»Weil es das ist. Ich meine, nichts für ungut, Avery. Du kannst ficken, wen immer du willst. Aber ja, jemanden, mit dem du arbeitest, den du nicht einmal magst? Ich verstehe einfach nicht, warum du das willst.« Brandon blickt ihn aus diesen leuchtend blauen Augen an.
Justin schenkt sich noch etwas Bier nach. »Ich verstehe es. Komm schon, Brandon.« Justin wirft Brandon einen Blick zu, der wohl sehr bedeutungsvoll sein soll. »So weißt du, dass Avery und ich nie und nimmer miteinander schlafen werden. Aber er würde dich sofort flachlegen, wenn er könnte. Was er nicht kann«, fügt Justin entschieden hinzu.
»Warum ist das plötzlich die Handlung eines schwulen Lifetime-Films?« Aber Avery versteht, was Justin ihm sagen will. Obwohl er sich nicht sicher ist, ob er Brandon genauso sieht. Er scheint zu... nett zu sein. Was anscheinend nicht Averys Typ ist. »Ich stehe nicht wirklich auf diese ganze Seitensprunggeschichte. Ich kann echt überhaupt nicht lügen. Außerdem ist Brandon mein Kollege. Was, wenn ich ihn eines Tages erpressen muss? Da darf ich mich doch nicht auf ihn einlassen.«
»Da hast du vollkommen recht, Avery.«
»Danke. Und außerdem mag ich dich.« Avery war schon immer sehr freigiebig mit seiner Freundschaft und Zuneigung, und er neigt dazu, sie relativ schnell anzubieten, nachdem er jemanden kennengelernt hat. Er mag Justin und er freut sich wirklich für sie, wenn er nicht sogar ein wenig neidisch auf das ist, was sie zusammen haben. »Aber ja. Ich denke schon. Trotzdem wollte ich noch nie mit Ratcliff vögeln. Oder Roberts.«
»Hast du sie überhaupt schon getroffen?« Brandon verzieht das Gesicht. »Sie sind alt. Sogar älter als Lacroix. Obwohl ich einmal gehört habe, wie Ratcliff... Wie heißt der Typ, der bald Partner wird? Den hat er angeschrien.«
»Dabney?«
»Ja. Ihn.« Brandon lehnt sich verschwörerisch zu ihm. »Er hat sich über die Appetithäppchen auf der Weihnachtsfeier aufgeregt. Wenn du also auf Arschlöcher stehst, könntest du ihm einen blasen. Aber ich glaube, er hat eine furchterregende Frau. Also vielleicht nicht, während sie zu Hause ist.«
Avery wäre fast an seinem Bier erstickt. »Brandon, bist du betrunken? Das bist du, oder? Wir hatten etwa zwei Bier. Das ist eine Schande.«
»Das passiert, wenn man nur Salat-Wraps isst.« Justin füllt sein Glas und macht dann dasselbe für Brandon. »Aber trink gerne mehr. Wenn du betrunken bist, wirst du anhänglich. Also, glaubst du, dass du eine Chance hast? Erzähl mir deine schmutzigsten Geschichten, Hextall. Ich bin in einer festen, monogamen Beziehung und das klingt wie eines der Videos, die Brandon auf unserem Smart-TV hat.«
»Oh, das mit dem Geschäftsmann und dem heißen Verkäufer, der seine Umsätze steigern muss.« Brandon räuspert sich. »Ich bin betrunken. Wisst ihr was? Scheiß drauf.« Er gießt sich noch etwas Bier nach. »Das ist ein gutes Video. Mir egal, was ihr davon haltet.«
»Es gibt nichts zu erzählen. Ich glaube – ich schätze, ich finde ihn einfach attraktiv.« Das ist das erste Mal, dass er es laut sagt, und es ist nicht... allzu schrecklich, aber das könnte am Bier liegen. »Aber er macht mich verdammt verrückt. Er widerspricht grundlos bei allem. Er lässt mich keinen Satz beenden. Er ändert Dinge, weil ich sage, dass ich sie mag. Es ist wie bei diesem Katy-Perry-Song, wisst ihr, welchen ich meine?«
Brandon singt ein paar Zeilen dieses Hot N Cold-Liedes, schräg und in einem absolut grauenhaften Falsett.
Justin und Avery starren ihn an, bis Brandon die beiden finster anfunkelt. »Was? Das ist in meiner Playlist fürs Joggen. Seid still. Außerdem habt ihr es erkannt.«
»Ja, aber du läufst Marathons und isst Salat-Wraps«, betont Justin. »Du bist eher der Typ für Mumford and Sons.«
»Ich habe nur zwei ihrer Songs heruntergeladen«, protestiert Brandon und zeigt dann auf Avery. »Wir reden über Averys Schwärmerei für unseren Boss. Dem ich billige Blowjobs verpasst habe.«
Justin hebt die Augenbrauen. »Die waren nicht nur billig, Babe. Das war so was wie der Schlussverkaufs-Sonderpreis für Blowjobs.«
Das muss Avery sich merken.
»Reden wir lieber noch etwas mehr über Avery«, fordert Brandon und zeigt auf ihn. »Lass meine Blowjobs aus dem Spiel.«
»Haha. Okay. Also wissen wir, ob Lacroix Mitglied im Club der Schwulen Architekten ist?«
»Er war mal verheiratet«, wirft Brandon ein. »Ich glaube, es endete ziemlich hässlich. Oder chaotisch. Vielleicht? Oder ich denke mir das aus.« Er schiebt sein Bierglas in Justins Richtung. »Ich brauche noch etwas mehr davon.«
»Das tust du ganz und gar nicht, aber okay.« Justin schenkt ihm ein und schüttelt den Kopf. »Es ist vielleicht acht Uhr, du Loser. Und das sagt nichts aus. Vielleicht haben sie sich scheiden lassen, weil er Schwänze mag. Oder so. Ich sage nur, es wirft ihn nicht aus dem Club.«
»In meiner Welt ist jeder bi«, sagt Avery und Justin stößt mit ihm an.
Brandon nimmt das Glas, das Justin ihm hinschiebt, und fixiert Avery mit einem sehr ernsten Blick. »Schlaf nicht mit Lacroix, Avery. Das wird böse enden und dann musst du dir einen neuen Job suchen. Und ich mag dich, weil du halb schwul bist und mir was von deiner Pizza abgibst.«
»Du bist mir auch sehr wichtig, Brandon.« Avery trinkt sein Glas Bier aus und obwohl er irgendwie bleiben und mehr trinken möchte – es ist ja nicht so, als würde er zu einem betrunkenen Dreier Nein sagen –, sollte er wirklich nach Hause gehen. Er ist hungrig, spürt die Erschöpfung in seinen Augen und muss morgen in Topform sein, um mit Lacroix fertigzuwerden.
Avery steht auf, streckt sich und reibt sich mit dem Handballen über die Augen. »Ich sollte gehen. Aber das hat Spaß gemacht. Es war schön, dich kennenzulernen«, sagt er aufrichtig zu Justin und hält ihm die Hand hin. »Ich habe großartiges Erpressungsmaterial über Brandon gesammelt und du bist ziemlich cool.«
»Win-win. Und hey, Avery, wenn du deinen Boss vögelst und das Ganze zu einer Melrose Place-Folge wird, kannst du bei mir arbeiten.« Justin schüttelt ihm die Hand. Er hat einen guten, festen Händedruck.
Scheiße. Warum kann er sich nie in nette Typen wie Justin verlieben? Oder Brandon, der mit seinem leicht herrischen Auftreten eigentlich eher sein Typ ist?
Und warum zum Teufel hat er das gerade gedacht? Sich verlieben? Nein. Scheiß auf alles. Er ist müde und das ist im Moment seine Entschuldigung. Er mag Lacroix nicht einmal. Er wollte ihn in den letzten vierundzwanzig Stunden etwa sechzehn Mal schlagen.
Ja. Und wie oft wolltest du für ihn auf die Knie gehen?
Okay. Es ist nicht fair, dass seine innere Stimme nicht so müde wird wie er. Avery ignoriert sie und bedankt sich bei Justin für das Beinahe-Jobangebot. Dann holt er etwas Geld aus seiner Brieftasche. »Wir sehen uns am Montag«, sagt er zu Brandon, der sich auf dem Stuhl breitmacht, mit dem Finger am Rand seines Bierglases entlangfährt und Justin einen Blick zuwirft, der nicht in die Öffentlichkeit gehört.
»Ich begleite dich hinaus«, sagt Brandon, als wären sie bei ihm zu Hause in seinem Wohnzimmer. Im Jahr 1953.
»Ich finde den Ausgang schon«, sagt Avery trocken. »Ich bin nicht so betrunken wie du.«
Hinter ihm vertauscht Justin heimlich Brandons Glas mit seinem eigenen, leeren Glas. Er hält sich den Finger an den Mund, als er Avery dabei erwischt, wie er ihn beobachtet.
»Is' okay. Ich muss sowieso aufs Klo. Bin gleich wieder da, Babe«, sagt er zu Justin. »Mach nicht die Sache, bei der du unsere Gläser vertauschst und denkst, ich würde es nicht merken. Denn das werde ich.«
»Das mache ich nie. Was meinst du?« Justin nippt mit großen Augen an Brandons Bier.
Brandon geht mit Avery zum vorderen Bereich der Bar, legt dann einen Arm um ihn und lehnt sich zu ihm – anscheinend ist es Zeit für ein verschwörerisches Gespräch unter Alkoholeinfluss. Er sagt: »Ich bin froh, dass du kein Problem mit Justin und mir hast. Außerdem… Scheiße. Warum bin ich betrunken? Ich mache so was nicht... normalerweise nicht.«
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