1 ...6 7 8 10 11 12 ...27 „Schön. Leg jetzt dein Kleid ab!“
Natürlich. Dass es beim Schmuck nicht bleiben würde, war so folgerichtig wie das Herunterfallen des Rings, für den es kein Entrinnen vor der Schwerkraft gab. Sie bog die Arme auf den Rücken und griff zum Reißverschluss.
Schneidend klar durchschnitt die Stimme der „Herrin“ die Stille. „Claudia: Regel vier.“
Einen winzig kleinen Moment musste Claudia überlegen oder die Scheu überwinden oder beides, dann erklang leise ihre rauchige Stimme: „Regel vier: Jede empfangene Anweisung ist von den Mädchen unter Beachtung der Regel drei zu bestätigen.“ Verschämt senkte sie den Blick.
Wieder richtete sich der Blick der Herrin auf Silvia. „Du weißt nun also Bescheid. Also versuchen wir es noch einmal: Leg dein Kleid ab!“
Auch wenn Silvia nicht wissen konnte, was unter Beachtung der Regel drei zu verstehen war, gab es keinen Zweifel daran, was von ihr verlangt wurde. Doch fiel es furchtbar schwer, die Worte der Unterwerfung über die Lippen zu pressen: „Ja, meine Herrin, ich lege es ab.“ Sie sah das zufriedene Nicken der Frau und griff ein zweites Mal zum Reißverschluss, zog ihn herab, streifte die Träger von den Achseln und ließ das Kleid zu Boden sinken.
„Nun den Rest!“
„Ja, meine Herrin.“ Zögernd hakte sie den BH auf, ließ ihn resigniert aufs Kleid fallen, bot die vollen runden Brüste all den vielen Blicken dar. Sie beugte sich etwas nach vorn und löste die Strümpfe von den Strapsen, was weniger schwerfiel, da sie ja sowieso nichts verhüllten, nur aufreizend aussehen ließen, streifte sie von den Beinen und nahm den Strapsgürtel von der Taille. Zum allerersten Mal in ihrem Leben hatte sie fremden Augen einen Striptease geboten, es war leichter gewesen als befürchtet, auch wenn vielleicht nicht sonderlich elegant. Splitternackt stand sie im Raum und verstohlen legten sich ihre Hände vor den Schoß.
Wieder näherte sich der blonde Aufseher, nun mit silbern schimmernden Bändern in Händen. „Eines der Zeichen, die deinen Status bekunden“, erklärte die Herrin. „Du wirst diese Bänder hier im Haus ständig tragen. Wir nennen dich Mädchen, doch meinen wir damit, dass du unsere Sklavin bist. – Hast du das verstanden, Silvia?“
Silvia fühlte sich wie in Watte gepackt. Die Worte vernahm sie wohl, ihren Sinn zu begreifen aber weigerte sich ihr Geist. Nein, sie war keine Sklavin, spielte sie vielleicht für einige Zeit, weil ihr keine andere Wahl blieb, das war alles. Doch war nicht der rechte Moment für eine solche Erklärung. „Ja, meine Herrin, ich habe verstanden.“
„Und was hast du verstanden?“
„Dass ich von nun an … Eure … Sklavin bin.“
„Nicht nur meine, sondern auch und vor allem die deines Gebieters. Denn um dir das begreiflich zu machen, bist du hier. Es wäre gut für dich, das niemals zu vergessen.“ Während ihrer Worte klappte der Blonde das größte der Bänder auf und legte es um Silvias Hals, kühles Metall, das sie frösteln ließ. Silberhell rastete das winzige Schloss ein, war ohne Schlüssel nicht mehr zu öffnen. Auch die Hand- und Fußgelenke wurden umschlossen, reglos ließ sie es geschehen, wie gelähmt. Das also war das alles, für das Wolfgang ihre Maße genommen hatte. Wolfgang! Wenn er sie jetzt sehen könnte, was er wohl empfinden würde, ob ihm ihre Unterwerfung peinlich wäre oder er sich über ihren Anblick freuen würde? Beides wohl und Letzteres vermutlich ein bisschen mehr, denn er war ja nur ein Mann. Und ihr „Gebieter“ von jetzt an? Aber es war doch nur ein Spiel, so hatte er versichert. War es das wirklich? Spielte sie die Sklavin tatsächlich nur oder wurde sie nicht doch zu einer, ob sie wollte oder nicht? War die stille Fügsamkeit der Mädchen nicht ebenso echt wie die Anwesenheit der Aufseher und der mächtige Zauber der Herrin? Sehr real waren auch die metallenen Bänder. Sie passten genau, wie angemessen, sie saßen weder zu locker noch zu eng, sie scheuerten nicht, rutschten nicht, schnitten nicht in die Haut, waren fast nicht zu spüren, lasteten aber tonnenschwer auf der Seele.
Der dunkelhaarige Aufseher brachte ihr ein weißes Gewand, sie streifte es wie ein Büßerhemd über und schlang mit zaghaften Fingern die weißen Bänder zu Schlaufen, die es vorn herab verschlossen. Sie war damit noch nackter als mit gar nichts an, denn es offenbarte ihre Hilflosigkeit, machte sie zu einem der artigen Mädchen. Sie musste ihre schwarzen Schuhe mit den halbhohen Absätzen gegen weiße Stöckelschuhe tauschen und war dann von den anderen nicht mehr zu unterscheiden.
„Und nun das Wichtigste“, sagte die Herrin (die Silvias Geist nun ohne Anführungszeichen so nannte). Sie hielt ein dünnes großformatiges Buch in Händen, das in Leder gebunden war und der Speisekarte eines Restaurants ähnelte. „Das Buch der Regeln.“ Sie überreichte es Silvia so feierlich, als handele es sich um die Zehn Gebote. „Beschäftige dich damit. Ich erwarte von dir, dass du Regel zwanzig ab Donnerstagmorgen befolgen kannst. Hast du verstanden, Silvia?“
„Ja, meine Herrin …“
„Maria, zitiere Regel zwanzig, damit Silvia begreift, worum es geht.“
Maria war eine schlanke, kleinbusige Frau mit brünettem, halblangem Haar, braunen großen Augen und zartem, sensiblem Gesicht. Sie zögerte, schien sich ihrer Sache nicht sicher, musste überlegen und hob mit nervöser Stimme zu sprechen an: „Regel zwanzig: Die Mädchen müssen in der Lage sein, alle aufgeführten Regeln einschließlich der Ausnahmen und Unterregeln … ähm, auswendig zu können … und sie sollen …“
„Genug“, unterbrach die Herrin. „Du kannst es nicht. – Du weißt, was das bedeutet?“
„Ja, meine Herrin, ich weiß.“ Betreten senkte Maria den Blick.
„Zur Strafe erhältst du zehn Peitschenhiebe, morgen zur üblichen Zeit am üblichen Ort.“
„Ja, meine Herrin.“ Furchtsam bebten Marias Lippen.
So also brachte man den Mädchen Gehorsam bei! Eine kalte Hand umfasste Silvias Herz. Die Herrin bedachte Maria mit einem bedauernden Blick, als würde die Unvermeidlichkeit des Urteils ihr selbst leidtun, und wandte sich an die Größte der vier, ein blondhaariges Mädchen mit üppigen Brüsten und einem Gesicht, das mit den vollen Wangen, der Stupsnase und den blauen Augen an eine Puppe erinnerte: „Isabel! Wie lautet Regel zwanzig?“
„Die Mädchen müssen in der Lage sein, alle aufgeführten Regeln einschließlich des Vorworts, der Anmerkung sowie der Ausnahmen und Unterregeln wortwörtlich ohne Zögern und ohne Stocken aufzusagen.“ Ohne Zögern und Stocken hatte Isabel die Regel aufgesagt mit heller, aber fester und erstaunlich selbstbewusster Stimme.
Die Herrin nickte zufrieden und ihr Blick richtete sich auf Silvia. „Du siehst also, weshalb das Lernen der Regeln notwendig ist. Sie zu beherrschen liegt in deinem eigenen Interesse.“ Entspannt wurde ihre Miene und ihr Blick schweifte über die Mädchen hinweg. „Ihr könnte ins Kaminzimmer gehen. Seid nett zu Silvia und nehmt sie unter die Fittiche, damit sie sich schnell eingewöhnt. – Ich wünsche euch einen schönen Abend.“
Die Mädchen bedankten sich mit einem ergebenen Knicks und folgten dem blondhaarigen Aufseher in ordentlicher Reihe nach draußen, mit Silvia im Schlepptau, die das Regelbuch an sich presste, als fände sie daran Halt.
Das Kaminzimmer befand sich gleich nebenan und war etwas wohnlicher eingerichtet als der Blaue Salon. Hier gab es einige lederne Sessel und mehrere Sofas, auch diese aus dunklem Leder, dazwischen runde kleine Tische. Seinen Namen erhielt der Raum von einem offenen, fast frauhohen Kamin, in dem man ein Feuer von den Ausmaßen eines Großbrandes entfachen und halbe Wälder verbrennen konnte, wenn man wollte. Aber natürlich wollte das niemand an einem lauen Frühsommerabend wie diesem, an dem eine Bodenheizung zur Schaffung angenehmer Temperaturen durchaus genügte. Eine edle Wanduhr verbreitete mit ihrem rhythmischen Ticktack und dem gelassenen Hin und Her des Pendels eine entspannte Atmosphäre und eine Regalwand, mit Büchern reich gefüllt, erstreckte sich links der Tür bis hoch zur Decke und fast über die gesamte Breite des Raumes. Rechts der Tür stand ein großer schwarzer Barockschrank und auch von hier aus sah man durch hohe Fenster in den prächtigen Park.
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