Zu Anfang des Frühlings verbreitete sich das Gerücht, daß Prinz Karl von Sachsen, der Sohn des Königs August III. von Polen, nach Petersburg kommen werde. Dem Großfürsten mißfiel dieser Besuch aus verschiedenen Gründen. Erstens, weil er dadurch eine Vermehrung persönlicher Unbequemlichkeiten befürchtete, denn er konnte nicht leiden, wenn die Lebensweise, die er sich zurecht gemacht hatte, auch nur im geringsten gestört wurde; zweitens, weil das sächsische Haus auf seiten der Feinde des Königs von Preußen stand, und drittens vielleicht auch, weil er bei einem eventuellen Vergleich zu verlieren fürchtete. Das letztere zeugte allerdings von größter Bescheidenheit, denn der arme Prinz von Sachsen war ein ganz nichtssagender Mensch, ohne alle Kenntnisse und Bildung. Die Jagd und den Tanz ausgenommen, verstand er nichts; und er selbst sagte mir, daß er in seinem ganzen Leben kein Buch in der Hand gehabt hätte, außer den Gebetbüchern, die ihm seine bigotte Mutter, die Königin, schenkte.
Prinz Karl von Sachsen kam also am 5. April dieses Jahres in Petersburg an. Man empfing ihn mit großer Feierlichkeit und bedeutendem Aufwande von Glanz und Pracht. Sein Gefolge war sehr zahlreich. Eine Menge Polen und Sachsen, unter ihnen ein Lubomirski, ein Pototski, ein Rzewuski, den man den Schönen nannte, ferner zwei Fürsten Sulkowski, ein Graf Sapieha, Graf Branitzki, später Oberfeldherr, ein Graf Einsiedel und viele andere, deren Namen ich mich augenblicklich nicht erinnere, begleiteten ihn. Er hatte auch eine Art Untergouverneur bei sich, namens Lachinal, der sein Benehmen und seine Korrespondenz leitete. Man quartierte den Prinzen in das Haus des Kammerherrn Iwan Iwanowitsch Schuwaloff ein. Dieses war erst vor kurzem fertig geworden, und sein Besitzer hatte all seinen Geschmack daran verschwendet, d. h. es war trotz seiner Kostbarkeit äußerst geschmacklos und schlecht eingerichtet. Es waren zwar viele Gemälde darin, aber meistenteils Kopien. Ein Zimmer war mit Tschinarholz ausgelegt, da aber Tschinar nicht glänzt, hatte man es gefirnißt. Dadurch wurde die Farbe gelb, doch ein unangenehmes Gelb, welches dem Zimmer ein gemeines Aussehen gab; und, um den schlechten Eindruck zu mildern, überlud man es mit schwerem, versilbertem Schnitzwerk. Von außen sah das an sich große Haus wegen der Menge seiner Verzierungen aus wie eine mächtige Alençoner Spitzenmanschette. Man gab dem Prinzen von Sachsen den Grafen Iwan Czernitscheff bei, und er wurde ganz auf Kosten des Hofes unterhalten, sowie auch von den Hofdomestiken bedient.
In der Nacht, die der Ankunft des Prinzen Karl vorausging, hatte ich eine so heftige Kolik gehabt, daß ich wohl mehr als dreißigmal zu Stuhle gehen mußte. Obwohl ich sehr geschwächt war, kleidete ich mich den folgenden Morgen an, um den Prinzen von Sachsen zu empfangen. Man führte ihn um zwei Uhr nachmittags zur Kaiserin, und, als er diese verlassen hatte, zu mir in mein Zimmer. Kurz nach ihm sollte der Großfürst eintreten. Zu diesem Zwecke hatte man drei Fauteuils an die Wand gestellt. Das mittlere war für mich, das zu meiner Rechten für den Großfürsten und das linke für den Prinzen von Sachsen bestimmt. Ich mußte natürlich die Unterhaltung führen, denn der Großfürst war nicht zum Sprechen zu bringen, und Prinz Karl war nicht gesprächig. Endlich, nach einer Unterhaltung von einer Viertelstunde, erhob sich Prinz Karl, um uns sein ungeheures Gefolge vorzustellen. Er hatte, glaube ich, mehr als zwanzig Personen bei sich, wozu sich an diesem Tage noch der polnische und sächsische Gesandte am russischen Hofe mit ihren Sekretären gesellten. Nach einer halben Stunde verließ uns der Prinz. Ich kleidete mich sofort wieder aus, um mich ins Bett zu legen, wo ich drei oder vier Tage im heftigsten Fieber zubrachte. Darauf stellten sich von neuem Zeichen von Schwangerschaft bei mir ein.
Gegen Ende April begaben wir uns nach Oranienbaum. Vor unserer Abreise erfuhren wir, daß Prinz Karl von Sachsen als Freiwilliger zur russischen Armee abginge. Doch ehe er sich dahin begab, begleitete er die Kaiserin nach Peterhof, wo man ihn sehr feierte. Dort und in der Stadt nahmen wir nicht an diesen Festlichkeiten teil, sondern blieben auf unserem Landsitz, wo er auch Abschied von uns nahm und am 4. Juli abreiste.
Ueble Stimmung des Großfürsten. — Mein Gartenfest in Oranienbaum. — Leon Narischkin erneuert seine Besuche bei mir. — Verdiente Züchtigung. — Die Schlacht bei Zorndorf, — Graf Fermor wird abberufen und Peter Soltikoff zu seinem Nachfolger ernannt. — Die Kaiserin bekommt auf offener Straße einen Krämpfeanfall. — Rückkehr in die Stadt. — Der Großfürst langweilt sich. — Er leugnet die Vaterschaft meines Kindes. — Mein Benehmen gegen meinen Gemahl. — Poniatowski wird abberufen. — Einfältiges Benehmen des Großfürsten. — Geburt meiner Tochter. — Zwei Kabinettsordres von je 60000 Rubel. — Vereinsamt!
Da der Großfürst fast immer übler Laune gegen mich war, wofür ich mir keinen andern Grund denken konnte, als daß ich weder Brockdorf noch die Gräfin Elisabeth Woronzow, die wieder anfing, Favoritin zu werden, empfing, kam mir der Gedanke, Seiner kaiserlichen Hoheit ein Gartenfest in Oranienbaum zu geben, um seine schlechte Stimmung so viel wie möglich zu vermindern. Seine kaiserliche Hoheit hatte nämlich jedes Fest gern. So ließ ich denn an einem abgelegenen Orte im Gehölz von meinem damaligen italienischen Architekten Antonio Rinaldi einen großen Wagen bauen, worauf ein Orchester von sechzig Personen, Musikern und Sängern, bequem Platz hatte. Der italienische Hofpoet mußte die Verse machen und der Kapellmeister Araja dieselben in Musik setzen. In der großen Allee wurde ein illuminiertes Transparent mit einem Vorhang angebracht, dem gegenüber die Tafel fürs Souper gedeckt war. Am 17. Juli gegen Abend begaben sich Seine kaiserliche Hoheit und alles was in Oranienbaum war, sowie eine Menge Zuschauer, die aus Kronstadt und Petersburg gekommen waren, in den prächtig illuminierten Garten. Man setzte sich zu Tisch, und nach dem ersten Gang teilte sich der Vorhang, der die große Allee verdeckte. Man sah in der Ferne das Orchester auf einem Wagen herankommen, der von etwa zwanzig mit Kränzen geschmückten Ochsen gezogen wurde, und von allen Tänzern und Tänzerinnen, die ich hatte auftreiben können, umgeben war. Die Allee war illuminiert, und zwar so hell, daß man alle Gegenstände deutlich unterschied. Als der Wagen hielt, wollte es der Zufall, daß der Mond gerade über ihm stand, was eine wundervolle Wirkung hervorbrachte und die ganze Gesellschaft angenehm überraschte, zumal da außerdem das Wetter prachtvoll war. Jedermann sprang von der Tafel auf, um die Schönheit der Symphonie und des Schauspiels voller genießen zu können. Als sie zu Ende war, fiel der Vorhang, und man setzte sich zum zweiten Gang wieder an die Tafel. Darauf hörte man Fanfaren und Zimbeln, und ein Gaukler rief plötzlich:»Meine Herren und Damen, kommen Sie hierher, in meinen Buden werden Lose für die Lotterie umsonst verteilt. «Zu beiden Seiten des Vorhangs teilten sich nun noch zwei kleine Vorhänge und man erblickte zwei hellerleuchtete Buden. In der einen verteilte man gratis Lotterienummern für das darin enthaltene Porzellan, in der andern für Blumen, Bänder, Fächer, Kämme, Geldbeutel, Handschuhe, Degengehänge und andere solche Kleinigkeiten. Als die Buden leer waren, aß man das Dessert, worauf bis sechs Uhr morgens getanzt wurde. Keine Intrige, kein unliebsamer Zwischenfall kam während meines Festes vor. Seine kaiserliche Hoheit, sowie alle, die daran teilnahmen, waren entzückt davon und priesen die Großfürstin und ihr Fest. Aber ich hatte es auch an nichts fehlen lassen. Man fand meinen Wein köstlich, mein Souper herrlich. Alles ging auf meine eigenen Kosten, und das Fest kostete mich gegen 10000 bis 15000 Rubel — man bedenke, daß ich nur 30 000 Rubel jährlich zur Verfügung hatte. Doch dieser Tag wäre mir beinahe noch teurer zu stehen gekommen, denn als ich am Nachmittag mit Madame Narischkin ausgefahren war und gerade aus dem Kabriolett steigen wollte, machte das Pferd eine Bewegung, die mich zur Erde schleuderte, und das im vierten oder fünften Monat meiner Schwangerschaft. Ich tat jedoch, als ob nichts vorgefallen wäre, blieb bis zuletzt auf dem Feste und machte die Honneurs. Dennoch fürchtete ich mich sehr vor einer Fehlgeburt, aber glücklicherweise fand nichts dergleichen statt, und ich kam mit dem bloßen Schrecken davon. Der Großfürst, seine ganze Umgebung, alle seine Holsteiner, ja selbst meine erbittertsten Feinde hörten noch viele Tage nicht auf, mich und mein Fest zu loben, denn jeder, Freund oder Feind, hatte eine Kleinigkeit als Andenken an mich davon mit nach Hause gebracht. Da es ein Maskenfest war und alle möglichen Leute daran teilgenommen hatten, war die Gesellschaft natürlich sehr gemischt gewesen. Unter andern waren eine Menge Frauen da, die sonst nicht am Hofe und in meiner Gegenwart erschienen. Alle rühmten sich nun und prunkten mit meinen Geschenken, obgleich dieselben im Grunde keinen großen Wert hatten, denn ich glaube, es war keins darunter, das mehr als hundert Rubel kostete. Aber es war eben ein Geschenk von mir, und man prahlte gern: Ich habe dies von Ihrer kaiserlichen Hoheit der Großfürstin, ach, sie ist die Güte selbst, sie hat allen Leuten etwas geschenkt, sie ist reizend; sie sah mich so vergnügt und leutselig an, es machte ihr Vergnügen, uns tanzen, essen und spazieren gehen zu sehen; wer keinen Platz hatte, bekam einen von ihr, u.s.w. u.s.w. Kurz, man fand an mir plötzlich Eigenschaften, die man vorher nicht an mir gekannt hatte, und auf diese Weise entwaffnete ich meine Feinde, Das war auch meine Absicht; es dauerte nur leider nicht lange, wie man in der Folge sehen wird.
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