Eines Donnerstags, gegen Ende des Karnevals, war Ball bei uns. Ich saß zwischen der Schwägerin Leon Narischkins und seiner Schwester, Madame Siniawin, und wir sahen zu, wie Marine Ossipowna Sakrefskaia, die Ehrendame der Kaiserin und Nichte des Grafen Razumowski Menuett tanzte. Sie war sehr anmutig und gewandt, und man erzählte sich, daß Graf Horn in sie verliebt sei. Da er es aber immer in drei Frauen auf einmal war, hielt er sich auch an die Gräfin Maria Romanowna Woronzow und an Anna Alexiewna Hittroff, gleichfalls Ehrendamen Ihrer Majestät. Wir fanden, daß Marine Ossipowna sehr gut tanzte und ziemlich hübsch war. Ihr Partner war Leon Narischkin. Bei dieser Gelegenheit erzählten mir seine Schwägerin und seine Schwester, daß seine Mutter mit dem Gedanken umginge, Leon mit Fräulein Hittroff, einer Nichte der Schuwaloffs mütterlicherseits, zu verheiraten. Ihre Mutter war eine Schwester Peter und Alexander Schuwaloffs. Ihr Vater kam oft in das Haus der Narischkins und hatte so lange für seine Tochter Propaganda gemacht, bis sich Leons Mutter schließlich die Heirat in den Kopf gesetzt hatte. Aber weder Madame Siniawin, noch seiner Schwägerin lag etwas an der Verwandtschaft der Schuwaloffs, die sie, wie schon erwähnt, nicht liebten. Was Leon anbetraf, so wußte er nicht einmal, daß seine Mutter die Absicht hatte, ihn zu verheiraten, und war in die Gräfin Maria Woronzow verliebt, von der ich soeben gesprochen. Als ich dies daher vernahm, sagte ich zu den Damen Siniawin und Narischkin, daß man die Heirat mit Fräulein Hittroff, die kein Mensch leiden mochte, weil sie intrigant, boshaft und eine Schwätzerin war, auf keinen Fall zugeben dürfe. Um ähnliche Ideen kurz abzuschneiden, müsse man Leon eine Frau unserer Art geben und die erwähnte Nichte des Grafen Razumowski, Marine Ossipowna, wählen, die obendrein uns allen sehr angenehm und immer in ihrem Hause war. Die beiden Damen billigten vollkommen meine Ansicht. Tags darauf fand bei Hofe Maskenball statt. Bei einer günstigen Gelegenheit wendete ich mich an den Marschall Razumowski, der damals Hetmann der Ukraine war, und sagte ihm rund heraus, er habe unrecht, seiner Nichte eine Partie wie Leon Narischkin entgehen zu lassen. Leons Mutter wolle ihn zwar an Fräulein Hittroff verheiraten, allein Madame Siniawin, seine Schwägerin, und ich hätten entschieden, daß seine Nichte die einzig passende Partie für ihn sei; er möge daher den Beteiligten so bald als möglich diesen Vorschlag machen. Dem Marschall gefiel unser Plan ausnehmend. Er besprach sich sofort mit seinem damaligen Faktotum Teploff, der die Sache sogleich dem Grafen Razumowski, dem älteren, mitteilte. Dieser gab seine Einwilligung, und am folgenden Tag begab sich Teploff zum Bischof von Petersburg, um für fünfzig Rubel den Erlaubnisschein zu erkaufen. Nachdem er ihn erhalten, gingen der Marschall und seine Gemahlin zu ihrer Tante, der Mutter Leons, und stellten ihr die Sache in einem so günstigen Lichte dar, daß sie sich zu allem verstand. Und sie kamen gerade im rechten Augenblick, denn an eben demselben Tage hatte sie Hittroff ihr Wort geben sollen. Nun begaben sich der Marschall Razumowski, die Damen Siniawin und Narischkin zu Leon, um ihn zu überreden, die zu heiraten, an die er nicht im entferntesten gedacht hatte. Obgleich er eine andere liebte, willigte er ein; allerdings war die Gräfin Woronzow mit dem Grafen Buturlin so gut wie verlobt. Was Fräulein Hittroff betraf, so machte er sich nicht den geringsten Kummer. Nachdem er also seine Zustimmung gegeben, ließ der Marschall seine Nichte rufen, die die Heirat zu vorteilhaft fand, um sie zurückzuweisen. So baten die beiden Grafen Razumowski am andern Tag die Kaiserin um ihre Einwilligung, die auch ohne Zögern gegeben wurde. Die Herren Schuwaloff aber waren von der Art und Weise, wie man sie und Hittroff hintergangen hatte, äußerst bestürzt und beleidigt, denn sie erfuhren den ganzen Vorgang nicht früher, als nach der Einwilligung der Kaiserin. So heiratete Leon, der in eine junge Dame verliebt war, und den seine Mutter mit einer andern vermählen wollte, eine Dritte, an die weder er noch irgend jemand drei Tage vorher gedacht hatte. Seine Heirat knüpfte meine Freundschaft mit den Grafen Razumowski fester als je, da sie mir es wirklich Dank wußten, ihrer Nichte eine so gute und glänzende Partie verschafft zu haben. Auch waren sie durchaus nicht böse, daß sie über die Schuwaloffs, die sich nicht einmal beklagen konnten, sondern ihren Verdruß verbergen mußten, den Sieg davongetragen hatten. Letzteres war ebenfalls eine Genugtuung, die sie einzig und allein mir verdankten.
Die Liebe des Großfürsten zu Madame Teploff regte sich nur noch mit mattem Flügelschlage. Eins der größten Hindernisse derselben war die Schwierigkeit, sich öfters zu sehen. Es konnte nur heimlich geschehen, was dem Großfürsten, der Schwierigkeiten ebensowenig liebte, als auf empfangene Briefe zu antworten, sehr unbequem war. Gegen Ende des Karnevals fing seine Liebe an, vollkommen Parteisache zu werden.
Eines Tages benachrichtigte mich die Prinzessin von Kurland, Graf Roman Woronzow, der Vater der beiden Hofdamen — der, beiläufig gesagt, samt seinen fünf Kindern dem Großfürsten damals aufs höchste zuwider war — hätte sehr unüberlegte Aeußerungen auf Rechnung des Großfürsten getan. Unter anderm habe er erklärt, wenn er Lust hätte, so würde es ihn keine große Mühe kosten, den Haß des Großfürsten gegen ihn in Wohlwollen zu verwandeln. Zu diesem Zwecke brauche er nur Brockdorf ein Gastmahl zu geben, ihm englisches Bier vorzusetzen und ihm, wenn er ginge, sechs Flaschen davon für Seine kaiserliche Hoheit in die Tasche zu stecken; dann würden er sowohl als seine jüngste Tochter sofort wieder Matadore in der Gunst des Großfürsten sein. Da ich denselben Abend beim Ball bemerkte, daß Seine kaiserliche Hoheit und die Gräfin Marie Woronzow, die älteste Tochter des Grafen, viel miteinander plauderten, machte es mir nicht gerade ein besonderes Vergnügen, zu denken, daß Fräulein Elisabeth Woronzow wieder obenauf kommen sollte. Um dies zu verhindern, erzählte ich dem Großfürsten die eben erwähnten Aeußerungen, die der Vater der jungen Dame über ihn hatte fallen lassen. Darüber geriet der Großfürst in Wut und fragte, von wem ich dieselben erfahren habe. Lange sträubte ich mich, ihm die Wahrheit zu sagen. Allein er erklärte, da ich niemand nennen könne, müsse er annehmen, daß ich es sei, die die Geschichte erfunden habe, nur um dem Vater und seinen Töchtern zu schaden. Es half nichts, ihm zu entgegnen, daß ich nie in meinem Leben solche Lügen erfunden habe, und ich sah mich schließlich gezwungen, ihm die Prinzessin von Kurland zu nennen. Er würde ihr auf der Stelle einen Brief schreiben, sagte er, um zu erfahren, ob ich die Wahrheit rede. Wenn aber der geringste Mangel an Übereinstimmung zwischen dem, was sie ihm antworten werde und dem was ich ihm gesagt habe, vorkäme, würde er sich bei der Kaiserin über meine Lügen und Intrigen beschweren. Hierauf verließ er das Zimmer. Da ich nicht sicher war, was die Prinzessin ihm antworten werde, und aus Furcht, sie möchte sich zweideutig äußern, schrieb ich ihr folgendes Billett:»Ich beschwöre Sie, sagen Sie die einfache und reine Wahrheit, wenn man Sie fragen wird!«Mein Billett wurde ihr unverzüglich überbracht und kam zur rechten Zeit, denn es erreichte sie noch vor dem Briefe des Großfürsten. Die Prinzessin von Kurland antwortete Seiner kaiserlichen Hoheit die Wahrheit, und er mußte einsehen, daß ich nicht gelogen hatte. Auf diese Weise wurde er wenigstens noch eine Zeitlang von einer Liaison mit den beiden Töchtern eines Menschen zurückgehalten, der ihn so gering achtete und den er selbst nicht ausstehen mochte.
Um ihm indes noch ein weiteres Hindernis in den Weg zu legen, überredete ich den Marschall Razumowski, den Großfürsten ein- bis zweimal wöchentlich ganz insgeheim zu sich einzuladen. Es war sozusagen eine Gesellschaft zu zwei Herren und zwei Damen, denn nur der Marschall, Maria Paulowna Narischkin, der Großfürst, Madame Teploff und Leon Narischkin waren zugegen. Dies dauerte fast die ganze Fastenzeit hindurch und gab zu einem andern Plane Veranlassung.
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