Ein Teil des Jo-Jo-Effektswurde jetzt entschlüsselt. Übergewicht und Diät verändern die Bakteriengemeinschaft im Darm nachhaltig. Der Deutsche Dr. Christoph Thaiss forschte am israelischen Weizman-Institut in Rehovot und fand heraus, dass bestimmte Darmbakteriennach einer Diät eine unerwünschte Gewichtszunahmebewirken. Der Körper hat ein „Gedächtnis“ für Übergewicht, das Mikrobiom ist noch auf dick gepolt und beeinflusst den Energieumsatz. Nehmen wir zu, dann verändert sich auch die Zusammensetzung der Bakterien im Darm. Diese gewöhnen sich an die köstlichen Speisen und Dickmacher und „vergessen“ nicht so schnell, im Schlaraffenland gelebt zu haben. Die Zusammensetzung der Bakterien verschwindet deshalb nicht sofort nach einer Reduktionsdiät. Haben wir bereits abgenommen, befinden sich die auf dick gepolten Bakterien noch in unserem Darm und verlangen ihren Tribut, nämlich eine Nahrungszufuhr wie während der übergewichtigen Phase. Wir essen dann so viel wie vorher, um den „Hunger“ der Darmflora zu stillen. Die „übergewichtige Darmflora“ bleibt also auch dann noch eine Zeit lang bestehen, wenn das Gewicht bereits reduziert wurde. Besonders in den ersten Wochen nach Beendigung der Schmalkost haben sich die verwöhnten Darmbakterien noch nicht umgestellt. Bei Mäusen dauert dieser Prozess bis zu 21 Wochen. Dann erreicht die Darmflora wieder den Zustand eines normalgewichtigen Tieres. Wurden den Versuchstieren spezielle Flavonoide(sek. Pflanzenstoffe) zugesetzt, so schwächte sich der Jo-Jo-Effekt ab.
Das Normalgewicht wurde durch den Verzehr von sekundären Pflanzenstoffen früher erreicht. Eine wichtige Rolle für das Abnehmen spielen demnach die Flavonoide, da sie der Körper braucht, um das niedrige Gewicht zu halten. Eine auf Übergewicht programmierte Darmflorawirkt, beim Versuch abzunehmen, noch länger nach. Das „Mikrobiomgedächtnis“ der auf Übergewicht gepolten Darmbakterien verhindert zunächst die Wirkung der Flavonoide. Die sekundären Pflanzenstoffe, welche das Abnehmen fördern, werden von den „verwöhnten“ Mikroben eine Zeit lang zersetzt, bevor sie zur Gewichtsreduktion beitragen können. Die Darmflora selbst trägt also bei zur beschleunigten Gewichtszunahme nach einer Diät. 38
Wie lange es beim Menschen braucht, bis sich das „dicke“ Mikrobiom wieder auf Normalgewicht umgestellt hat, versucht C. Taiss in den nächsten Jahren herauszufinden. Ein wenig Geduld müssen wir noch haben. Immerhin wissen wir jetzt, dass die Bakterien bei übergewichtigen Menschen ein Gedächtnis haben.
Pille gegen Pölsterchen ?
Die magische Pille zum Abnehmen,welche die Pfunde dahinschmelzen lässt, ist noch nicht entwickelt. Seien Sie äußerst vorsichtig mit der Einnahme dieser Medikamente. Die meisten haben schwere Nebenwirkungen und wurden vom Markt genommen. Eine Wunderwaffe gegen überflüssige Pfunde gibt es nicht. Nur wenige Arzneimittel sind zugelassen. Darunter z. B. Orlistat („Xenical“), welches die Aufnahme von Nahrungsfett vom Darm ins Blut um 25 % blockiert. Außerdem konnte gezeigt werden, dass Orlistat den Blutdruck senkt. Die Einnahme sollte nur unter ärztlicher Kontrolle erfolgen. 39
Beobachtungen liegen kaum vor. Orlistat kann zu Fettstühlen, Unterbauchbeschwerden, Blähungen und Diarrhoen führen. Deshalb sind diese Pillen wenig attraktiv.
Neue Hoffnung keimt auf. Forscher aus Singapur verabreichten Mäusen ein Pflaster mit einem Wirkstoff, der diese trotz reichhaltiger Nahrung in Form hielt. Die Tiere fraßen Kalorienbomben und wurden nicht dick. Im Gegenteil schrumpfte die Fettmasse sogar. Der Wirkstoff im Pflaster verwandelte weißes in braunes Fett.Letzteres fungiert wie ein Heizgewebe und verbrennt Kalorien. Fettzellen werden schon länger als Ansatzpunkt zur Entwicklung eines Medikaments zum Abnehmen erforscht. Wie Prof. Dr. Tobias Fromme vom Leerstuhl für Molekulare Ernährungsmedizin an der TU in München berichtet, klappt der Prozess der Umwandlung des inaktiven Fetts in braune Zellen bei kleinen Säugetieren schon ganz gut. Der Forscher fand auch heraus, dass die Menge an brauner Fettsubstanz beim Menschen dreimal so groß ist wie bisher angenommen. Diese Erkenntnis entfacht das Interesse der Pharmaindustrie zur Entwicklung von „Fettverbrennern“.
Prof. Dr. Marcel Scheideler vom Helmholtz Zentrum München konnte im Experiment zeigen, wie sich menschliche weiße Fettzellen in die begehrte braune Substanz umwandeln lassen. Der Prozess wird begünstigt durch Adrenalin, Noradrenalin, Östrogene, Testosteron und Wachstumsfaktoren.
Vielleicht gelingt es – so Scheideler weiter, Fettvorläuferzellen umzupolen und eine schonende Erzeugung brauner Fettzellen zu erzielen. Es gibt bereits eine körpereigene Wirksubstanz, die MicroRNA-26, für die in Europa und den USA ein Patent erteilt wurde. Pflaster mit diesem Wirkstoff könnten direkt auf die Problemzonen aufgeklebt werden, um das darunter liegende Fett zur Schmelze zu bringen. Doch ist es noch nicht so weit. Wir dürfen gespannt sein. 40
Leben „Dicke“ länger ?
Über Jahre hielt sich die Mär, dass dickleibige Menschen im Vergleich zu Normalgewichtigen einen Überlebensvorteil hätten. Dies wurde auch noch durch wissenschaftliche Studien untermauert. Ein internationales Komitee von Forschern aus Asien, Australien, Neuseeland, Europa und Nordamerika wertete 240 Studien aus und kam zu einem völlig anderen Ergebnis. Der Haken in den bisherigen Veröffentlichungen war, dass auch dünne Raucher in die Vergleichsstudien einbezogen wurden. Rauchersind überwiegend dünner als Nichtraucher und erleiden meist schwere Erkrankungen mit starkem Gewichtsverlust am Lebensende. Werden solche Personen in Sterblichkeitsberechnungen eingeschlossen, werden diese zugunsten der Übergewichtigen verfälscht. Die „Schlanken“ kommen zu schlecht und die „Dicken“ zu gut weg. In den neuen Analysen wurden vier Millionen Probanden, die zeitlebens nie geraucht hatten und fünf Jahre nach Studienbeginn noch am Leben waren berücksichtigt. Im Verlauf von 14 Jahren waren etwa 10 % der Versuchsteilnehmer verstorben. Anders als in bisherigen Studien wiesen die korpulenten Probanden dabei die höchste und Normalgewichtige die geringste Sterblichkeit auf. Ausnahmen bestätigen die Regel. 41
Wie schläft das Gehirn ?
Wir brauchen die tägliche Bewusstlosigkeit für unser Gehirn. Wir sollten lieber nicht drehen an der inneren Uhr.Das könnte schlimme Folgen haben. Der zirkadiane Rhythmus sollte nicht zu oft unterbrochen werden. Was spielt sich aber nachts in unserem Gehirn ab ? In der Dunkelheit, wenn wir träumen oder nicht, reinigt sich unser Gehirn von dem täglich anfallenden biochemischen Müll. Hätten wir diese Ruhephase nicht, in der wir wie bewusstlos daliegen, würde sich unser Gehirn vergiften. Entsorgt werden müssen Eiweißstoffe, die sich am Tag aus dem Gehirnstoffwechsel in unserem Oberstübchen angesammelt haben. Dazu gehört auch der Proteinbestandteil Beta-Amyloid, ein „Eiweißklumpen“, der zur Alzheimer-Erkrankung führt. Bei zu viel zellulärem Unrat wird die Kommunikation zwischen den Nervenzellen gestört. Die Schalter können nicht mehr umgelegt werde. Die Informationen können nicht mehr von einer Nervenzelle auf die andere übertragen werden. Das zerebrale Netzwerk bricht zusammen. Wir vergessen scheinbar Selbstverständliches und verlieren die Orientierung. Also, wie macht das Gehirn das ? Wie befreit es sich von dem Eiweißmüll ? Dazu muss man wissen, dass der Denkapparat über ein eigenes Müllentsorgungssystem verfügt, anders als der übrige Körper, der Giftstoffe über das Lymphsystem bis zur Leber, Niere und dem Darm leitet, wo sie umgebaut oder ausgeschieden werden. Das Gehirn entsorgt bis zu sieben Gramm biologischen Müll, der tagsüber anfällt. Dazu dient das sog. „glymphatische System“.
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