wird. Aber dann ist es nicht meine Schuld.«
Er brachte Lanoy aus dem Gebäude. Der kleine Mann sah Quellen verwirrt an, als er die Schnellbootrampe betrat.
»Ich komme nach«, rief Quellen.
Er bestieg ebenfalls ein Schnellboot und ließ sich zu seinem Apartment bringen. Er hatte noch eine Aufgabe vor sich. Ob Kloofman schon etwas gegen ihn unternommen hatte? Zweifellos gab es in der Hohen Regierung erregte Diskussionen. Aber in Kürze war Quellen in Sicherheit.
Er hatte viel verstanden, vor allem aber eines: Kloofman brauchte die Zeitmaschine dringend, um seine eigene Macht auszudehnen. Auf rücksichtslose Art. Und er hätte ihm beinahe dabei geholfen.
Quellen verstand nun auch, weshalb alle Zeitreisenden, die man registriert hatte, aus den Jahren 2486 bis 2491 kamen. Es bedeutet nicht, daß später niemand mehr zurückgeschickt wurde. Es hieß nur, daß Kloofman die Herrschaft über die Maschine gewonnen hatte und seine Gegner so weit zurückschickte, daß sie keine Gefahr mehr für ihn darstellten. Quellen schauderte. Er wollte nicht in einer Welt leben, in der die Regierung eine solche Macht hatte.
Er ging in sein Apartment und betrat das Stati-Feld. Im Nu war er in seiner afrikanischen Hütte.
»Mortensen«, rief er, »wo sind Sie?«
»Hier unten.«
Quellen sah über den Rand der Veranda. Mortensen angelte. Er hatte nur seine Hose an. Seine blasse Haut war rot vom Sonnenbrand. Er winkte Quellen freundlich zu.
»Kommen Sie!« sagte Quellen. »Es geht heim.«
»Vielen Dank, ich bliebe lieber hier. Es ist schön hier.«
»Unsinn! Ihr Zeitsprung …«
»Weshalb denn? Hier habe ich es auch bequem.«
Quellen hatte keine Zeit für lange Diskussionen. Er hatte auch kein Interesse daran, die Vergangenheit durcheinanderzubringen. Und in Kürze war Mortensens Wert als Geisel gleich Null. Mortensen mußte den Sprung machen.
»Kommen Sie«, sagte Quellen.
»Nein.«
Seufzend betäubte Quellen den Mann zum zweitenmal. Er schob den steifen Körper durch das Stati-Feld, und folgte eine Sekunde später. Mortensen lag auf dem Boden seines Apartments. In kurzer Zeit würde er erwachen und nicht recht wissen, was geschehen war. Vielleicht versuchte er auch, wieder nach Afrika zu gelangen. Aber bis dahin hatten ihn die Televektoren sicher schon entdeckt. Kloofman mußte sichergehen, daß er rechtzeitig den Sprung machte.
Quellen verließ seine Wohnung zum letztenmal. Er betrat die Flugrampe und wartete auf das Schnellboot.
Es war Spätnachmittag, als er ankam. Die Sonne stand tief am Horizont, und auf dem See spiegelten sich die Farben. Lanoy erwartete ihn.
»Es ist alles vorbereitet, Quellen«, sagte er.
»Gut. Kann ich mich auf Ihre Ehrlichkeit verlassen?«
»Sie haben mich herausgeholt. Das verpflichtet mich. Aber sind Sie sicher, daß Sie den Sprung machen wollen?«
»Ja. Ich kann nicht hierbleiben. Ich bin Kloofmans Todfeind, und er würde mir die zehn schweren Minuten, die ich ihm bereitet habe, nie vergessen.«
»Kommen Sie herein«, sagte Lanoy. »Verdammt, ich hätte nie gedacht, daß ich Ihnen auf diese Weise helfen würde.«
»Wenn Sie klug sind, nehmen Sie den gleichen Weg«, sagte Quellen. »Kloofman wird Sie früher oder später erwischen.«
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