Bernd Stephan
Blut, Beute und Bittgebet
Deutsche Raubritter im 13. und 14. Jahrhundert
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Inhaltsverzeichnis
Titel Bernd Stephan Blut, Beute und Bittgebet Deutsche Raubritter im 13. und 14. Jahrhundert Dieses ebook wurde erstellt bei
Prälatenmord in Fulda
Im Würgegriff des Schreckens
Bluttag in Erfurt
Pulverrauch über der Rudelsburg
Todesweihnacht in Halberstadt
Die Falle im Wildbad
Gibt's keinen Spatz, will ich Singvögel
Tumult in Straßburg
Einfall in die Altmark
Gier nach Beute
Bibliografie
Impressum neobooks
Buchische Landplacker schlitzen Abt Fingerhut auf
Ein paar Pferdelängen vor den Mauern und Türmen, welche die Residenzstadt des Fürstabts schützten, blickte Giso von Steinau noch einmal zum Himmel. An diesem Märztag 1271 trieben Wolken gegen Fulda heran, Wolken, so dunkel wie Leichentücher.
Noch vor der Abenddämmerung werden Regenschauer vom Himmel prasseln, kreisten seine Gedanken, aber da ist der Pfaffe längst tot. Der buchische Ritter zog die Kapuze, die der Südwind zauste, wieder bis über die Stirn herab.
Hinter Giso von Steinau ritten, alle wie er selbst in Kapuzenumhänge gehüllt, sieben weitere Herren von Geblüt und drei Knappen. Unter der Vermummung verbargen sie ihre Blankwaffen und den Helm, manche auch ein Kettenhemd.
Die Stadtknechte am Heertor beachteten die auf der Strata Regia näherkommenden Reiter in den Kapuzenumhängen kaum. Wozu auch? Wie immer, wenn in der Jakobskapelle ein Gottesdienst stattfand, füllten sich die Gassen Fuldas mit zahlreichen Besuchern, die von weither kamen.
Vor allem an den Tagen, an denen Abt Bertho II. von Leibolz, der wegen seiner geringen Körperhöhe nur Abt Fingerhut genannt wurde, die Messe zelebrierte, fielen die Gläubigen in die Residenzstadt ein wie Bienenschwärme in den Stock. Heute, am 18. März 1271, war ein solcher Tag.
Scheinbar gleichgültig lenkten Giso von Steinau und seine Begleiter ihre Pferde ins Torhaus. Kein Stadtknecht hielt sie auf. Dass sich unter den Kapuzenumhängen der Ankömmlinge Schwerter und Dolche verbargen, ahnten sie nicht.
Im Übrigen waren die Wächter am Heertor nicht die einzigen fuldischen Stadtknechte, die keinerlei Befürchtungen hegten. Denn was diese nicht wussten, war, dass in diesem Augenblick weitere Reitertrupps in die Stadt einsickerten: Einer durch das Peterstor im Osten, einer durch das Florentor im Süden und einer durch das Kohlhäusertor im Südwesten.
Ungehindert passierten die Berittenen die Stadttore. Niemand versperrte ihnen den Weg, niemand durchsuchte sie nach Waffen.
Es überstieg die Vorstellungskraft der Stadtknechte, sich auszumalen, dass irgendjemand vorhaben könnte, den fuldischen Fürstabt während der Messe in der Kapelle des heiligen Jakob zu ermorden. Eine solche Vorstellung wäre zu ungeheuerlich gewesen.
Doch genau diese Ungeheuerlichkeit sollte nach dem Willen von 26 Angehörigen der buchischen Ritterschaft an diesem Märztag Wirklichkeit werden.
Darauf, nämlich den pfäffischen Hänfling in den Schlund der Hölle zu stoßen, hatten die burgsässigen Herren am Brunnen zu Steinau den Schwurfinger gehoben. Die meisten Leuten im Buchengau hielten die edlen Verschworenen allerding für Heckenreiter und Landplacker.
Den Mordplan veranlasst hatte das Vorgehen Abt Berthos gegen Hermann von Ebersberg. Dieser war im Verlauf der stetigen Fehden in Buchonien gefangen genommen und auf Geheiß des Fürstabts auf dem Marktplatz zu Fulda durch Gerlach Küchenmeister enthauptet worden. Die Möglichkeit, ihn überhaupt gefangen nehmen zu können, wäre freilich nicht größer als der Fortbestand eines Holzspans im Herdfeuer gewesen, hätte ihm der Kleriker heimtückischerweise zuvor kein freies Geleit zugesichert.
So kam, was kommen musste. Seit der öffentlichen Hinrichtung glomm in Heinrich und Albrecht von Ebersberg, den Brüdern Hermanns, anhaltender Hass. Nein, der Hass auf den fuldischen Zwerg glomm nicht, er loderte wie ein Pechkranz.
Die Herren von Stand davon zu überzeugen, das vermeintliche Unrecht zu rächen, war den Brüdern nicht schwergefallen. Denn dass Bertho von Leibolz im Verlauf seiner Amtszeit zwischen Rhön und Vogelsberg 15 Ritterburgen geschleift hatte, steckte diesen noch immer in den Knochen.
Zwei Dutzend adlige Herren folgten dem Ruf der Brüder von Ebersberg und leisteten auf dem Brunnenplatz zu Steinau den Racheschwur. Die Zustimmung, das Vorhaben zu planen und anzuführen, erhielten Heinrich und Albrecht freilich nicht.
Dazu erkoren die Verschworenen Giso von Steinau. Wie auch immer: Die Zeit der Vergeltung war gekommen ...
Die Vermummten ritten durch das Heertor, unbehelligt, niemand nahm Notiz von ihnen. Die Pferdehufe klapperten auf den Steinen, mit denen der überwölbte Torgang gepflastert war.
Es geschah, als sie das Torhaus verließen. Eine Windbö, rauer als die bisherigen, fegte Eberhard von Spahl die Kapuze vom Kopf. Das zurückgerutschte Tuch flappte um seinen Nacken wie ein dunkler Wimpel.
Eberhard von Spahl grapschte nach der Kapuze und stülpte sie wieder über. Dennoch konnte er nicht vermeiden, dass sein Helm und die aus Eisenringen geflochtene Halsbrünne, die er unter dem Umhang trug, kurzzeitig sichtbar wurde.
Giso von Steinau stieß eine Verwünschung aus, als er das Ungemach sah. Er spähte in die Runde, seine Rechte tastete nach dem Dolchgriff unter dem Umhang. Hatte jemand erkennen können, was im Verborgenen bleiben sollte?
(01) Fürstäbtliche Residenz : Fulda am Rand der Rhön. Der Ort entstand aus der Gründung eines Klosters, das missionierende Mönche im 8. Jahrhundert am gleichnamigen Fluss gründeten. 1220 erhob Kaiser Friedrich II. die Äbte des Kloster zu Fürstäbten.
Jetzt, da die Heilige Messe in der Jakobskapelle unmittelbar bevorstand, hielten sich am Heertor kaum noch Besucher auf. Sein Blick fiel auf zwei gebeugte Gestalten in ärmlicher Kleidung, die sich in Richtung Abtsburg entfernten.
Doch die Burschen beachteten den Reitertrupp nicht. Auch die Torwächter benahmen sich nicht auffällig. Niemand schien von dem Missgeschick etwas bemerkt zu haben.
Der Ritter wischte mit der Rechten durch die Luft, als wolle er ein lästiges Trugbild verscheuchen. Dann setzte er den Ritt fort.
Statt den geradeaus führenden Weg zur Jakobskapelle in der Abtsburg zu nehmen, bog Giso von Steinau nun linker Hand ab. Der Reitertrupp verschwand im Gewirr der Gassen.
Nach einer kurzen Strecke gähnte in der der Reihe der Fachwerkhäuser eine Lücke. Brandgeruch hing in der Luft. Hier mochten vor nicht langer Zeit Flammen geloht haben.
Giso von Steinau zügelte sein Pferd und saß ab. Seine Begleiter schwangen sich ebenfalls aus dem Sattel.
Das letzte Wegstück zur Abtsburg wollten Giso von Steinau, Albrecht von Brandau, Konrad von Rossdorf, Eberhard von Spahl, Giso von Schenkwald und Konrad und Bertho von Luplen zu Fuß zurücklegen. Hermann von Steinau, genannt der Lange , und die Knappen würden bei den Pferden bleiben. Gerade in dem Augenblick, als die buchischen Ritter die Brandlücke verließen, läuteten von allen Kirchtürmen der Stadt die Glocken.
Auf dem Platz vor der Kapelle herrschte nahezu Leere. Vor dem Portal drängten sich noch ein paar Gläubige, die den Beginn des Gottesdienstes offenkundig verpasst hatten. Giso von Steinau und seine Begleiter warteten auf die Ankunft ihrer Spießgesellen.
Bald darauf trafen die übrigen Verschworenen vor der Kapelle ein. Giso von Steinau bedeutete ihnen, auf dem Platz zu verharren. Der zunehmende Wind zauste an ihren Umhängen.
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