Christiane Franke lebt gern an der Nordsee, wo ihre bislang zwanzig Romane und ein Teil ihrer kriminellen Kurzgeschichten spielen. 2003 war sie für den Deutschen Kurzkrimipreis nominiert und erhielt 2011 das Stipendium der Insel Juist »Tatort Töwerland«.
www.christianefranke.de
Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.
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© 2020 Emons Verlag GmbH
Alle Rechte vorbehalten
Umschlagmotiv: Matthias Lipinski/Pixabay.com
Umschlaggestaltung: Nina Schäfer, nach einem Konzept von Leonardo Magrelli und Nina Schäfer
Umsetzung: Tobias Doetsch
eBook-Erstellung: CPI books GmbH, Leck
ISBN 978-3-96041-647-0
Küsten Krimi
Überarbeitete Neuausgabe
Die Originalausgabe erschien 2007 unter dem Titel »Blutrote Tränen« im Leda-Verlag.
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Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische
Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Wie alles begann …
Liebe Leserin, lieber Leser,
nun hat also auch der allererste Fall für Oda Wagner und Christine Cordes, der 2007 unter dem Titel »Blutrote Tränen« erschienen ist, Heimat im Haus des Emons Verlages gefunden. Darüber freue ich mich sehr.
Der Text ist sprachlich überarbeitet worden und weist deshalb leichte Veränderungen gegenüber der Ursprungsversion auf. Natürlich habe ich einige Dinge gelassen, die damals noch existierten: die beiden Krankenhäuser zum Beispiel. Das Willehad und das Reinhard-Nieter-Krankenhaus, die nun als Klinikum Wilhelmshaven firmieren.
Das Gebäude, in dem sich damals tatsächlich ein Museum befand, ist heute ein Restaurant. Auch wurde damals noch relativ schamlos in Gebäuden geraucht.
Ich habe überlegt, einige dieser Dinge zu ändern, doch damit wäre es zu Irritationen in den nachfolgenden Bänden gekommen. Deswegen ist alles – bis auf die sprachliche Überarbeitung – eben auf dem (auch technischen) Stand des Entstehungsjahres geblieben.
Aber dafür haben Sie/habt ihr sicher Verständnis.
Danke dafür!
Ihre und eure Christiane Franke
im August 2020
Gerda Schneider kämpfte die letzten Meter gegen den Sturm, bevor sie ihr Rad vor dem Nordseemuseum abstellte. Heute blieb sie nicht stehen, um über den Jadebusen zu schauen, heute wollte sie nur schnell ins Warme. Raus aus dem eiskalten Januarwind, der ihr bis in die Knochen fuhr. Sie lief über den schmalen Metallsteg zum Nebeneingang und stutzte, als sie merkte, dass er unverschlossen war.
Das war in den fünf Jahren, in denen Gerda hier putzte, noch nie vorgekommen. Auch die Alarmanlage war nicht aktiviert. Dafür begannen jetzt in Gerda Signalglocken zu klingen. Sollte sie reingehen oder lieber über ihr Handy die Polizei benachrichtigen?
Ach was, sagte sie sich, vielleicht ist der Direktor ausnahmsweise schon da, oder seine Sekretärin ist früher gekommen als sonst … Gerda nahm all ihren Mut zusammen. Sie ging die Treppe zu den Büros hoch. »Frau Nienhauer? Dr. Beenke?«
Keine Antwort.
Mit zittrigen Fingern öffnete sie die Tür zum Sekretariat. Ihr Magen verkrampfte sich, als ihr ein eigenartiger, Übelkeit erregender Geruch entgegenschlug. Ihr Blick fiel auf die Tür zwischen Sekretariat und Direktionsbüro. Sie stand offen.
Mit gemischten Gefühlen trat Gerda näher.
Und erstarrte.
Dr. Beenke saß vornübergebeugt auf seinem Drehstuhl hinter dem wuchtigen Schreibtisch. Seine Stirn ruhte neben der Tastatur seines Computers. Doch er schlief nicht.
Er war tot. Ohne Zweifel. Blut war um seinen Kopf herum auf den Tisch geflossen, zwei Fliegen umkreisten die große braunrote Lache. Gerda wagte nicht zu atmen, presste ihre Hand vor Mund und Nase und ging die wenigen Schritte zurück ins Vorzimmer. Mechanisch wollte sie zum Telefonhörer greifen, doch dann hielt sie inne. Besser sie berührte nichts. Dadurch könnte sie Spuren verwischen. Oder neue legen. Als Krimileserin mit jahrelanger Erfahrung – sie hatte als junges Mädchen mit den Romanen von Agatha Christie begonnen und liebte die spleenige Miss Marple über alles – wusste sie, dass man am Tatort nichts verändern durfte. Also zog sie mit zitternden Fingern ihr Handy aus der Hosentasche und drückte die 110.
***
Kriminaloberkommissarin Christine Cordes fuhr rasant die Peterstraße entlang. Immer wieder musste sie abbremsen, denn der Wilhelmshavener Verkehr unterschied sich doch erheblich von dem in Hannover. Hier ging alles irgendwie ruhiger zu. Doch sosehr sie die Gemütlichkeit ihrer neuen Heimat auch genoss, dafür hatte sie jetzt keine Zeit.
Immerhin ging es um ihren ersten Einsatz bei der Kripo Wilhelmshaven. Sie freute sich darauf, selbst wenn es sich dabei allem Anschein nach um die Aufklärung eines Gewaltverbrechens handelte. Ihr Chef, der Erste Hauptkommissar Hendrik Siebelt, hatte ihr telefonisch die Leitung der Ermittlungen übertragen. Sie wusste, das war nicht nur ein Vertrauensbeweis, sondern auch eine Prüfung. Sicher wollte Siebelt testen, wie sie arbeitete. Verständlich, schließlich gehörte sie erst seit sechs Wochen zur hiesigen Truppe. Jetzt konnte sie zeigen, was sie draufhatte.
An den Wochenenden vor ihrem Dienstbeginn war sie zusammen mit ihrem Mann Frank sämtliche Straßen der Stadt kreuz und quer abgefahren, als bereite sie sich auf eine Taxischein-Prüfung vor. Nun gut, sie hatte eben diesen Hang zu Perfektion. Außerdem wollte sie sich vor ihren neuen Kollegen nicht dadurch blamieren, dass sie bei jeder Fahrt einen Stadtplan zurate ziehen musste.
Eigentlich hatte sie gern in Hannover gelebt. Der Umzug war ihr nicht leicht gefallen, denn sie musste einen großen Freundeskreis und auch ihre Eltern zurücklassen. Doch Frank arbeitete schon seit zwei Jahren als Anwalt in einer hiesigen Kanzlei. Zuerst hatten sie gedacht, es sei nur für eine überschaubare Zeit, und vorläufig eine Wochenendehe geführt. Doch als Frank vor einem Dreivierteljahr die Partnerschaft angeboten worden war, hatte er zugegriffen. So schwer Christine die Versetzung nach Wilhelmshaven auch gefallen war, während sie alle Koffer und Umzugskisten ausgepackt und das Haus gemütlich hergerichtet hatte, war die Vorfreude auf ihr neues Leben und den neuen Job gestiegen.
Die Umstellung ins normale Alltagsleben verlief allerdings nicht so, wie sie es sich erhofft hatte. Frank kam oft sehr spät nach Hause und auch im Job lief es nicht wirklich zufriedenstellend. Der Grund dafür hieß Oda Wagner und saß jetzt eisig schweigend auf dem Beifahrersitz.
Natürlich hatte Christine nicht erwarten können, hier auf Anhieb ein so intensives und harmonisches Verhältnis zu den Kollegen zu entwickeln wie in Hannover. Aber auf die offenkundige Ablehnung ihrer Kollegin war sie nicht gefasst gewesen.
Kriminaloberkommissarin Oda Wagner hatte sich nicht gefreut, weibliche Verstärkung zu bekommen, das hatte sie gleich am ersten Tag deutlich gemacht.
»Das Büro ist viel zu klein für zwei«, hatte sie gesagt und demonstrativ den Raum verlassen. Wobei das, neutral betrachtet, stimmte, das Zimmer platzte aus allen Nähten. Einen Besuchertisch gab es nicht. Hinter Oda Wagners Stuhl stand auf einem halbhohen Aktenschrank das Faxgerät der Abteilung, die Regale quollen über vor Ordnern.
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