Wenn wir vom Blut leben, sollten wir auf die Wohnung des Blutes achten – unser Herz und unsere Gefäße.
„Der Kreislauf tut nur seine Pflicht, solang er kreist, sonst tut er’s nicht.“ ( Wilhelm Busch, deutscher humoristischer Dichter; 1832–1908)
Entdeckt hat den Blutkreislauf William Harvey (englischer Arzt und Anatom; 1578–1657; Wegbereiter der modernen Physiologie) im 16. Jahrhundert.
Markerschütternd müssen sie gewesen sein, die Schreie der Hunde, die er mit Fesselstricken an einen hölzernen Verschlag band und deren Brustkorb er bei lebendigem Leib ohne Narkose öffnete. Er sah das schlagende Herz und ritze ein Loch in die Aorta. Blut quoll rhythmisch in hohem Bogen hervor. Aus dem Fassungsvermögen der linken Herzkammer(70 ml) und der Anzahl der Schläge (70/Minute) berechnete er die in einer Minute ausgeworfene Blutmenge (70 × 70 = 4.900 ml; 4,9 Liter/Minute).
Diese Erkenntnisse waren revolutionär, hatte man doch bis ins 18. Jahrhundert hinein der „Säftelehre“Galens angehangen ( Galen,griechischer Arzt und Anatom; 2. Jahrhundert n. Chr.; Wundarzt der Gladiatoren, Leibarzt von Marc Aurel und dessen Sohn).
Galenvertrat noch die Ansicht, dass das Blut von der Leber gebildet würde und sich von dort aus über sämtliche Organe verteilt. Galen musste es ja wissen. Schließlich führte er Eingriffe durch an zum Tode Verurteilten und experimentierte an sterbenden Gladiatoren ohne Betäubung – die Narkose war längst nicht erfunden. Die großen Verdienste Galens als einer der bedeutendsten Ärzte in der Antike neben Hippokrates (griechischer Arzt und Vater der Medizin; 460–370 v. Chr.), sei es zur Erforschung der Anatomie von Mensch und Tier oder der Zubereitung von Arzneimitteln, sollen damit keineswegs geschmälert werden.
Bei der Beschreibung des Blutkreislaufes aber lag Galen völlig daneben. Seine Vorstellung vom Blutkreislauf war Gesetz und jeder ein Ketzer, der anders darüber dachte. Ohne den Mut und Forschungsdrang des jungen Harvey wären die modernen bahnbrechenden Erkenntnisse zur Diagnostik und Therapie unseres Herz-Kreislaufsystems undenkbar gewesen. Wenn auch die Opfer lebender Tiere für diese Erkenntnis unmenschlich waren.
Es hat noch vierzehn Jahrhunderte gebraucht, bis die „Viersäftelehre“ Galens durch die Entdeckungen Harveys abgelöst wurde. (Viersäftelehre: gelbe Galle, schwarze Galle, Blut und Schleim).
Die Mischung macht’s. Galen und Hippokrates waren noch der Meinung, dass die „Ausgewogenheit“ der vier Säfte ( „Eukrasie“;griech. eukrasia, „richtige, gute Mischung“) unser Wohlbefinden bestimmt und die Ursache der Krankheiten im Ungleichgewicht der Säfte („Dyskrasie“; „schlechte, fehlerhafte Zusammensetzung“) begründet ist. Auch in unserer heutigen Sprache finden wir noch Reste dieser Lehre, wie z. B.: „Wenn ich an Montag denke, kommt mir heute noch die Galle (‚Galle‘, indogerm. ‚ghel‘, ‚gelb, grün‘) hoch.“ Oder: „Manche Menschen kommen auch saft- und kraftlos daher und andere werden grün und gelb vor Neid.“
Freilich besteht für uns wegen der mehr als grausamen Vivisektionen von Galen und Harvey keinerlei Anlass zur Überheblichkeit. Ein Blick in unsere jüngste Geschichte legt offen, welche qualvollen „medizinischen“ Versuche an Häftlingen in Konzentrationslagern ohne Narkose durchgeführt wurden. Diese Schergen experimentierten an Menschen wie an Meerschweinchen oder Mäusen.
Auch Tieren wurde und wird Leid angetan. Man denke nur an deren industrielle Züchtung, Mästung und Verwertung sowie nicht zuletzt an nicht immer notwendige Tierversuche in der Forschung.
Syrischer Gelehrter entdeckt Herz
Es war ein Arzt aus Damaskus in Syrien, der als erster das Herz anatomisch richtig beschrieb. Er nahm zum Teil die Entdeckung des Kreislaufes durch den englischen Arzt William Harvey im 17. Jahrhundert vorweg. Der Mann hieß Ibn an-Nafis (muslimischer Universalgelehrter aus Damaskus; 1213–1288 n. Chr.) und lebte vor 800 Jahren.
Er erkannte, dass sich im rechten Herzen „verbrauchtes Blut“ aus dem Körper sammelt und zum Gasaustausch(Abgabe von Kohlendioxidund Aufnahme von Sauerstoff) durch die Lunge und dann zurück in die linke Herzkammer gepumpt wird. Auch entdeckte er, dass das Herz selbst von Gefäßen – den Koronararterien – versorgt wird.
Entdecker des Cholesterins
Schon der Marburger Pathologe Friedrich Wilhelm Beneke (1824–1882) erkannte 1866 in Cholesterin die Ursubstanz allen menschlichen und tierischen Lebens.
Der menschliche Körper kann große Mengen Cholesterin selbst herstellen (2/3 der Gesamtmenge werden in der Leber, der Nebenniere, den Eierstöcken und im Dünndarm produziert und nimmt zusätzlich noch Cholesterin aus der Nahrung auf). Zwischen der eigenen Synthese und der äußeren Zufuhr besteht ein ausgeklügeltes Regelsystem. Essen wir wenig Cholesterin, wird die Eigenproduktion angeregt und umgekehrt. Besonders tierische Lebensmittel sind reich an Cholesterin. Ist der lebenswichtige Stoff im Übermaß vorhanden, wirkt er als Zündstoff für unsere Gefäße. Cholesterin geht ans Herz. Schwimmt zu viel Fett im Blut, sind alle Gefäße, auch die Koronararterien, benetzt. Ohne Cholesterin gäbe es keine Arteriosklerose.
Je höher der Cholesterinspiegel im Blut, desto höher ist die Konzentration von Cholesterin in der Gefäßwand.
Zunächst sei bemerkt: Cholesterin ist nicht schlecht – nur ein Zuviel ist schädlich.
Wie wir wissen, ist Cholesterin ein natürlicher Stoff und existiert in allen Zellen unseres Körpers.
Der Körper des gesunden Menschen enthält 140 Gramm Cholesterin. 95 % davon befindet sich in den Zellen und den Zellmembranen (Zellhüllen). Cholesterin wurde erstmals von F. Poulletier als ein Fettwachs beschrieben ( Francois Poulletier de la Salle, franz. Arzt und Chemiker; 1719–1788; isolierte als Erster Cholesterinkristalle aus Cholesterol; nicht publiziert; dokumentiert von seinen Mitarbeitern).
Erst der französische Chemiker Michel Eugene Chevreul (1786–1889; Begründer der Fettchemie) konnte die Substanz in menschlicher und tierischer Galle im Jahre 1816 nachweisen, ein Fett, welches sich nicht verseifen ließ.
Aus „Chol“ = Galle und „Sterin“ = Wachs entwickelte sich erst 1860 der Name Cholesterin. 30
90 % des Cholesterins wird vom Körper selbst hergestellt (1–2 Gramm pro Tag) und nur zum Teil über die Nahrung aufgenommen. Tiere können Cholesterin nicht resorbieren, sondern nur selbst synthetisieren.
1843 beschrieb Vogel erstmals Cholesterin in menschlicher Plaque. 31
Die Erkenntnis, dass Cholesterin als einer der Verursacher von Arteriosklerose gilt, verdanken wir der russischen Schule um Alexander Ignatowsky (russischer Pionier der Arterioskleroseforschung; 1875–1955; entwickelte als erster den Zusammenhang von cholesterinreicher Nahrung und dem Entstehen von Arteriosklerose im Experiment). 32
Nikolai Anichkow und Semen Chalatow gelten als die Väter der Arteriosklerose.
N. Anitschkow (russ. Pathologe; 1855–1964) entdeckte, zusammen mit Semen Sergeevich Chalatow (1885–1964) in St. Petersburg, dass die Arteriosklerose der Beinarterien abhängig ist von der Menge Cholesterol im Blut. 33
Die russischen Forscher sahen nach der Verabreichung von cholesterinreicher Nahrung an Kaninchen und Meerschweinchen zunächst hohe Cholesterininfiltrationen in inneren Organen und später Gefäßveränderungen.
Die chemische Identifizierung des Cholesterinmoleküls gelang erst Adolf Windaus 1928, der dafür den Chemienobelpreis erhielt.
Adolf Windaus hatte gezeigt, dass der menschliche Plaque (Ablagerungen im Gefäß) im Wesentlichen aus Cholesterin besteht (deutscher Chemiker und Biochemiker; 1876–1956; 1928 Nobelpreis für Chemie für die Erforschung der Sterine und den Zusammenhang mit Vitamin D; revidierte die Strukturformel für Cholesterol 1932).
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