11 Waldpfad 63 11 Waldpfad Sobald es ihr Stundenplan zuließ, radelten die Mädchen wieder zu ihren Lieblingen in den Stall. „Ich bin reif wie Schweizer Käse kurz vor dem Ablaufdatum! Ich will endlich den Steinkreis finden. Diesmal werde ich nicht bis zum Vollmond warten, wie in Südfrankreich“, lautstark schimpfte Rosalie vor sich hin. Grummelnd fuchtelte sie mit der Mistgabel her- um. Um ernsthaft sauber zu machen, war das wenig effektiv. „Beruhige dich. Du bist ja direkt gefährlich mit deiner Her- umstocherei! Womöglich haben die Hüterinnen der Zeit bereits be- schlossen, dass wir willkommen sind. Ich kann es kaum abwarten. Was ist nur mit Lilou los? Ich muss das unbedingt wissen. Niemand vom Hof meldet sich. Ich versuche dauernd anzurufen.“ Nala klang besorgt. „Komm, wir schwingen uns auf Gandalf und reiten los. Mehr, als auf halbem Weg steckenbleiben wie beim letzten Mal, werden wir hoffentlich nicht.“ Bevor sie den Satz zu Ende gesprochen hatte, sauste Rosalie los und holte Reithalfter, Putzzeug und Helm. Nala flitzte hinterher. Gandalf stand bereit. Der zuverlässige fuchsfarbene Noriker mit blonder Mähne ruhte in sich. Ohne ein Zucken duldete er, dass die Hexenschwestern sein Fell mehr abstaubten, als es zu putzen. Sie hatten es eilig. Das war auch ihm klar. Auf seinem breiten Rük- ken trug der Riese Sternenträumerin und Feuerwolf in die gewohn- te Richtung zum Hexenbrunnen. Heute war es überraschend heiß.
12 Freya 67
13 Lilous Ankuft 74
14 Ohren 79
15 Inspiration lost 82
16 Regeln des Menschseins 89
17 Achtsamkeit 96
18 Krafttier Pferd 103
19 Geburtstag 111
20 Ofen 121
21 Träumen 129
22 Pegasus 137
23 Plan 141
24 Wilde Jagd 149
25 Hunkapi 154
26 Skype 162
27 Berührungen 166
28 Satteln 173
29 Aufbruch 179
30 Hexenbänke 185
31 Gute Nacht Geschichte 190
32 Morgengrauen 196
33 Hier und Jetzt 200
34 Bullen 204
35 Verbindung 210
36 Goldenes Licht 215
37 Aufatmen 218
38 Wolkenpferd 224
39 Epilog 228
40 Danke 234
41 Zur Autorin 237
Was ist der Mensch ohne Wildtiere? Wenn die wilden Tiere alle verschwunden sind, dann wird die Seele an Einsamkeit zugrunde gehen; alles, was den Tieren widerfährt, widerfährt auch den Menschen.
Häupting Seattle
Nichts auf der Welt ist so unaufhaltsam, wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.
Victor Hugo
1 Leitfaden
Die Geschichte von Nala, ihren Freunden und den Tieren ist ein ma- gischer Roman. Alle Wesen, die darin vorkommen, sind erfunden. Ich habe mir die künstlerische Freiheit genommen und persönliche Lieblingsplätze in den Alpen ein wenig zusammengerückt.
Eine energetische Heilung ersetzt nicht die Untersuchung und Be- handlung eurer Pferde durch fachkundige TierärztInnen und an- dere medizinisch ausgebildete Fachmenschen. Selbstverständlich ist die moderne Medizin wichtig für die Therapie von Tier und Mensch. Auch psychotherapeutische Begleitung kann uns alle dabei unter- stützen, zu wachsen und mit Schwierigkeiten besser umzugehen. Sich helfen zu lassen ist natürlich. Das haben Menschen seit Urzei- ten getan, egal, wie diese Hilfe durch die verschiedenen Zeitalter genannt wurde. Unbefangen und voller Neugier könnt ihr Pädago- gInnen, TherapeutInnen oder BeraterInnen begegnen. In unserem Reittherapieinstitut am Sonnhof stehen wir mit vier Therapiepfer- den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bei, wichtige Fragen zu lösen und neue Lebenskraft zu schöpfen.
Falls ihr mit Pferden euer Leben teilt, seid bitte achtsam mit den wundervollen Geschöpfen, die uns anvertraut sind.
Sie sind unsere Brüder und Schwestern.
Respektiert jedoch in diesem Zusammensein die eigene Gesundheit. Schützt euch mit einem Helm, Handschuhen und geeigneter Ausrü- stung. Pferde sind Fluchttiere und ihre Instinkte stammen aus einer Zeit lange vor knatternden Traktoren, Autobahnen oder surrenden Drohnen. Und das ist gut so. Sie verbinden uns dadurch mit unse-
ren eigenen Urinstinkten, die ein oft versteckter, verdrängter Teil der Seele sind. Hinaus zu gehen in die Natur, Tieren und Pflanzen zu begegnen, stillt die Sehnsucht, unsere Natürlichkeit zu erfahren, heilt und macht Spaß.
2 Brief
Ein schauerliches Heulen ertönte: „Wooouuuuuh, wooouuuuh, wooouuuuh...“
Nala suchte hektisch nach ihrem Telefon. Den Klingelton
„Wolfsgeheul“ hatte sie für ihre beste Freundin Rosalie ausgesucht. Unter einem Haufen achtlos am Boden liegender Klamotten zog sie ihr Handy hervor.
„Hi, Feuerwolf, wie geht´s?“ Im Sommer hatten sich die beiden Mädchen auf einem Reiterhof in Südfrankreich kennengelernt und unglaubliche Abenteuer miteinander erlebt. Ihre Freundin bekam damals von einer indianischen Medizinfrau den Namen Feuerwolf und Nala wurde Sternenträumerin genannt.
„Hi, ich habe aufregende Neuigkeiten für dich!“, begann Rosa- lie das Gespräch.
Nala saß plötzlich viel aufrechter in ihrem gemütlichen, roten Sitzsack: „Das klingt ja spannend, was gibt’s denn?“
„Du fehlst mir so! Aber stell dir vor, es gibt eine Möglichkeit, wie du in meine Nähe ziehen kannst, wenn du Lust hast!“
Nala sprang vor Neugier auf: „Und wie soll das funktionieren? Du lebst in Tirol und ich in Bayern! Da ist immerhin eine Staats- grenze dazwischen.“
„Die Schule, in die ich im Herbst wechseln werde, beginnt ein
internationales Projekt. Sie suchen Schülerinnen aus verschiedenen anderen Staaten. Das Beste kommt aber noch! Es ist die Glasfach- schule hier in Tirol. Man erhält eine künstlerische Ausbildung, lernt das Gestalten und Entwerfen von Skulpturen aus Glas. Du hast doch den ganzen Sommer wie verrückt gezeichnet und Skizzen von unseren Pferdeabenteuern gemacht. Du bist total begabt dafür! Des- halb denke ich, diese Schule hier ist genau dein Ding!“
Sternenträumerin, ließ sich wieder in den Sitzsack plumpsen. Sie war sprachlos. „War das möglich? Gingen Träume manchmal so schnell in Erfüllung?“ Sie hatte sich insgeheim nichts mehr ge- wünscht, als näher bei Feuerwolf zu leben. Ihre Abenteuer im Feri- encamp hatten die Mädchen zusammengeschweißt. Vor allem die verrückte und lustige Seite ihrer neuen Freundin gefiel Nala.
„Was... ist... los?“, fragte Rosalie langsam. Die stumme Pause irritierte sie.
Schon sprudelte Sternenträumerin ihre Antwort heraus: „Das ist ja sowas von genial! Ich bin dabei! Schick mir gleich den Link für die Anmeldung!“
„Musst du nicht zuerst deine Eltern fragen?“, erkundigte sich Rosalie vorsichtig.
„Klar, aber die freuen sich höchstens, wenn ich so eine Chance bekomme. Das wird wahrscheinlich kein großes Problem, vermute ich einmal. Sie wissen ja, dass Malen und Zeichnen das Größte für mich ist. Bis auf die Pferde natürlich.“
Rosalie ergänzte: „Das Größte für mich wäre, wenn wir zusam- men sein könnten. Schließlich sind wir seit dem Ritt durch die Voll- mondnacht in der Zauberwelt miteinander verbunden!“
Nach den Reitferien in Südfrankreich und ihrem nächtlichen Abenteuer mussten sich die beiden Freundinnen leider wieder tren- nen. Der Abschied von Rosalie und Lilou, der scheuen, weißen Ara- berstute, war für Nala traurig gewesen. Das Pferd und das schüch- terne Mädchen hatten ein magisches Band geknüpft. Auch der ur- alte Steinkreis unter der mächtigen Eiche mit der Schamanin Blaue Feder, deren Lehrling Wolfsherz und der Mustangherde waren ihr ans Herz gewachsen. Nala konnte sich ein Leben ohne ihre neuen Freunde kaum vorstellen. Vor allem der Rabe Tendo, ihr Gefährte und Krafttier, fehlte ihr. Er hatte sie zum Lachen gebracht, indem er Streiche spielte und das Mädchen neckte. Schließlich war es Ster- nenträumerin sogar gelungen, seine krächzende Rabensprache zu verstehen.
Читать дальше