Inklusive Schule
Herausgegeben von Gottfried Biewer
Helga Fasching Lena Tanzer
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1. Auflage 2022
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-035709-9
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-035710-5
epub: ISBN 978-3-17-035711-2
Inklusive Übergänge von der Schule in Ausbildung und Beruf
Vorwort
Dieser Band der Reihe »Inklusive Schule« fokussiert sich auf Inklusion im nachschulischen Übergang und im Kontext beruflicher Bildung und beruflicher Partizipation. Er richtet sich an Studierende in Bachelor- und Masterstudiengängen und Lehramtsstudierende, die sich mit inklusions- und sozialpädagogischen Fragestellungen insbesondere an der Schnittstelle zwischen Pflichtschule und Berufsleben vertiefend beschäftigen möchten. Titel und Inhalte des Bandes beziehen sich vor allem auf den deutschsprachigen Raum.
Die Notwendigkeit der Fortsetzung inklusiver Bildungs- und Beschäftigungsprozesse nach der Pflichtschule verweist mittlerweile auf eine umfangreiche Forschung mit unterschiedlichen Zugängen. In diesem Band werden zwei pädagogische Diskursfelder zusammengeführt: Der Diskurs zu Pädagogik der Vielfalt und Inklusion sowie der Diskurs um die Pädagogik der Übergänge. Die allgemeinen Leitideen und -prinzipien dieser Diskurse werden im Speziellen für den Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf aufeinander bezogen und fruchtbar gemacht. In vielen auch im Folgenden herangezogenen Artikeln und Beiträgen werden diese beiden Diskursfelder und ihre Leitprinzipien bereits im Hinblick auf den Übergang kombiniert. Dies verweist auf die auch gegenwärtige Relevanz von Inklusion in (Bildungs-)Übergängen.
Dieser Band leistet einen weiteren Beitrag zur Professionalisierung und Akademisierung des Themen- und Forschungsfeldes des Übergangs von der Pflichtschule in Ausbildung und Beschäftigung. Es wird deutlich, dass der Themenbereich inklusive Übergänge von der Schule in Ausbildung und Beschäftigung und berufliche Partizipation als eigenständiges Forschungsfeld etabliert ist.
Wien, im Oktober 2021
Helga Fasching und Lena Tanzer
1
Wozu Inklusion im Übergang?
Worum es geht …
Vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels in der Zweiten Moderne stellt das folgende Kapitel einführend die allgemeine Situation für Pflichtschulabsolvent*innen dar und nimmt dann Bezug darauf, wie sich gegenwärtige Strukturen auf die Übergänge marginalisierter Gruppen auswirken.
Übergänge im persönlichen Lebenslauf stellen Menschen vor vielfältige Herausforderungen. Sie sind gekennzeichnet durch Unübersichtlichkeit und zahlreiche Risiken, erfordern Neuorientierung und Planung. Im Hinblick auf den Übergang von der Schule in Ausbildung oder Beruf sind Jugendliche mit der bildungs- und berufsbiographisch bedeutsamen Frage konfrontiert, ob die schulische Laufbahn fortgesetzt oder in die duale Ausbildung und/oder Erwerbstätigkeit eingemündet werden soll. Viele sehen sich vor dem (Pflicht-)Schulabschluss zudem in einer ambivalenten Situation. Die Eröffnung von beruflichen Möglichkeiten und Chancen durch Globalisierungs- und Flexibilisierungsprozesse auf der einen Seite korrespondiert mit einer zunehmenden Unübersichtlichkeit über (Aus-) Bildungswege sowie berufliche Möglichkeiten andererseits:
»Der Wegfall sozial normierter, etablierter Ausbildungs- und Berufswege erzwingt verstärktes eigenverantwortliches Handeln. Auf der einen Seite bedeutet dies mehr Freiheit und damit auch mehr Chancen für die Gestaltung des eigenen Lebensweges. Auf der anderen Seite bedarf es auch Fähigkeiten, diese Freiheit zu nutzen. Sind diese nicht vorhanden, kann Entscheidungsfreiheit auch zu Überforderungen führen.« (Butz & Deeken, 2014, S. 101)
Die Jugendlichen sind dazu angehalten, ihre schulischen wie beruflichen Möglichkeiten auszuloten und sich schließlich für eine Alternative zu entscheiden, der entsprechend dann der weitere Ausbildungsweg ausgerichtet wird. Koch (2015, S. 4) hält fest, dass es gerade »[f]ür Jugendliche besonders schwerwiegend [ist], dass mit den jeweiligen Anschlüssen unterschiedliche Chancen der langfristigen Teilhabe an Erwerbstätigkeit verbunden sind«.
Zudem werden bisherige Denk- und Handlungsmuster insofern herausgefordert, als dass das berufliche Umfeld nicht mit der bekannten schulischen Lebensrealität konform geht: »Der Wechsel von der Schule in die Arbeitswelt erfordert, in einem neuen, erwerbs- und berufsbezogenen Kontext handlungsfähig zu werden« (Pool Maag, 2016, S. 601).
Allerdings gilt für junge Menschen gleichermaßen, neben einer Festlegung noch flexibel für berufliche Änderungen zu bleiben. Dabei sei vor allem wesentlich, bereits vor dem Berufseintritt »spezifische, potenziell nützliche und verwertbare ›Kompetenzen‹ oder ›skills‹ zu erwerben und dieserart das eigene Humankapital zu maximieren« (Fasching, 2019, S. 854). Das bedeutet nicht nur, dass die Schüler*innen zukünftige berufliche Anforderungen bereits antizipieren müssen, sondern dass auch der Schule und speziell den berufsbildenden und -vorbereitenden Fächern eine besondere Bedeutung zukommt.
Bildungs- und Berufsentscheidungen zeichnen sich demnach durch einen immer ungewisseren und vorläufigeren Charakter aus. Von einer einmaligen Berufsentscheidung für einen Lebensberuf (Famulla, 2001) kann keine Rede sein:
»Ökonomische Wandlungstendenzen wie Globalisierung, Flexibilisierung, Mobilität tangieren Ausbildungsfähigkeit von der gesellschaftlichen Makroebene aus. […] Dieser Wandel wird zukünftig die Berufsorientierung von Jugendlichen mitbestimmen und Lebenslanges Lernen zu einer Notwendigkeit für alle machen.« (Schlemmer, 2008, S. 15)
Durch ein immer weiter steigendes Bildungsabschlussniveau werden nicht nur immer höhere bzw. mehr Abschlüsse, sondern zudem auch bestimmte, zuvorderst intellektuell-kognitive Kernkompetenzen notwendig. Die vor allem durch Digitalisierung bedingte voranschreitende Wegrationalisierung (Haeberlin, 1998) des Niedriglohnsektors und Sonderarbeitsmarktes sowie die Akademisierung einer Reihe von Berufsgruppen lässt formale Schulabschlüsse und Bildungszertifikate immer bedeutsamer werden (Fasching, 2019, S. 854). Die durchschnittliche Höherqualifizierung geht allerdings damit einher, dass es sich für niedrigqualifizierte Jugendliche und Schüler*innen aus Mittel- bzw. Haupt- und Sonderschulen zunehmend schwieriger gestaltet, am allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen (Nentwig, 2018, S. 22). Als besonders herausfordernd stellt sich der Übergang für Jugendliche mit bestimmten Differenzmerkmalen dar. Sie sind besonders von (zunehmender) Benachteiligung, Ausgrenzung und Stigmatisierung betroffen und sehen sich mit hohen Zugangsbarrieren im Ausbildungs- und Berufssystem konfrontiert.
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