„Ich habe keine Ahnung“, stöhnte der Ingenieur. „Ich bekomme einen Krampf, jetzt du!“ Er machte dem Koordinator Platz, so gut er konnte.
Die riesige, dröhnende Scheibe schwankte, sprang aus der Furche, bremste heftig und zog eine scharfe Kurve. Der Koordinator zwängte die Hände in die Öffnungen der Steuervorrichtung. Nach einer Weile gelang es ihm, den gigantischen Brummkreisel aus der Kurve in die Furche zurückzuführen. Sofort wurde die Fahrt wieder schneller.
„Warum fährt das Ding außerhalb der Furche so langsam?“ fragte der Chemiker, der sich, um dasGleichgewicht zu halten, auf den Rücken des Ingenieurs stützte; zwischen seinen gespreizten Beinen lag der Doktor. „Ich sage dir, ich habe nicht die geringste Ahnung.“ Der Ingenieur massierte sich die Unterarme, auf denen sich blutige Abdrücke an den Stellen zeigten, wo er die Gelenke in die Maschine gezwängt hatte. „Es wahrt sein Gleichgewicht nach dem Prinzip eines Giroskops, aber was das übrige betrifft, habe ich keinen blassen Schimmer.“ Sie befanden sich bereits hinter der zweiten Hügelkette. Das Gelände mutete, von oben betrachtet, durchsichtig an. Übrigens hatten sie es zum Teil schon bei ihrer Wanderung kennengelernt. Über ihren Köpfen und unter ihnen pfiff die kaum wahrnehmbare Scheibe. Die Furche änderte plötzlich die Richtung. Sie mussten sie verlassen, wenn sie zur Rakete zurückkehren wollten. Die Geschwindigkeit fiel sofort. Sie machten nicht einmal mehr zwanzig Kilometer in der Stunde. „Außerhalb der Furchen sind die Dinger eigentlich hilflos. Das darf man nicht vergessen!“ rief der Ingenieur, das Pfeifen und Klirren übertönend. „Ablösung! Ablösung!“
schrie der Koordinator. Das Manöver verlief diesmal ziemlich glatt. Sie erstiegen einen steilen Hang, sehr langsam, kaum schneller als ein rüstiger Fußgänger. Der Ingenieur entdeckte in der Ferne die bewusste Schlucht, die zur Ebene führte. Sie fuhren gerade unter die Bäume, die über dem lehmigen Hang standen, als den Ingenieur ein Krampf packte. „Greif zu!“ schrie er und riss die Hände aus den Öffnungen. Der Koordinator stürzte hinzu, doch da neigte sich die riesige Scheibe bereits zur Seite und näherte sich bedrohlich dem rostbraunen Abhang. Plötzlich knirschte etwas, es gab ein entsetzliches Krachen. Der pfeifende Mühlenflügel schlug mit seinem Rand in eine Baumkrone.
Astfetzen wirbelten durch die Luft. Die Gondel sprang hoch und kippte mit einem Höllenlärm zur Seite. Der entwurzelte Baum fegte mit seiner Krone über den Himmel. Der letzte Flügel, der sich noch bewegte, riss ihn nach unten. Tausende bläschenartiger Blätter zerplatzten zischend. Über der zertrümmerten Konstruktion, die sich mit ihren Stümpfen in den Hang gewühlt hatte, stieg wie aus einem Bovist eine Wolke weißlichen Samens auf, und alles wurde still. Die Gondel lehnte mit der eingedrückten Seite am Hang. „Die Besatzung?“ fragte mechanisch der Koordinator und schüttelte den Kopf, seine Ohren schienen mit Watte vollgestopft zu sein. Verwundert betrachtete er die Wolken weißlicher Staubkörnchen, die ihm um die Nase flogen. „Erster“, stöhnte der Ingenieur und richtete sich vom Fußboden auf. „Zweiter“, kam die Stimme des Physikers von unten. „Dritter.“ Der Chemiker konnte kaum sprechen und hielt sich die Hand vor den Mund, Blut lief ihm übers Kinn.
„Vierter“, sagte der Kybernetiker. Ihn hatte es nach hinten geworfen. Passiert war ihm nichts.
„Fünf-ter…“, stöhnte der Doktor. Er lag auf dem Boden der Gondel, unter den anderen begraben.
Plötzlich brachen sie in schallendes Lachen aus. Sie lagen übereinander, von einer dicken Schicht juckender, flauschiger Samen zugedeckt, die durch den oberen Spalt der Gondel hereinrieselten. Der Ingenieur versuchte die Gondel mit wuchtigen Schlägen zu öffnen. Alle halfen, so gut sie konnten und soweit der Platz es ihnen erlaubte, mit Schultern, Händen und Rücken nach. Die Hülle bebte, man hörte ein schwaches Krachen, doch die Gondel ließ sich nicht öffnen. „Noch einmal?“ fragte der Doktor ruhig. Er lag noch immer auf dem Boden und konnte sich nicht rühren. „Wenn ihr's wissen wollt, ich hab es jetzt satt! He, wer ist das? Sofort runter von mir, verstanden!“ Gemeinsam rissen sie vorn den kammartigen Rahmen ab und begannen damit im Takt, wie mit einem Rammbock, gegen die Decke zu schlagen. Sie verbog sich, verbeulte sich, gab aber nicht nach. „Ich habe das satt“, knurrte der Doktor ärgerlich und stemmte sich langsam hoch. In diesem Augenblick krachte unten etwas, und alle purzelten wie reife Birnen durch den Boden heraus. Sie rollten über den fünf Meter hohen Hang auf die Sohle der Schlucht. „Ist jemandem was passiert?“ fragte der Koordinator, der mit Lehm beschmiert war und als erster auf die Beine sprang. „Nein, aber du bist ja ganz blutig! Laß dich anschauen!“ rief der Doktor. Der Koordinator hatte in der Tat auf dem Kopf einen tiefen Hautriß. Die Wunde reichte bis zur Mitte der Stirn. Der Doktor verband ihn, so gut er konnte. Die anderen hatten nur blaue Flecken davongetragen. Der Chemiker spuckte Blut — er hatte sich auf die Lippe gebissen.
Sie setzen sich in Richtung der Rakete in Marsch. Nach dem zertrümmerten Fahrzeug blickten sie sich nicht einmal mehr.
Als sie zu dem kleinen Hügel gelangten, berührte die Sonne den Horizont. Die Rakete warf einen langen Schatten, der verlor sich weit im Sand der Ebene. Bevor sie hineingingen, untersuchten sie gewissenhaft die Umgebung, fanden aber keine Spuren, die erkennen ließen, dass jemand in ihrer Abwesenheit dagewesen war. Die Atomsäule arbeitete ohne Störungen. Der Halbautomat hatte inzwischen die Seitengänge und die Bibliothek gesäubert, war dann aber im Labor rettungslos in einer dicken Schicht von Plastik-und Glasscherben steckengeblieben.
Nach dem Abendessen musste der Doktor dem Koordinator die Wunde nähen, weil sie noch immer blutete. Unterdessen analysierte der Chemiker das Wasser, das sie dem Bach entnommen hatten, und stellte fest, dass es zum Trinken taugte, obwohl es stark mit Eisensalzen angereichert war, was den Geschmack beeinträchtigte. „Wir müssen jetzt endlich beraten“, erklärte der Koordinator. Sie nahmen in der Bibliothek auf Luftkissen Platz, der Koordinator mit dem weißbandagierten Kopf in der Mitte.
„Was wissen wir?“ begann er. „Wir wissen, dass der Planet von vernunftbegabten Wesen bewohnt ist, die der Ingenieur als Dop-pelts bezeichnet. Der Name entspricht zwar nicht ganz den Tatsachen, aber das soll uns jetzt nicht kümmern. Wir sind mit folgenden Fragmenten der Doppeltzivilisation in Berührung gekommen: Mit einer automatischen Fabrik, von der wir glauben, dass sie verlassen wurde und außer Kontrolle geriet — ich bin übrigens dessen jetzt gar nicht mehr so sicher — , zweitens mit den Spiegelkuppeln auf den Hügeln, deren Bestimmung uns unbekannt ist, drittens mit Masten, die etwas auszustrahlen scheinen, höchst- wahrscheinlich eine Art Energie, viertens mit diesen Vehikeln, wobei wir eines nach einem Angriff auf uns eroberten. Wir meisterten es und erlitten dann Schiffbruch. Fünftens, wir sahen von fern ihre Stadt, über die wir nichts Genaues sagen können. Sechstens, der Angriff, den ich erwähnt habe, hat sich folgendermaßen abgespielt: Der Doppelt hetzte offenbar ein Tier auf uns, das wahrscheinlich darauf abgerichtet war. Dieses Tier strahlte eine Art Kugelblitz aus und steuerte ihn so lange, bis wir es töteten. Siebentens und letztens waren wir Zeugen, wie ein Graben zugeschüttet wurde — ein Grab, das voll von toten Einwohnern des Planeten war. Das ist alles. Berichtigt mich bitte oder vervollständigt meine Angaben, falls ich etwas ausgelassen oder mich geirrt haben sollte.“
„Im Grunde wäre das alles, beinahe alles…“, sagte der Doktor. „Abgesehen davon, was vorgestern auf dem Raumschiff geschah…“
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