„In der Tat, wir haben nur schwere Sachen an Deck.“ Der Koordinator sagte das in einem Ton, dass niemand wusste, ob es Spott war oder nicht. „Du hast diese Berechnung gemacht, nicht wahr?“ Er sah den Physiker an. „Ja. Da ist noch eine Variante: Zwei Werfer, mindestens hundert Meter voneinander entfernt, schießen so konzentrisch, dass sich beide Strahlen im Ziel treffen. Aus beiden subkritischen Strahlen entsteht dann ein überkritisches Volumen, was eine Kettenreaktion zur Folge hat.“
„Das ist gut für ein Spiel auf dem Übungsplatz“, bemerkte der Chemiker. „Ich kann mir bei feldmäßigen Bedingungen eine solche Präzision nicht vorstellen.“
„Das heißt, dass wir überhaupt keine Atomwerfer besitzen?“ Der Kybernetiker beugte sich erstaunt vor. Wut hatte ihn gepackt. „Wozu dann diese Diskussion, dieser Streit, ob wir mit schrecklicher Bewaffnung ausziehen sollen oder nicht? Wir bewegen uns im Kreis!“
„Ich gebe zu, dass wir vieles ohne Übersicht tun“, antwortete der Koordinator noch immer ruhig. „Ich räume ein, dass wir es bisher getan haben. Einen solchen Luxus können wir uns nicht mehr erlauben. Aber es ist nicht ganz so, wie du sagst.“ Er sah den Kybernetiker an. „Es gibt nämlich noch die erste Variante des Einsatzes von Werfern, das Herausschleudern des halben Behältervolumens, was zu einer Explosion im Ziel führt. Man muss nur aus einem möglichst guten Versteck schießen und stets aus maximaler Entfernung.“
„Das bedeutet, dass man vor dem Eröffnen des Feuers einen Meter tief in die Erde kriechen muss, ja?“
„Mindestens anderthalb Meter, bei einer zwei Meter hohen Brustwehr“, warf der Physiker ein. „Nun, im Stellungskrieg mag das gut sein. Auf Ausflügen wird das einfach lächerlich.“ Der Chemiker verzog verächtlich die Lippen. „Du vergißt die Lage, in der wir uns befinden“, entgegnete der Koordinator. „Wenn die Notwendigkeit eintritt, wird ein Mann mit einem Werfer den anderen dieUmkehr ermöglichen.“
„Ach so! Also ohne dass dazu eine meterhohe Aufschüttung gegraben wurde?“
„Wenn keine Zeit dafür bleibt, ohne sie.“ Sie schwiegen eine Weile. „Wieviel Wasser haben wir noch?“ fragte der Kybernetiker. „Nicht ganz zwölfhundert Liter.“
„Das ist sehr wenig.“
„Sehr wenig.“
„Ich bitte jetzt um konkrete Vorschläge“, sagte der Koordinator. Auf seinem weißen Verband zeigte sich ein roter Fleck. „Unser Ziel ist, uns… und die Bewohner des Planeten zu retten.“ In dem Augenblick der Stille, der folgte, erklang hinter der Wand plötzlich gedämpfte Musik; sie lauschten ergriffen den langsamen Takten einer Melodie, die sie alle kannten.
„Der Apparat ist ganz geblieben“, flüsterte der Kybernetiker erstaunt. Keiner antwortete. „Ich warte“, begann der Koordinator wieder. „Meldet sich keiner? Ich beschließe somit: Die Ausflüge werden fortgesetzt. Wenn es gelingen sollte, einen Kontakt unter günstigen Bedingungen herbeizuführen, werden wir alles nur Mögliche tun, um zu einer Verständigung zu kommen. Unser Wasservorrat ist äußerst knapp. Da uns Transportmittel fehlen, können wir ihn nur schwer ergänzen. Wir müssen uns deshalb aufteilen. Eine Hälfte der Besatzung wird ständig in der Rakete arbeiten, die andere erforscht die Umgebung. Morgen gehen wir an die Reparatur des Geländewagens und die Montage der Werfer.
Wenn wir es schaffen, unternehmen wir schon abends einen Ausfall auf Rädern. Wer möchte dazu etwas sagen?“
„Ich.“ Der Ingenieur, das Gesicht in den Händen, schien zwischen den Fingern hindurch den Fußboden zu betrachten. „Der Doktor soll bei der Rakete bleiben…“
„Warum?“ Der Kybernetiker tat verwundert. Die anderen hatten begriffen. „Er… wird nichts unternehmen. Wenn du das gemeint hast.“ Der Koordinator sprach langsam, sorgsam die Worte wählend. Der rote Fleck auf seinem Verband war etwas größer geworden. „Du irrst, wenn du ihn verurteilst.“
„Könnte man ihn nicht rufen? So möchte ich nicht.…“
„Sprich“, sagte der Kybernetiker.
„Ihr wißt, wie er bei der Fabrik gehandelt hat. Er hätte umkommen können.“
„Ja. Aber er allein hat mir geholfen, die verbrannte Leiche zu zertreten…“
„Das stimmt.“ Der Ingenieur nahm die Hände nicht vom Gesicht. „Dann will ich nichts gesagt haben.“
„Wer möchte das Wort ergreifen?“ Der Koordinator richtete sich ein wenig auf, hob die Hand an den Kopf, berührte den Verband und sah auf die Finger. Die Musik hinter der Wand spielte noch. „Hier oder dort im Gelände? Wer weiß, wo wir ihnen zuerst begegnen“, sagte der Physiker gedämpft zum Ingenieur. „Werden wir losen?“ fragte der Chemiker. „Das geht nicht. Zurück bleiben immer die, die Arbeit in der Rakete haben, das heißt die Spezialisten.“ Der Koordinator erhob sich langsam, mit einer gewissen Unsicherheit. Plötzlich taumelte er. Der Ingenieur sprang hinzu und stützte ihn. Er sah ihm ins Gesicht. Der Physiker stützte ihn von der anderen Seite. Sie hoben ihn hoch. Die anderen legten Kissen auf den Fußboden.
„Ich möchte nicht liegen“, sagte er. Er hatte die Augen geschlossen. „Helft mir — danke. Es ist nichts.
Ich glaube, die Naht will aufgehen.“
„Gleich wird es still sein.“ Der Chemiker wandte sich zur Tür. Der Koordinator riss die Augen auf.
„Nein, nicht, er soll weiterspielen…“
Sie riefen den Doktor. Er wechselte den Verband, legte zusätzlich ein paar Klammern an und gab dem Koordinator ein stärkendes Pulver. Dann legten sich alle in der Bibliothek schlafen. Gegen zwei Uhr nachts löschten sie schließlich das Licht, Stille befiel das Raumschiff.
Am Morgen ließen der Physiker und der Ingenieur vier Liter angereicherte Uransalzlösung von der Reserve der Atomsäule ab. Die schwere Flüssigkeit befand sich in dem mittlerweile gesäuberten Labor in einem Bleibehälter, dessen Deckel nur mit Manipulierzangen zu bewegen war. Die beiden Männer hatten blasenartig aufgeblähte Plastikschutzanzüge an und trugen unter den Kapuzen Sauerstoffmasken. Mit großer Sorgfalt maßen sie die Portionen der kostbaren Flüssigkeit in einem Meßglas und achteten darauf, dass kein Tropfen verschüttet wurde. Schon bei vier Kubikzentimeter Volumen konnte eine Kettenreaktion erfolgen. Besondere Kapillarröhrchen aus Bleiglas dienten als Ladevorrichtungen für die Werfer, die sie an Stativen auf dem Tisch befestigt hatten. Als die Arbeit beendet war, prüften sie mit dem Geigerzähler die Dichte der Behälterventile und drehten und wendeten jeden Werfer nach allen Seiten. Ein Leck war nicht vorhanden. „Keine Beschleunigung, liegt in der Norm“, sagte voller Genugtuung der Physiker; die Maske entstellte seine Stimme. Die Panzertür der radioaktiven Schatzkammer, ein bleierner Klotz, öffnete sich langsam, der Drehung der Kurbel folgend. Sie stellten das Gefäß mit Uran hinein. Als die Riegel zuschnappten, rissen sie die Kapuzen mit den Masken erleichtert von den verschwitzten Gesichtern.
Den Rest des Tages quälten sie sich mit dem Geländewagen herum. Da die Lastklappe durch das verseuchte Wasser blockiert war, mussten sie ihn zuerst in seine Bestandteile zerlegen, die sie dann durch den Tunnel nach oben trugen. An den beiden engsten Stellen musste der Tunnel erweitert werden. Der Geländewagen bedurfte fast keiner Reparatur; er konnte sowieso bisher nicht benutzt werden, denn solange der Atomreaktor stillstand, hatten sie keine Radioisotopenmischung, die unmittelbar den Strom für seine Elektromotoren erzeugte. Das Fahrzeug war kaum größer als ein Feldbett. Vier Mann fanden darin Platz, den Fahrer mitgerechnet. Hinten hatte er ein Gepäckgitter für zweihundert Kilogramm Nutzlast. Am winzigsten waren seine Räder. Ihr Durchmesser ließ sich während der Fahrt regulieren, indem man Luft in die Reifen pumpte. Auf diese Weise konnten sie sogar eine Höhe von anderthalb Metern erreichen.
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