»Das hört sich alles wie eine christliche Beichte an«, spekulierte Drake.
»Aber Odin ist nicht hier gestorben ?«, fragte Kennedy.
»Nein. Er starb bei der Schlacht von Ragnarök, zusammen mit seinen Söhnen – Thor und Freyr. So lautete die Legende.«
Das Taxi fuhr um einen großen Parkplatz herum, bevor es anhielt. Auf der rechten Seite führte ein ausgetretener Pfad durch ein paar spärliche Bäume. »Zu den Grabhügeln«, sagte ihr Fahrer.
Sie bedankten sich und stiegen aus dem Saab aus. Draußen empfing sie heller Sonnenschein und eine kühle Brise. Drake hatte vor, sich zuerst in der unmittelbaren Umgebung umzusehen, ob ihnen vielleicht etwas Verdächtiges auffiel. Da so viele internationale Interessengruppen mit entsprechend aufgeblähten Egos an dieser Sache beteiligt waren, die man wohl nur als globale Schlägerei bezeichnen konnte, hätte ihnen durchaus etwas ins Auge springen können.
Hinter den Bäumen wurde die Landschaft zu einer freien offenen Fläche, nur unterbrochen von Dutzenden kleiner Hügelchen und drei großen Grabhügeln, die direkt vor ihnen lagen. Dahinter waren in der Ferne ein helles Dach und ein weiteres Gebäude rechts davon zu sehen, das den Anfang des Dorfes markierte.
Kennedy blieb stehen. »Da drüben sind keine Bäume, Jungs.«
Ben war in sein Notizbuch vertieft. »Sie werden vermutlich kein Schild aufgehängt haben, oder?«
»Hast du eine Idee?« Drake ließ den Blick über die offenen Felder schweifen und hielt nach Anzeichen von Aktivität Ausschau.
»Ich kann mich erinnern, gelesen zu haben, dass es hier einmal bis zu dreitausend Hügelgräber gegeben hat. Heute sind es noch wenige Hundert. Wisst ihr, was das heißt?«
»Sie haben sie nicht besonders gut gebaut?« Kennedy lächelte.
»Es gab eine Menge unterirdischer Aktivitäten in den Tagen der Antike. Und dann sind da diese drei königlichen Grabhügel. Im 19. Jahrhundert wurden sie nach drei legendären Königen des Hauses Yngling benannt, Aun, Adil und Egil – eines der bekanntesten Königsgeschlechter in Skandinavien. Aber …«, er machte eine Pause und genoss den Moment, »es heißt auch , dass die älteste Mythologie und Folklore die Königsgräber bereits hier verortet , und dass man sie errichtete, um die frühesten – die ursprünglichen – drei Könige oder Götter, wie wir sie heute nennen würden, zu ehren. Freyr, Thor und Odin .«
»Nur so ein Gedanke«, sagte Kennedy. »Aber hast du bemerkt, wie viele Bezüge auf biblische Geschichten es in all diesen alten Legenden gibt? Drei Könige .«
»Das sind Sagen «, korrigierte Ben. »Gedichte. Geschreibsel von Gelehrten. Etwas, das wichtig sein könnte – die Grabhügel werden viele Male mit dem schwedischen Wort falla und Manga fallor bezeichnet – keine Ahnung, was das heißt. Und habe ich nicht irgendwo gelesen, dass die Geschichte von Christus sehr ähnlich wie eine der Legenden ist, die auf Zeus Bezug nehmen?«
Drake nickte. »Und der ägyptische Gott Horus war ein weiterer Vorläufer – beides Götter, die angeblich nie existiert haben.« Drake deutete mit dem Kinn auf die drei königlichen Grabhügel, die deutlich aus der flachen Landschaft hervorstachen. »Freyr, Thor und Odin, was? Also, wer ist dann wer, Blakey?«
»Keine Ahnung, Kumpel.«
»Keine Sorge, Kleiner. Das kriegen wir sicher raus, wir können ja zur Not ein paar Dorfbewohner foltern.«
Sie schlenderten an den Grabhügeln entlang, taten, als wären sie drei müde Touristen, für den Fall, dass sie jemand beobachtete. Die Sonne brannte ihnen auf die Köpfe und Drake sah, dass Kennedy ihre Sonnenbrille rausholte.
Bens Handy klingelte. Kennedy grinste, sie fand es bereits recht unterhaltsam, wie oft seine Familie anrief. Drake sah ihr belustigt in die Augen.
»Karin!«, sagte Ben fröhlich. »Wie gehtʼs meiner großen Schwester?«
Kennedy tippte Drake auf die Schulter. »Leadsänger in einer Band?«, fragte sie. »Er wirkt nicht wie der Typ dafür.«
Drake zuckte die Achseln. »Ein Herz aus Gold, das ist alles. Er hilft jedem, ohne sich zu beklagen. Wie viele Freunde und Kollegen hast du so, die das tun?«
Kennedy fixierte ihn. »Ich bin Cop. Also, eine Menge . Aber nicht mehr so viele wie früher.«
Das Dorf Gamla Uppsala war malerisch und sauber, ein paar Straßen mit einzeln stehenden Häusern mit hohen Dächern, alle hunderte Jahre alt, gut erhalten und nur von einer Handvoll Menschen bewohnt. Die wenigen Dorfbewohner, die unterwegs waren, sahen sie neugierig an.
Drake ging auf die Kirche zu. »Die Pfarrer sind meistens hilfsbereit.«
Während sie sich der Treppe näherten, kam ein alter Mann im Talar herausgestürzt, der sie beinahe umrannte. Er blieb überrascht stehen.
» Hej. Kan jag hjalpa dig? «
»Keine Ahnung, Kumpel«, sagte Drake in seinem besten Yorkshire-Dialekt. »Aber welcher von den Grabhügeln ist der von Odin?«
»Ihr seid Engländer?« Der Priester hatte augenscheinlich einige Mühe, sie zu verstehen. »Was? Odin?«
Ben trat einen Schritt vor und lenkte die Aufmerksamkeit des Vikars auf die königlichen Gräber. »Wir suchen nach Odin.«
»Verstehe.« Der alte Mann nickte. »Ja, ähm. Storsta …« Er suchte nach dem richtigen Wort. »Groß.«
»Das größte?« Ben hielt die Hände weit auseinander.
Drake betrachtete die Grabhügel.
»Scheint logisch.« Kennedy wollte gehen, aber Ben hatte noch eine letzte Frage.
» Falla ?«, fragte er den Vikar und zuckte überdeutlich die Achseln. »Oder manga fallor ?«
Es dauerte einen Moment, aber als die Antwort kam, lief es Drake kalt den Rücken hinab.
»Fallen … viele Fallen.«
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