»Frau, ich heiße Tantris.«
»Tantris, so wiße für gewiss,
Daß meine Hand dich heilen soll.
Sei fröhlich und gehab dich wohl,
Ich selbst bin deine Ärztin.«
»Dank dir, süße Königin:
Deine Zunge grüne immer,
Dein Herz ersterbe nimmer,
Deine Weisheit möge ewig leben,
Den Hülflosen Hülfe geben;
Dein Name mög auf Erden
Allzeit gefeiert werden.«
»Tantris«, sprach zu ihm Isot,
»Wärs dir möglich in der Noth,
Da du so sehr entkräftet bist,
Wie kein Wunder an dir ist,
So hört ich gerne Harfenspiel;
Des kannst du, hör ich sagen, viel.«
»Nein, Herrin, sprechet also nicht:
Wie sehr mir auch die Kraft gebricht,
Doch thu und kann ich Alles wohl,
Womit ich euch gefallen soll.«
Nach seiner Harfe ward gesandt,
Auch besandte man zuhand
Die junge Königin Isot,
Der Minne Siegel frisch und roth,
Mit dem seitdem versiegelt
Sein Herz ward und verriegelt
Vor der Welt insgemein,
Nur vor ihr nicht ganz allein.
Als die Königin gekommen war,
Da nahm sie fleißiglich wahr
Wie Tristan saß am Harfenspiel.
Da harft' er auch noch beßer viel
Als er je zuvor gethan,
Denn ihm verhieß ein lieber Wahn
Seines Unheils baldges Ende.
Er sang und harfte so behende,
Nicht wie ein lebloser Mann.
Er fieng es lebenskräftig an
Und wie der Wohlgemuthe thut,
Und macht' es vor den Zwein so gut
Mit Händen und mit Munde,
Daß er in kurzer Stunde
Ihre Huld so völliglich gewann,
Daß ihm ward, worauf er sann.
Doch, wurden sie des Spieles froh
Hier sowohl als anderswo,
So blieb die leidge Wunde doch,
Die so unerträglich roch,
Daß vor der Widerwärtigkeit
Niemand aushielt lange Zeit.
Wieder sprach die Königin:
»Tantris, kommt es erst dahin,
Daß es also mit dir steht,
Daß der Geruch an dir vergeht,
Und Jemand bei dir bleiben kann,
So befehl ich dir an
Isolden hier, die junge Maid.
Sie hat viel Müh verwandt und Zeit
Auf Bücher und auf Saitenspiel,
Und kann von beiden ziemlich viel.
Gemäß der Zeit und kurzen Frist
Die sie dabei gewesen ist:
Hast du nun größre Meisterschaft
In Kunst oder Wißenschaft
Als ihr Meister oder ich,
Die lehre sie, so freust du mich.
Dafür will ich dir Leben
Und Leib zu Lohne geben,
Daß sie gesund und blühend sei'n:
Das kann ich geben und verleihn,
Beides steht in meiner Hand.«
»Ja, ist es also bewandt«,
Sprach der sieche Spielmann,
»Daß ich mich also fristen kann,
Und durch mein Spiel genesen soll,
Ob Gott will, so genes ich wohl.
Herrin, selge Königin,
Wenn euch also der Sinn
Steht, wie ihr mir habt gesagt,
Und eurer Tochter, der Magd,
So getrau ich wohl noch zu genesen.
Der Bücher hab ich gelesen
In solcher Maß und also viel,
Daß ich mir getrauen will,
Ich dien euch wohl zu Dank an ihr.
Dazu so weiß ich auch an mir,
Daß meines Alters kaum ein Mann
Mehr edler Saitenspiele kann.
Was sonst noch euer Wunsch geruht,
So wie ihr mirs zu wißen thut
Ist es alsobald gethan,
Mich hindre denn die Unmacht dran.«
Da beschied man ihm ein Kämmerlein
Und schuf ihm alle Tage drein
All das Gemach und all die Pflege,
Die er nur wünschen mocht allwege.
Nun sah er erst sich kommen
Zu Statten und zu Frommen
Die Klugheit, die er nach dem Streite
Bewies, als er den Schild zur Seite
Hieng und barg die Wunde,
Daß sie nicht erkunde
Das Volk der Iren allzumal,
Bevor es schied von Cornewal:
So konnten sie daheim mit Nichten,
Daß er verwundet ward, berichten.
Denn hätte man zu jener Zeit
Erfahren, wie er schied vom Streit,
So wohl als Allen war bekannt
Wie es um die Wunden stand,
Die Morold mit dem Schwerte schlug,
Das er in allen Nöthen trug,
Es wär Tristanden nimmer ja
So wohl geschehn als ihm geschah
Nun half ihm zu genesen,
Daß er so klug gewesen.
Erkenne Jeder nun hieran,
Wie seine Sachen oft ein Mann
Mit gutem Vorbedenken
Zu gutem Ziel mag lenken,
Ist ihm zu rechter Stunde
Die Fürsicht nur im Bunde.
Isot, die weise Königin,
Wandte allen Fleiß und Sinn
Und alle Wißenschaft darauf,
Daß sie dem Manne wieder auf
Helfe, wider dessen Leben
Sie doch gern ihr Leben geben
Möchte, ja die Ehre gar.
Sie must ihn stärker fürwahr
Haßen als sich selber minnen,
Und doch, was sie nur konnt ersinnen,
Sein Sterben zu verhindern
Und seine Qual zu lindern,
Darauf war sie bei Tag und Nacht
Allein beflißen und bedacht.
Das ist kein Wunder wie es scheint,
Denn sie erkannte nicht den Feind.
Doch konnte sie es wißen,
Für Wen sie war beflißen
Und Wem sie half aus Todesnoth,
Gäb es Ärgres als den Tod,
Sie hätt es ihm gegeben
Viel lieber als das Leben.
Nun wuste sie von ihm nur Gutes
Und war ihm gut und holdes Muthes.
Sagt' ich euch nun noch so viel
In langen Reden ohne Ziel
Von meiner Frauen Meisterschaft,
Und wie wunderbare Kraft
Zu des Siechen Gedeihen
Lag in ihren Arzeneien,
Das wär doch allzumal verloren.
Viel beßer klingt in edeln Ohren
Ein Wort, das schön zur Sache stimmt
Als das man aus der Büchse nimmt.
Sofern ich es vermeiden kann
Will ich mich hüten auch fortan,
Daß ich nicht Worte möge sagen
Die euern Ohren missbehagen
Und euern Herzen widerstehn.
Ich schweige, wills nicht anders gehn,
Lieber still von einer Sache,
Eh ich euch zuwider mache
Und unleidlich meine Märe
Mit Rede, die nicht höfisch wäre.
Von meiner Frauen Heilkunde
Und wie davon genas der Wunde
Will ich in der Kürze sagen:
Sie half ihm binnen zwanzig Tagen,
Daß man gerne bei ihm blieb
Und die Wunde Niemand vertrieb,
Kam er anders gern dahin.
So gieng die junge Königin
Nun stäts zu seinem Unterricht,
Und Fleiß und Zeit gereut' ihn nicht
Auf seine Schülerin zu wenden.
Die Fertigkeit in den Händen
Sowohl als schulgerechtes Spiel,
Was ich nicht schärfer sondern will,
Zeigt' er gern ihr allzumal,
Daß sie nach eigener Wahl
Daraus zur Lehre nähme
Was ihr zu Statten käme.
Isot. die schöne, war wohl klug,
Ihr war das Beste gut genug,
Was sie unter seinen Künsten fand:
Des unterwand sie sich zuhand
Und wandte Fleiß bei Allem an
Was sie in der Welt begann.
Auch mocht ihr wohl frommen
Was sie früher vernommen
Und von Künsten hatt erfahren
Und höfischem Gebahren.
Sie war geschickt mit Mund und Hand.
Das schöne Mägdlein verstand
Ihre Develiner Sprache fein,
Dazu Französisch und Latein;
Sie konnt in welscher Weise
Fiedeln laut und leise;
Mit den Fingern konnte
Isot, wenn sies begonnte,
Gar wohl die Leier rühren
Und auf der Harfe führen
Den Ton, daß er das Herz beschlich;
Auf und ab behendiglich
Ließ sie die Noten gleiten;
Auch sang sie in die Saiten
Gar wohl aus süßem Munde.
Jedoch zu all der Kunde
Mocht ihr noch sehr zum Frommen
Des Spielmanns Lehre kommen,
Ihr Kunst und Wißen mehren.
Unter allen diesen Lehren
Hielt er sie zu Einer an,
Die man Moral benennen kann:
Sie lehrt uns schöne Sitten.
Sich der zu fleißen bitten
Soll man die Jungfraun allzumal.
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