»Ich … werde unverzüglich Boten aussenden, um in Anvalon und allen anderen Städten nach dem Mörder suchen zu lassen«, versprach Peredin. Er klang betroffen und zugleich gefasst. »Wir müssen einen Rat einberufen und Verfolger ernennen, die …«
» Wer hat ihr das angetan?«, fuhr Athanor auf. Der Zorn trieb ihn auf die Beine. Der Erhabene verschwieg ihm etwas. Er spürte es. Wütend starrte er ihn an.
»Es gibt Hinweise, aber wir dürfen nicht …«
»Sie ist am Morgen mit Davaron fortgeritten«, fiel Merava ihrem Mann ins Wort. »Aphaiya hatte eine Vision, dass ihrer Schwester Gefahr von Harpyien drohe, deshalb haben wir ihr einige Reiter nachgesandt. Am Ende der Fährte fanden sie nur Elanyas Pferd und … sie selbst – auf dem Felsen, auf dem Davarons Frau starb.«
Davaron! »Dieser von allen Göttern verfluchte Bastard!«
Peredin hob beschwichtigend die Hände. »Noch wissen wir nicht …«
»Wollt Ihr mir weismachen, das sei eine Harpyie gewesen?«, herrschte Athanor ihn an.
»Vielleicht ist Davaron in diesem Augenblick dem wahren Mörder auf der Spur. Wir dürfen nicht vorschnell ur…«
Athanor hörte nicht mehr zu. Furchtsam wichen die Elfen ihm aus, als er entschlossen durch die Menge schritt. Sollten sie in ihrem Rat so lange palavern, wie sie wollten. Sie war mit Davaron fortgeritten, und nun war sie tot. Hatte der Bastard nicht stets wüste Drohungen ausgestoßen, damit sie seine Geheimnisse nicht verriet? Er würde ihn finden und die Wahrheit aus ihm herausprügeln, bevor er ihn an den Eiern zum Ausbluten aufhing.
* * *
Athanor hörte jemanden hinter sich herangaloppieren und warf einen Blick über die Schulter, ohne sein Pferd anzuhalten. Zwischen den hohen Bäumen tauchte Vindur auf, der bei seinem Anblick hektisch auf seinem Reittier herumhampelte. Dass der Braune dennoch langsamer wurde und nicht an Athanor vorbeischoss, war wohl nur der Gutmütigkeit der Elfenrösser zu verdanken.
»Baumeisters Bart«, schnaufte Vindur. »Du hättest wenigstens auf mich warten können. Ich musste mich von Elfen aufs Pferd hieven lassen!«
»Welch grausames Schicksal«, knurrte Athanor.
Beschämt senkte Vindur den Blick. Zufrieden sah Athanor wieder auf die Hufabdrücke hinab, denen er folgte. Durch den Trupp, der Elanya hatte retten wollen, waren die Spuren so deutlich, dass sie selbst Aphaiya nicht entgangen wären.
»Du kannst so viel auf mir herumhacken, wie du willst«, verkündete Vindur. »Aber glaub bloß nicht, dass ich dich diesen Ogersohn allein zur Strecke bringen lasse! Der Kerl ist ein heimtückischer Zauberer. Du wirst meine Hilfe brauchen.«
»Ich habe ihn schon einmal besiegt.« Bei der Erinnerung ballte Athanor die Fäuste. Warum hatte er ihn damals nicht verbluten lassen? Umgekehrt hätte Davaron ihn getötet. Um Elanya nicht zu enttäuschen, hatte er das Leben dieses Dreckskerls verschont. Fast konnte er den Dunklen darüber lachen hören. Dieser Schweinegott gewinnt immer. Ob ich töte oder nicht. Den Dunklen musste er damit durchkommen lassen, Davaron nicht.
»Mag sein, dass du ihn schon einmal bezwungen hast«, erwiderte Vindur. »Aber ich werde dafür sorgen, dass er dieses Mal nicht wieder aufsteht.«
»Das wird nicht nötig sein.«
»Das kannst du nicht wissen«, beharrte Vindur. »Er wird nicht auf dieselben Finten reinfallen wie beim letzten Mal.«
»Herr der Schatten! Komm einfach mit und halt endlich die Klappe!«
Vindur nickte zufrieden. Athanor trieb sein Pferd zu einem leichten Galopp an. Solange die Spuren so gut sichtbar waren, behielt er die Geschwindigkeit bei. Es war sein erster Einfall gewesen, zu der Stelle zu reiten, an der es geschehen war, und dort Davarons Fährte aufzunehmen. Doch je mehr Zeit er hatte, sich in die Lage des Mörders zu versetzen, desto mehr Zweifel kamen ihm. Er durfte sich nicht darauf verlassen, dass Davaron das Offensichtliche tat. Wenn es darauf ankam, konnte der Bastard ein gerissener Hund sein. Ich hätte doch zuerst die Elfen befragen sollen, die Elanya zurückgebracht haben. Vielleicht hatten sie an den Spuren gesehen, dass Davaron nach der Tat auf seiner eigenen Fährte zurückgeritten war, bevor dieser Trupp alles umgepflügt hatte.
Athanor ritt langsamer und achtete darauf, ob irgendwo eine Spur von den anderen abzweigte. Der Untergrund wurde steiniger, das Gelände stieg an. Als felsige Anhöhen in Sicht kamen, wurde Athanor die Kehle eng. Auf einem dieser Gipfel musste es geschehen sein. Obwohl er wieder auf die Hufabdrücke starrte, sah er ständig vor sich, wie es abgelaufen sein könnte. Wie Davaron Elanya am Haar packte und ihren Kopf zurückbog, um ihr das Messer über die Kehle zu ziehen. Nein. Nicht der verfluchte Krüppel mit seiner einen Hand. Aber wie dann? Athanor sah, wie sie schlafend in der Sonne lag und sich Davaron über sie beugte. Wie sie stritten und der Elf das Schwert herausriss. Das Ergebnis war stets dasselbe: Elanyas toter Leib vor dem Haus ihrer Eltern. Ich werde dir jeden einzelnen Knochen brechen, bis du um dein Leben winselst.
Als die Spuren ein schmales Rinnsal querten, das von den Bergen herkam, stutzte Athanor. Nach dem Sieg der Drachen hatten Orross – blutrünstige Chimären mit der Kraft und den Pranken eines Bären und den Hauern eines Keilers – Jagd auf die überlebenden Menschen gemacht. Er war so lange vor ihnen geflohen, er wusste, wie man seine Spur nicht nur vor den Augen, sondern auch den Nasen der Verfolger verbarg.
»Hast du etwas entdeckt?« Vindur sah sich misstrauisch um und griff nach seiner Axt.
»Nein. Ich frage mich nur, ob er hier abgebogen und im Wasser weitergeritten ist.«
»Sehen wir nach«, schlug Vindur vor. »Wenn du falsch liegst, haben wir Zeit verloren. Wenn du richtig liegst und wir reiten einfach weiter, aber auch.«
»Das ist wahr.« Athanor sprang ab. »Warte kurz!«
»Was machst du?«
Statt zu antworten, ging Athanor am Rand des Rinnsals entlang und musterte den Bachgrund. Zwischen Steinen und zerbrochenem Geäst gab es morastige Stellen, doch das Wasser floss so schnell darüber, dass es jede Unebenheit sogleich fortspülte. Falls Davaron Schlamm aufgewirbelt hatte, war das trübe Wasser längst wieder klar. Athanor konnte nur darauf hoffen, dass der Elf bald die Geduld verloren und den Bach wieder verlassen hatte.
Aufmerksam wanderte er weiter, bis ihm plötzlich ein Stein auffiel. Während die anderen blank gewaschene Oberseiten hatten, war dieser zur Hälfte mit bräunlichem Schlick überzogen. Vielleicht … Athanor griff ins kalte Wasser und drehte einen der sauberen Brocken um. Auf der Unterseite glänzte ihm dieselbe braune Schmiere entgegen. Eilig ging Athanor weiter. Ein umgekippter Stein konnte Zufall sein. Doch bald fand er einen zweiten. Du hättest Hadons besten Hund nicht herausfordern sollen, verfluchtes Schwein.
* * *
»Mein Vater hätte ihm damals gleich den Kopf abschlagen lassen sollen«, murrte Vindur. Erschöpft hing er über dem Hals seines Pferds. Dunkle Ränder unter seinen Augen zeugten davon, dass sie seit drei Tagen hinter Davaron herhetzten und nur geschlafen hatten, wenn die Pferde eine Rast brauchten, um zu grasen. Da sie keinen Proviant bei sich trugen, ernährten sie sich von Beeren und Pilzen, die sie am Wegrand fanden, und von Fisch, den Athanor mit der Angelschnur aus seiner Gürteltasche fing. Doch sosehr sie sich auch beeilten, holten sie nicht auf. Die Spur nicht zu verlieren, kostete sie Zeit, und Davaron kam wie alle Elfen mit viel weniger Schlaf und Essen aus als sie. Dass er verfolgt wurde, konnte er sich denken. Dass er noch immer floh, bewies, dass er schuldig war.
»Stell dich nicht so an! Letzte Nacht habe schließlich ich Wache gehalten«, erwiderte Athanor. Warum jammerten Zwerge nur so gern, obwohl sie so robuste Gesellen waren?
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