„Die Leier!“
„Cepheus!“
Sie wandten sich zum Doppelt um, der sie ruhig betrachtete. Ihre Augen leuchteten triumphierend. „Eine Sternkarte!“ konstatierte der Ingenieur. „Natürlich!“
„Na, dann wären wir ja zu Hause.“ Der Koordinator lächelte breit. Der Doppelt hustete. „Sie haben eine elektrische Schrift.“
„Es scheint so.“
„Wie sind die Ladungen fixiert?“
„Ich habe keine Ahnung. Vielleicht ist das Elektrim.“
„Sie müssen einen elektrischen Sinn haben!“
„Möglich.“
„Liebe Kollegen, ich bitte um Ruhe! Wir müssen systematisch vorgehen“, sagte der Koordinator. „Womit beginnen wir?“
„Zeichne ihm auf, woher wir kommen.“
„Richtig.“ Der Koordinator wischte rasch die Tafel sauber. Er zeichnete das Sternbild des Zentauren, zögerte dann aber, weil er die Projektion aus dem Gedächtnis malen musste, so wie sich die Gegend der Milchstraße von Eden aus darstellte. Er machte einen dicken Punkt, der den Sirius verkörpern sollte, fügte ein Dutzend kleinerer Sterne hinzu und setzte in den Raum vor dem Großen Bären einKreuzchen, das die Sonne bedeutete. Danach berührte er nacheinander seine Brust und die der Gefährten, deutete mit der Hand auf den Raum und klopfte mit der Kreide auf das Kreuzchen. Der Doppelt hustete. Er nahm von ihm die Kreide, schob angestrengt den Torso dicht an die Tafel und vervollständigte die Zeichnung des Koordinators durch eine Projektion des Alphasterns im Sternbild des Adlers und des doppelten Protionsystems. „Ein Astronom!“ rief der Physiker, und leiser fügte er hinzu: „Ein Kollege…“
„Durchaus möglich!“ meinte der Koordinator. „Jetzt geht's weiter!“ Ein großes Zeichnen hob an. Der Planet Eden und die Bahn des Raumschiffes. Das Eindringen in den Gasschweif. Die Karambolage — dabei war nicht klar, ob die Zeichnung deutlich genug die Katastrophe schilderte, vorerst jedoch wussten sie sich nicht besser zu helfen. Das Eindringen der Rakete in den Boden — die Zeichnung stellte einen Querschnitt des Hügels mit der darin steckenden Rakete dar. Die Fortsetzung der Bildergeschichte wurde schwierig, sie hielten inne. Der Doppelt sah sich die Zeichnungen an und hustete. Er schob wieder den Torso dicht an die Tafel und zog ihn zurück. Dann trat er an den Tisch, holte ein dünnes, biegsames Drähtchen aus dem grünen Kragengeflecht, beugte sich vor und begann es mit ungewöhnlicher Geschwindigkeit über die goldglänzende Folie zu bewegen. Das währte eine ganze Weile. Schließlich trat er von dem Tisch wieder zurück. Sie beschütteten die Folie mit Graphit. Es zeigte sich etwas sehr Seltsames. Noch während sie das überflüssige Pulver wegbliesen, begannen sich die immer deutlicher werdenden Umrisse zu bewegen. Als erstes erkannten sie eine große Halbkugel mit einer schiefstehenden Säule darin. Dann erschien ein kleiner Fleck, der auf die Halbkugel zukroch. Er wurde immer größer. Sie erkannten die Silhouette des schematisch und ungenau gezeichneten Beschützers. Ein Stück aus dem Kreisbogen der Halbkugel verschwand. Durch die entstandene Öffnung fuhr der Beschützer herein.
Das Bild wurde gelöscht. Die Folie war wieder gleichmäßig mit Graphitpulver bedeckt. Vor ihrem Hintergrund erschien, mit langen Strichen gezeichnet, die Gestalt des Doppelts. Der Doppelt hinter ihrem Rücken hustete. „Das soll er sein“, sagte der Koordinator. Die Karte verschwand, nur der Doppelt blieb. Dann verschwanden auch seine Umrisse, aber die Karte erschien von neuem. Das wiederholte sich viermal. Abermals ordnete sich das Graphitpulver, wie von einem unsichtbaren Hauch gelenkt, zu den Umrissen der Halbkugel mit der Lücke im Halbbogen. Die kleine Gestalt des Doppelts näherte sich kriechend dieser Lücke und drang durch sie hinein. Die Halbkugel zerplatzte.
Die schiefstehende Säule — die Rakete — wurde größer. Vorn, unter dem Rumpf, war ein Vorsprung zu erkennen. Der Doppelt richtete sich darunter auf, stieg in die dort befindliche Öffnung und verschwand in der Rakete. Das Graphitpulver zerstreute sich zu chaotischen Häufchen. Das war das Ende der Information. „So ist der also zu uns gelangt — durch die Lastenklappe!“ Der Ingenieur schüttelte den Kopf. „Wir sind aber wirklich Trottel, dass wir sie offengelassen haben!“
„Moment, mir fällt da gerade was ein“, sagte der Doktor. „Vielleicht wollten sie uns gar nicht einschließen mit dieser Mauer, sondern nur ihre Gelehrten davon abhalten, Kontakt mit uns aufzunehmen!“
„Durchaus möglich.“ Sie wandten sich an den Doppelt. Er hustete.
„So, genug davon“, sagte der Koordinator. „Ist ja recht angenehm, so ein geselliges Beisammensein, aber uns schweben wichtigere Dinge vor! Das Handeln auf eigene Faust hört jetzt auf! Wir müssen an die Dinge systematisch herangehen. Fangen wir mit der Mathematik an. Damit wird sich der Physiker befassen. Mathematik — natürlich auch die Mathematik. Dann die Theorie der Materie, Atomistik, Energetik. Weiter — Informationstheorie, Informationsnetze. Methoden der Übermittlung und Fixierung. Nicht zu vergessen die satzbildenden Faktoren, die Satzfunktionen. Das grammatische Skelett, die Semantik. Die Zuordnung der Begriffe. Die Arten der angewandten Logiken. Sprache.
Wortschatz. Das alles ist dein Gebiet“ — er sah den Kybernetiker an — , „und wenn wir dann diese Brücke haben, kommt das übrige an die Reihe: der Stoffwechsel, die Ernährungsweise, die Produktionsweisen, die Formen der Gruppenbeziehungen, die Reaktionen, die Gewohnheiten, die Klassifizierung, die Gruppenkonflikte und so weiter. Damit brauchen wir uns nicht mehr so zubeeilen. Vorläufig“ — er wandte sich an den Kybernetiker und an den Physiker — „beginnt ihr. Man wird den Kalkulator dazu vorbereiten müssen. Natürlich habt ihr die Filme zu eurer Unterstützung und die Bibliothek. Nehmt alles, was euch nutzen kann.“
„Zu Beginn könnte man ihm das Raumschiff zeigen“, sagte der Ingenieur. „Was meinst du? Das kann ihm so manches sagen, außerdem wird er sehen, dass wir nichts vor ihm verbergen.“ Der Koordinator stimmte zu. „Vor allem ist das zweite wichtig. Aber wenn wir uns nicht mit ihm verständigen können, dürft ihr ihn nicht in den Verbandsaal lassen. Es könnte ein Mißverständnis geben. Gehen wir jetzt mit ihm durch das Raumschiff. Wie spät ist es?“ Es war drei Uhr nachts.
Die Führung durch die Rakete dauerte ziemlich lange. Der Doppelt zeigte vor allem für die Atomsäule und für die Automaten Interesse. Der Ingenieur entwarf für ihn eine Menge Skizzen auf Blöcken, von denen allein vier im Maschinenraum draufgingen. Der Automat weckte die uneingeschränkte Bewunderung des Gastes. Er schaute sich genau das Mikronetz an und wunderte sich maßlos, als er sah, dass es in einen Behälter getaucht war, der mit flüssigem Helium gekühlt wurde. Das war ein Krytrionen-hirn für besonders schnelle Reaktionen. Offenbar hatte er den Zweck begriffen, dem die Kühlung diente, denn er hustete ziemlich lange und studierte mit großer Anerkennung die Skizzen, die ihm der Kybernetiker zeichnete. Über die elektrischen Verbindungen verständigten sie sich offenbar schneller als darüber, mit welcher Geste oder mit welchem Symbol die einfachsten Begriffe zu kennzeichnen seien. Gegen fünf Uhr morgens legten sich der Chemiker, der Koordinator und der Ingenieur schlafen. Der Schwarze bezog den Posten im Tunnel, nachdem sie die Lastenklappe geschlossen hatten. Die drei anderen begaben sich mit dem Doppelt in die Bibliothek. „Einen Augenblick“, sagte der Physiker, als sie am Labor vorbeigingen. „Wir zeigen ihm noch die Mendelejew-tabelle. Dort sind die schematischen Zeichnungen der Atome.“
Sie gingen hinein. Der Physiker wühlte in einem Stoß Papiere unter den Regalen. Plötzlich begann etwas zu ticken. Der Physiker hörte es nicht, da das Papier zu laut raschelte, aber der Doktor spitzte die Ohren. „Was ist das?“ Der Physiker richtete sich auf und vernahm nun ebenfalls das Ticken. Er musterte sie nacheinander. In seinen Augen malte sich Entsetzen. „Das ist der Geigerzähler… Halt!
Читать дальше