Niemand tanzte. Die Bar war bunt. Sie war laut. Sie war exotisch. Sie war deprimierend. Ein Kellner nahm ihre Bestellung auf. Die Getränke kamen an den Tisch. Carter nahm einen Schluck aus der Flasche und sah auf das Etikett. Castel, die selbsternannte ›Königin der Biere‹. »Nicht übel.«
»Willst du probieren?« Selena hatte einen Amarula, einen afrikanischen Likör, der wie Baileys und Khalua schmeckte, gemischt mit Schokolade. Wie ein alkoholischer Milchshake.
»Nein, danke. Da kommt auch schon unser Pilot.«
Ein Mann kam durch die Tür der Bar, nur eine Silhouette im gleißenden Sonnenlicht. Er war nicht groß, aber er strahlte Selbstvertrauen aus. Er hatte kurz geschnittenes, schwarzes Haar und wirkte wie ein Ex-Militär, dessen Dienstzeit noch nicht lange zurücklag. Er trug khakifarbene Kleidung, die aus einem Armeeladen oder einem L.L. Bean stammen mochte. Sein Name war Joe Harmon. Carter hatte Selena gebeten, ihn vorab zu überprüfen. Er war ein Pilot ohne Flugzeug. Das ausgebrannte Wrack, das sie bei ihrer Ankunft auf dem Timbuktu International gesehen hatten, war seine letzte Maschine gewesen. Harmon war in der Army gewesen, ein Hubschrauberpilot, der als WO-3, Chief Warrant Officer Cl. 3, den Dienst quittiert hatte. Kampferfahrung im Irak und in Afghanistan. Ein Mann nach Nicks Geschmack. Er hob die Hand. Harmon kam auf sie zu und setzte sich zu ihnen.
»Selena, das ist Joe Harmon.«
»Ist mir ein Vergnügen.«
Carter bemerkte, wie Harmon sie unauffällig musterte. Es überraschte ihn nicht. Jedes männliche Wesen, das noch etwas Leben in sich hatte, hätte sie abgecheckt. Er winkte den Kellner herbei und Harmon bestellte ein Bier. »War ziemliches Pech mit Ihrem Flugzeug.«
»Stimmt. Bin direkt in einen Haboob geraten. Die Motoren fraßen Sand und schon ging es abwärts.«
»Was ist ein Haboob?«, fragte Selena.
»Ein besonders übler Sandsturm. Der schlimmste, den ich je erlebt habe. Ich kam aus Burkina Faso mit einer Ladung Schweißzubehör. Hatte nicht genug Sprit, um einfach umzudrehen. Hätte es auch beinahe geschafft.« Er zuckte mit den Achseln, als wäre es keine große Sache. Aber Carter wusste, dass Harmon hier gestrandet war.
»Ihre Versicherung wollte nicht zahlen. Muss ein schwerer Schlag gewesen sein.«
»Woher wissen Sie das?«
»Wir haben Sie natürlich überprüft.«
»Sind Sie von der CIA?«
»Nein, aber wir haben gute Verbindungen und würden Ihnen gern ein Angebot machen.«
Harmon trank aus seiner Flasche. »Dann lassen Sie mal hören.«
»Wir brauchen jemanden, der uns nach Norden fliegt, nach Algerien. Wir wollen uns dort nur etwas umsehen und versuchen, ein bestimmtes Fahrzeug aufzuspüren.«
»Ist das Gebiet der AKIM.«
»Das Fahrzeug könnte Teil einer al-Qaida-Operation sein.« Carter wollte Harmon gerade genug Informationen geben, um ihn neugierig zu machen. Er hatte eine saubere Militärakte. Nick vermutete, dass ihm sein Land nicht egal war.
»Sie sind doch von der Agency«, sagte Harmon.
»Nein, aber so ähnlich. Es ist wirklich wichtig für uns, diesen Lastwagen zu finden. Wir müssen nichts weiter tun, als versuchen, ihn zu finden. Vom Boden aus geht das nicht. Wir brauchen den Blick aus der Luft. Und wir möchten keinen der Einheimischen einsetzen.«
»Die würden Sie da sowieso nicht hinbringen.«
»Können Sie ein Flugzeug besorgen?«
»Das kann ich tatsächlich.« Gedankenverloren zeichnete er mit seiner Bierflasche Ringe auf die Tischplatte. Carter wartete ab.
Selena beobachtete die beiden Männer. Sie vermutete eines dieser Männerrituale. Zwei Löwen, die sich umkreisten. Sie hielt sich lieber da raus.
»Hier in der Stadt soll es eine alte französische Maschine geben. Der Mann, dem sie gehört, ist Mechaniker. Hab sie mir noch nicht angesehen. Er sagt, sie sei in gutem Zustand, aber er kann sie selbst nicht fliegen. Er ist durch eine Augeninfektion erblindet, die er sich vor Jahren am Fluss geholt hat. Er würde mir die Maschine vermieten. Ist ein Viersitzer.«
»Ein blinder Mechaniker?«
»Genau.«
»Ein alter französischer Viersitzer?«
Harmon nickte.
Carter dachte nach. Ein altes Flugzeug und ein blinder Mechaniker. Irgendwie passend.
»Was würden Sie zahlen?« Harmon winkte den Kellner herbei.
»Fünfhundert pro Tag, ab heute. Sie fliegen uns da rauf. Wir sehen uns um. Wir fliegen zurück. Das war’s.«
»Euro oder Dollar?«
»Dollar.«
»Wer zahlt für das Flugzeug, die Vorräte und den Sprit? All das kostet Geld.«
»Wir kommen für alles auf.«
Harmon spielte wieder mit seiner Flasche. »Vielleicht könnten Sie mir da bei einer Sache behilflich sein. Mit Ihren Verbindungen.« Carter horchte auf. »Es gibt da einen Bullen namens Samake. Ist beim Sicherheitsdienst, dem hiesigen Geheimdienst, aus Bamako.«
»Wir sind ihm begegnet.«
»Ich hatte zweihundert Flaschen Sauerstoff und Acetylen im Frachtraum, als ich abstürzte. Die Maschine fing Feuer. Ich rannte wie der Teufel und die Maschine ging hoch. Jetzt denkt Samake, ich hätte Material für Terroristen an Bord gehabt. Irgendwelchen Sprengstoff. Er hat meinen Pass behalten. Bis zum Abschluss der Untersuchungen, sagte er. Sie holen ihn mir wieder und mich raus aus diesem Drecksloch, dann sind wir im Geschäft.«
»Ich denke, das lässt sich arrangieren. Aber wir müssten uns zuerst das Flugzeug ansehen.«
»Klingt fair. Wie wäre es, wenn wir uns morgen vor dem Hotel de Colombe treffen und es uns anschauen? Sie wissen doch, wo das Colombe ist?«
»Wir wohnen dort.«
Harmon leerte seine Flasche. »Morgen früh um sieben. Bevor es richtig heiß wird.« Er deutete auf die leeren Flaschen auf dem Tisch. »Die gehen dann wohl auf Sie.«
Sie kehrten in ihr Hotel zurück und besorgten sich etwas zu essen. Sie waren in Carters Zimmer. »Ich möchte morgen noch einmal in die Bibliothek.« Selena saß auf einem der Betten. Sie ließ die Finger durch ihr Haar gleiten.
»Willst du dir nicht das Flugzeug anschauen?«
»Dafür brauchst du mich doch nicht. Es gibt dort eine Kopie aus dem 16. Jahrhundert, von einem Handelsjournal, das noch zu Lebzeiten von Mohammed verfasst wurde, die ich mir ansehen will.« Selena prüfte die dünne Matratze, auf der sie saß. »Diese Betten sind ziemlich schmal.« Nick stand dicht neben ihr. In ihren Lenden pulsierte die Erregung. »Aber vielleicht nicht zu schmal.« Sie griff nach seinem Hosenbund und zog ihn zu sich heran. »Komm her«, sagte sie. Selena löste seinen Gürtel und zog ihm die Jeans über die Hüften. Keine Shorts. Nick trug nie Shorts. Sie liebte es, ihn anzuschauen, wenn er erregt war, so ganz nah. Sie genoss die Vorfreude. Sie griff nach oben und nahm ihn in die Hand, knetete und rollte ihn zwischen ihren Handflächen.
Er wollte nach ihr greifen, aber sie schlug seine Hand weg. Nach einer Weile stand sie auf, begann ihre Bluse aufzuknöpfen und legte dann den Rest ihrer Kleidung ab. Er zog sie zu sich heran und ließ seine Hände über ihren Körper wandern. Er hatte raue, starke Hände. Sie spürte das Pochen ihres Herzens, seinen Atem auf ihrer Haut und die Wärme darin. Sie spürte das Narbengewebe an seiner Seite, seiner Hüfte und seinem Rücken. Sie begehrte ihn. »Gib auf meine Rippen acht«, wisperte sie. Sie küssten sich, ein hungriger, verzehrender Kuss. Sie biss in seine Lippe. Sie bewegten sich auf das Bett zu. »Auf den Rücken, Johnny.« Selena stieß ihn rücklings aufs Bett und senkte sich dann auf ihn herab. Sie hielt ihn unten, massierte ihn, setzte sich auf und begann ihn zu reiten. Sie warf den Kopf in den Nacken und ihr Becken tanzte, immer schneller, bis er aufschrie und sich entlud, tief in sie hinein. Sie stieß einen gutturalen Laut aus und kam mit ihm.
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