»Und welchen Vorteil erhofft sich Euer Herr und Manarch?«
»Er fürchtet die Macht der Königsfamilie. Den Streit um den Thron wird er nicht gewinnen, zu gering ist sein Einfluss, zu tief ist er in die einzelnen Machtkämpfe verwickelt. Doch mit Euch als König weiß er einen gemäßigten Verbündeten.«
»Dann scheint bei unserem gemeinsamen Vorhaben Eile geboten zu sein. Prinz Vindigor wird gewiss bereits auf dem Weg nach Milang sein, um dort dem Hohen Sanglor sein Angebot zu unterbreiten.«
»Gewiss.« Der Phindorch und Quarandor nickte zustimmend und holte aus seinem Gewand ein mehrfach gefaltetes Stück Pergament hervor, welches er einem der Diener reichte, der das besiegelte Schriftstück dem Sanglor übergab. Dieser erbrach das große Wachssiegel und entfaltete das Schriftstück mit neugierigem Blick.
»Mein Herr und Manarch ist zu fern der Königsstätte, um Stimmen für Eure Ernennung zu finden, doch trug er seinem Gadorch an, Euch willkommen zu heißen und Euch jeden Dienst zu gewähren.«
»Der Hohe Sanglor von Dagosturas scheint mir schier unbegrenztes Vertrauen zu schenken«, bemerkte der Weiße Sanglor überrascht, als er von dem wertvollen Pergament aufsah.
»Mein Herr und Manarch vertraut auf die Freundschaft, die Euch einst verband.«
»Dieses Schriftstück reicht aus, um jede Unterstützung einzufordern?« Der beleibte Sanglor wedelte mit dem Stück Pergament und kicherte verdutzt.
Erstmals erwachte der Bärtige aus seiner starren Haltung und warf seinem alten Freund einen zweifelnden Blick zu, als ob er die Urteilsfähigkeit des Sanglors Echandus in Frage stelle, da jener offensichtlich diesem fetten, kichernden und furzenden Greis zum Amt des Thronanwärters verhelfen wollte, doch Ermon besänftigte den Nordmann mit einem matten Lächeln.
Sanglor Ogondorus der Weiße erhob sich von seinem Thron und trat die spärlich erhellten Stufen zu den beiden Gästen hinab, ein zufriedenes Lächeln zierte sein aufgedunsenes Gesicht.
»Ihr habt wahrlich viel Vertrauen für einen Quarandor.« Ein seltsames Funkeln trat in die Augen des Sanglors, jeglicher Anschein von Verrücktheit war gewichen.
Kurus zuckte unruhig mit dem Schwanz, knurrte kurz, dann schien das Tier wie gebändigt zu sein, als plötzlich ein greller Lichtblitz aufleuchtete und wie ein Geschoss, aus dem Hinterhalt abgefeuert, auf sie zukam.
Der Bärtige griff nach seiner Klinge, doch als er das Metall unter seinem Gewand hervorgebracht hatte, erstarrten all seine Glieder, als sei sein Körper seiner Kontrolle entzogen worden. Einzig sein Verstand war noch wachsam und klar, während er langsam den Boden unter seinen Füßen verlor und im Raum schwebte, als stünde er auf einem Podest aus grellem bläulichem Licht.
»Oh, verzeiht!« Der Sanglor lachte hämisch und klopfte Phindorch Ermon auf die Schulter. Zwar schwebte der Schriftengelehrte nicht auf einem Nebel aus Licht, doch war zweifellos auch er mit einem unsichtbaren Bann belegt worden, kaum dass er von seinem Stuhl aus schwarzem Qualm aufgesprungen war.
»Ihr kommt als Gast in meine Hallen«, polterte der Sanglor, trat zurück und breitete die Arme aus, woraufhin alle Feuer aufloderten und erstmals die wahre Größe dieses gewaltigen Saals zu erkennen gaben. »Ihr nehmt meine Freundschaft in Anspruch und erteilt mir die Anweisung, an einer Intrige teilzunehmen, um die Königsfamilie zu stürzen!«, schrie der fette Sanglor, dass ihm der Speichel aus dem Mund spritzte. Mit vor Wut gerötetem Kopf und geweiteten Augen blickte er sich im Saal um. »Kommt, oh meine Diener!«
Schatten regten sich, Krallen kratzten an den steinernen Säulen, schwere Tatzen schlugen gegen den Boden, als die Schattentänzer und Pogloraen hervortraten und wie Raubtiere ihre Beute umzingelten. Kurus heulte auf, tänzelte zurück, zeigte Furcht, wie der Bärtige es noch nie zuvor gesehen hatte.
»Stopft diesem Villar, diesem Drecksgetier, das Maul!«, schrie der Sanglor wütend, woraufhin einer der Pogloraen vortrat, die Stiefel schlurfend, in der Rechten eine Spitzhacke haltend.
»Wagt es nicht … ich bin ein Quarandor des Hohen Sanglors Echandus von Dagosturas! Niemals wurden je ein Quarandor und seine Begleitung angegriffen.«
»Wagt es nicht, mich zum Narren zu halten!«, unterbrach der Beleibte den Phindorch. »Ihr, Ermon, wagt, mich aufzusuchen und den Feind des Königs als einen Gast zu laden?«
Entsetzen breitete sich im Bärtigen aus. Wie konnte der Sanglor ihn erkannt haben, wo er all die Jahre verborgen gelebt hatte? Kaum jemand kannte seinen Namen oder gar sein Gesicht.
Doch all dies schien dem Sanglor nur pure Freude zu bereiten, als dieser die Verzweiflung in den Augen des wehrlosen Bärtigen sah. »Ja, ich weiß, wer Ihr seid, Rachomus von Tarangien. Ihr seid eine Plage! Männer, die einst einen Schwur ablegten, brachen diesen Eid, um jene zu bekämpfen, die sie einst zu schützen gelobten. Feige, hinterhältige, weibische Verräter seid ihr!«
Nahezu mit vollkommener Gelassenheit wandte er sich dem Phindorch und Quarandor zu, der nun auf die Knie gefallen war, das Gesicht erblasst, die Augen voller Leere. »Prinz Vindigor von Tallân war eher hier bei mir zu Gast und machte mir wahrlich ein großzügiges Geschenk. Ein Handel, den nur ein Narr hätte ausschlagen können. Er warnte mich zudem vor Euch und Eurem Manarch, Ihr würdet kommen und einen jämmerlichen Plan ausfassen. Aber ich nehme natürlich Euer Angebot an und werde zur Königsstätte reisen und all Eure Hilfe in Anspruch nehmen.« Dabei wedelte der Beleibte mit dem Stück Pergament, das der Phindorch ihm zuvor gegeben hatte, zog einen Dolch hervor und leckte mit seiner Zunge genüsslich über die Klinge. »Euer Herr und Manarch, der Hohe Sanglor von Dagosturas, fürchtet Prinz Vindigor zu Recht. Der Prinz wird Eure Familie vernichten, die Kinder rauben und Weiber schänden!« Dann stach er mit seinem Dolch zu, durchstieß alles Fleisch, das Blut spritzte dem Beleibten ins Gesicht, der sich an jedem Hieb ergötzte, bis der leblose Körper des Schreibgelehrten zurückfiel und der schwarze Nebel ihn verschlang.
Der Bärtige wollte schreien, doch entkam kein Laut seiner Kehle, er wollte fliehen, doch war er noch gefangen in den Fängen des gleißenden Lichts.
»Tötet den Villar!«, befahl der Sanglor mit belangloser, leiser Stimme.
Es war, als zerreiße seine Brust, als die Pogloraen Kurus grob am Genick packten und hinunterdrückten, als sei der Villar ein lebloses Wesen. Dann holte ein Bergmann mit der Spitzhacke aus und durchstieß den Leib des treuen Gefährten, trieb das Metall so tief durch Knochen und Fleisch, bis der Schädel gespalten war.
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