»Japp. Ich hab den Nudelsalat mitgebracht«, antwortet Justin, ohne mit der Wimper zu zucken.
Avery hebt anerkennend seine Bierflasche. »Der war wirklich gut. Ich mochte den Bacon.«
»Es war sogar ein echter. Nur Architekten, die hetero sind, tun Baconstrips in ihren Nudelsalat.« Justin lächelt. »Ich hab es auf das echt schweinische Zeug abgesehen.«
»Geht uns das nicht allen so?« Avery lacht und stößt mit Justin an.
»Oh, das war eine großartige Idee«, sagt Brandon und seufzt. »Euch einander vorzustellen. Und Avery, du erinnerst dich an den Vertrag für dieses Sportstadion in New Jersey? Dieses echt wichtige Projekt, das vor ein paar Jahren aktuell war?«
Avery nickt. Natürlich tut er das. Es hat ihre ganze Firma monatelang vereinnahmt, schließlich wollte jeder Architekt und Sportfan bei Ratcliff and Roberts von sich sagen können, dass er an der neuen Arena beteiligt gewesen war. Auch wenn sie in New Jersey stand.
Sie hatten es bis in die letzte Runde geschafft und dann gegen Durham and Sikes verloren, einen Konkurrenten, der mit zahlreichen Verträgen aus der Sache herauskam, auf die Ratcliff and Roberts geboten hatte.
Auf einmal macht der Hatfields & McCoys-Kommentar ein wenig mehr Sinn. »Du bist also bei Durham, nehme ich an?«
Justin nickt. »Japp.«
»Das muss die Hölle für euer Privatleben gewesen sein.« Avery sieht zu, wie die beiden einen Blick wechseln, und versteht plötzlich. »Moment. Habt ihr euch so kennengelernt?«
Brandon reibt sich verlegen über den Nacken. »Er war in ihrem Designteam. Ja.«
»Brandon, du steckst wirklich voller Überraschungen. Und ich dachte schon, du wärst so was wie ein Engel. Und jetzt gehst du mit verfeindeten Architekten aus. Wow. Ich lag ja so falsch. Als Nächstes erzählst du mir noch, dass du Typen im Bett fesselst und auspeitschst und so einen Scheiß.«
Justin verschluckt sich an seinem Drink und Brandon errötet leicht und wirft seinem Freund einen Blick zu, der ganz eindeutig Sag kein Wort bedeutet. Das ist irgendwie heiß.
»Moment. Bist du geschickt worden, um ihn auszuspionieren? War es so was wie sexy Architektenspionage?« Avery beugt sich vor und stützt die Ellenbogen auf dem Tisch ab. »Erzähl mir davon. Das ist besser als der Spice Channel.«
»Oh Mann. Alles ist besser als der Spice Channel«, wirft Justin ein.
»Ich kann das Abo kündigen. Ich dachte nur, dass du hin und wieder vielleicht einen Porno mit Frauen sehen möchtest«, murmelt Brandon abwehrend. »Man sollte meinen, dass die meisten Leute es zu schätzen wüssten, wenn ihr Freund sich so für ihre Bisexualität einsetzt.«
»Bran, wir haben Internet und einen Smart-TV. Wir brauchen diesen Sender nicht. Und nein, es gab keine sexy Spionage. Aber das klingt gut, oder?« Justin grinst seinen Freund träge an. »Lass uns den Leuten erzählen, dass es so war.«
Brandon verdreht wieder die Augen. »Nein. Keine Spionage. Wir haben uns in einem – woanders getroffen. Das hatte nichts mit Architektur zu tun. Wie dem auch sei, Justin hatte eine Mitgliedskarte des Clubs der Architekten, die sich nicht eingestehen, dass sie schwul sind oder wie auch immer man ihn nennt.«
»Dieser Teil der Geschichte ist langweilig, da komme ich rüber, als wäre ich dumm«, verkündet Justin.
»Was ist mit dem Teil, wo ihr euch an einem geheimen Ort getroffen habt, über den ihr mir nichts erzählen wollt? Ich finde, der interessanteste Teil der Geschichte ist der, den ihr zu verstecken versucht. Also spuckt es aus.«
»Oh.« Justin untersucht seine Bierflasche genauestens, bevor er zu Brandon hinübersieht. Es ist offensichtlich, dass er auf etwas wartet, und Avery braucht eine Weile, um herauszufinden, worum es sich handelt. Erlaubnis.
Brandon gibt sie ihm offensichtlich nicht und zwischen den beiden entsteht ein aufgeheizter, intensiver und sehr, sehr heißer Moment. Avery sagt nichts, weil er sie nicht unterbrechen möchte, und auch, weil es ihn irgendwie anmacht, ihnen zuzusehen. Er hat eine lange Woche hinter sich. »Hey, ihr müsst es mir nicht sagen. Ich bin nur eine Nervensäge.«
»Wir hatten einen One-Night-Stand, ohne sonst viel voneinander zu wissen«, erklärt Brandon, auch wenn das auf jeden One-Night-Stand zutrifft. Oder zumindest auf alle von Avery. »Dann gab es dieses Treffen aller Büros, die es in die letzte Runde geschafft hatten. Und wir haben uns erkannt und… ja. Überraschung.«
»Und jetzt habt ihr ein Abo des Spice Channel, besitzt einen Smart-TV und es ist Liebe.« Avery lächelt die beiden an und klimpert mit den Wimpern. »Das ist wirklich romantisch. Es ist wie –«
»Wenn du einen Fountainhead-Witz machst, schlage ich dir ins Gesicht.«
Avery schnaubt empört. »Hatte ich nicht vor.« Hatte er allerdings. »Egal, das ist ziemlich toll. Freut mich für euch. Echt.«
Die Kellnerin kommt zurück, um ihre Bestellungen aufzunehmen, und sie einigen sich auf einen Krug eines vor Ort gebrauten Indian Pale Ales. Als sie alle eine neue Runde vor sich stehen haben, wendet Justin sich an Avery und sagt fröhlich: »Also, Avery. Brandon sagt, dass du auf deinen Chef stehst.«
»Oh, sagt er das, ja?«
»Mhm. Heiß. Oder das wäre es, wenn… Na ja, Geschmäcker sind verschieden.« Justin tätschelt ihm den Arm. »Ich stehe auf heiß und blond. Du auf… ältere französische Arschlöcher?«
»Justin ist kein Fan von Lacroix.«
»Ist mir gar nicht aufgefallen.« Avery mustert Justin genau. »Warum nicht?«
»Lacroix ist wirklich gut in dem, was er tut. Er ist schon lange in der Branche, aber er ist berüchtigt dafür, dass es schwer ist, mit ihm zu arbeiten.« Justin zuckt mit den Schultern und schiebt sein Glas hin und her, von Hand zu Hand. Es ist seltsam faszinierend. »Er sitzt immer in irgendeinem Gremium und findet einen Weg, den Fortschritt zu stoppen oder aus Spaß an der Freude eine Million verschiedene Beschränkungen einzubauen. Oder so kommt es mir zumindest vor.«
»Ah ja. Vage Geschäftsklischees.« Avery nickt verständnisvoll. »Ich möchte wetten, dass er bei seinem Weg die Karriereleiter hinauf auch einigen Leuten auf die Füße getreten ist. Über Leichen gegangen ist. Den ein oder anderen vom Gipfel des Erfolges hinuntergestoßen hat. So was in der Art. Langsam wird das alles klarer.«
»Siehst du. Ich hab's dir ja gesagt«, meint Brandon und nickt zu Avery. »Süß, aber nervig.«
»Du findest mich süß? Ach, Brandon. Danke. Aber ich mag dich nur als Freund.« Avery nimmt einen Schluck von seinem Bier. Es ist vielleicht schon ein bisschen schön zu hören, dass ihn jemand süß nennt. Fuck. Er muss dringend flachgelegt werden.
Justin zuckt mit den Achseln. »Ich weiß nur nicht, ob du eine lange Liste mit Einzelheiten hören willst. Aber... ja. Er ist wirklich gut darin, Dinge ohne Grund komplizierter zu machen. Sogar bei Projekten, die nichts mit ihm zu tun haben. Wir vermuten, es ist aus reiner Boshaftigkeit, aber wer weiß.«
Avery befindet sich in der seltsamen Lage, mit Justin einer Meinung zu sein, aber völlig unfähig zu sein, das auch zu sagen. »Hm«, ist so ziemlich alles, was er zustande bringt.
»Ich respektiere den Mann, aber ich wünschte, er würde sich einem anderen Büro ganz weit weg anschließen. Vielleicht an der Westküste. Aber wir reden hier nicht über die Arbeit. Wir reden darüber, dass du ihm an die Wäsche willst.« Justin macht eine unterirdische Tanzbewegung mit seinen Armen. »Es klingt für mich, als würdest du ihn nicht mögen. Du willst nur mit ihm schlafen.«
»Ja!« Avery stellt sein Bierglas mit so viel Schwung ab, dass er etwas von seinem IPA verschüttet. »Gott. Okay. Ich frage immer wieder Leute, ob das komisch ist, und sie sagen, es ist komisch.« Damit meint er, dass er eine Textnachricht an Everett geschickt und sich dabei nicht wirklich erklärt hat, aber wie dem auch sei.
Читать дальше