Als solchen Volkes Einer soll.
Damit gewann ich so genug,
Daß ich über die Schnüre schlug
Und mehr gewinnen wollte
Als ich besitzen sollte.
Ich wollt ein Kaufmann sein: der Rath
Ists, der mich verrathen hat.
Einen Kaufmann hatt ich mir gesellt,
Reich genug an Gut und Geld:
Wir Zwei beluden einen Kiel
Mit Allem, was uns wohlgefiel,
Und fuhren von Hispanien
Meerüber gen Britanien.
Uns begegnet' aber auf dem Meer
In einem Schiff ein Räuberheer:
Das nahm uns Alles, groß und klein,
Und erschlug den Kaufgefährten mein,
Und Alles was lebendig war.
Nur mich verschonten sie, obzwar
An dieser Wunde fährlich krank:
Das sag ich dieser Harfe Dank,
Denn die gab ihnen Bericht
(Ich selber auch verhehlt' es nicht),
Ich sei ein Spielmann eigentlich.
Mit großer Noth erbettelt' ich
Von ihnen dieses Schifflein
Und so viel Speise darein,
Daß ich bis heute mochte leben.
So must ich auf dem Meere schweben
Mit Marter und mit großer Plage
Wohl vierzig Nächt und vierzig Tage,
Wohin die Winde mich schlugen
Und die wilden Wellen trugen,
Jetzo her und jetzo hin,
Und kann nicht wißen, wo ich bin,
Noch weniger, wohin ich soll.
Nun thut, ihr Herr, an mir so wohl,
Gott im Himmel wird es lohnen,
Und helft mir hin, wo Leute wohnen.«
»Geselle«, sprachen da die Boten,
» Deiner süßen Stimm und deiner Noten
Sollst du bei uns genießen,
Auf dem Meer nicht länger fließen
Ohne Trost und ohne Rath.
Was dich auch hergewiesen hat,
Gott oder Waßer oder Wind,
Wir bringen dich, wo Leute sind.«
Das thaten sie: sie führten ihn
Und den Kahn auch mit sich hin
Der Stadt zu, wie er sichs erbat,
Banden das Schifflein ans Gestad
Und sprachen zu ihm: »Sieh, Spielmann,
Nimm wahr und sieh die Burg dir an
Und diese schöne Stadt dabei.
Weist du, welche Stadt es sei?«
»Nein, Herr, ich weiß nicht was es ist.«
»So sagen wir dir denn, du bist
Zu Develin in Irland.«
»Des lob ich meinen Heiland,
Daß ich doch unter Leuten bin.
Denn Jemand find ich wohl darin,
Der ein gutes Werk an mir begeht
Und mir als Arzt zur Seite steht.«
Die Boten fuhren nun dahin
Und huben an in Develin
Von dieses Spielmanns Sachen
Das Wunder groß zu machen.
Sie sagten, ihnen wäre
Gar seltsame Märe
Widerfahren an dem Mann;
Nach seinem Aussehn möge man
Sich nimmer Des zu ihm versehn.
Sie hätten, und so wars geschehn,
Schon eh sie hingekommen,
Aus der Ferne vernommen
Also süßen Harfenklang
Und zu der Harfe solchen Klang,
Gott möcht ihn gerne hören
In seinen Himmelschören;
Und sagten: »In dem Schifflein saß
Ein armer Märtrer leichenblaß,
Ein todwunder Spielmann:
Geht hin, ihr seht es ihm wohl an,
Er stirbt morgen oder heute noch,
Und in der Marter hat er doch
Sich so frischen Muth bewahrt,
Wenn ihr durch alle Reiche fahrt,
Ihr findet doch wohl nicht den zweiten,
Der so viel Widerwärtigkeiten
Erträgt mit so gelaßnem Sinn.«
Nun, die Bürger eilten hin
Und trieben mit Tristanden viel
Gespräches, wie es eben fiel,
Und fragten ihn die Kreuz und Quer:
Und wie die Boten vorher
Und mit denselben Reden
Beschied er einen Jeden.
Auf ihre Bitte harft' er ihnen,
Und fliß sich Jeglichem zu dienen
Und zu thun, was man ihn hieß;
Mit gutem Willen that er dieß,
Und wie ers mocht erzielen
Mit Singen oder Spielen,
Ihre Gunst sich zu gewinnen,
Das war sein Trachten und sein Sinnen.
Und als der arme Spielmann
Über seine Kraft begann
In sein Harfen und sein Singen
Süßigkeit zu bringen,
Da must er sie erbarmen.
Da ließen sie den Armen
Aus seinem Schifflein tragen
Und einem Arzte sagen,
Daß er ihn zu sich nähme
Und was ihm wohlbekäme,
Damit sollt' er ihn letzen:
Sie wollten ihm ersetzen
Die Kosten, und die Müh bezahlen.
Nun dieß geschah auch allzumalen;
Doch als er ihn heimbrachte
Und da zu heilen dachte
Und Alles auf ihn wandte
Was er nur wust und kannte,
Da wollt es all nicht frommen.
Diese Kunde ward vernommen
In der ganzen Stadt zu Develin;
Man sah sie scharenweise ziehn
Und sein Ungemach beklagen.
Nun geschahs in diesen Tagen,
Daß ein Pfaffe zu ihm kam
Und seine große Kunst vernahm
Im Spielen und im Singen;
Er selbst war in den Dingen
Nicht so ohne Meisterschaft:
Denn er versuchte seine Kraft
An jeglichem Saitenspiel
Und konnt auch fremder Sprachen viel.
An Kunst und höfischem Fug
Hatt er seiner Zeit genug
Verwandt und allen feinen Sinn.
Er war Isold, der Königin,
Meister und ihr Ingesind
Und hatte sie schon früh als Kind
Gewitzigt nach Begehren
In allen guten Lehren,
Und manche fremde Wißenschaft
Hatt ihr sein Unterricht verschafft.
Auch lehrt' er ihre holde
Tochter Isolde,
Die erwünschteste Magd,
Von der die Welt viel Wunder sagt
Und von der auch diese Mären sind.
Sie war ihr einziges Kind:
Drum hatte sie von Anbeginn
Auf sie verwendet Fleiß und Sinn,
Daß sie mit Hand und Munde
Erlerne gute Kunde;
Die hatt er auch in seiner Pflege
Und gab ihr Unterricht allwege
In Büchern und im Saitenspiel.
Als der an Tristan so viel Fug
und höfsche Kunst ersah,
Sein Ungemach erbarmt' ihn da
Von ganzem Herzen inniglich.
Da säumt' er auch nicht länger sich,
Er gieng die Königin an
Und sagt' ihr, wie ein Spielmann
Bei einem Arzt verkehre,
Der recht ein Märtrer wäre
Und lebendgen Leibes todt
Und doch so heiter in der Noth
Und in allen Künsten auserkoren
Wie je ein Mann vom Weib geboren.
»Doch«, sprach er, »edle Königin,
Brächt ichs mit Bitten doch dahin,
Daß wir darauf gedächten,
Wie wir dahin ihn brächten,
Wohin ihr schicklich kämet
Und das Wunder vernähmet,
Daß ein sterbender Mann
Noch so lieblich spielen kann
Und süße Lieder singen,
Und nichts doch will gelingen
Was man zu seinem Heil ersinnt,
Denn er ist des Todes Kind.
Der Arzt, in dessen Haus er lag
Und der sein pflag bis diesen Tag,
Der hat ihn aufgegeben,
Denn er fristet ihm das Leben
Nicht mit allem Fleiß und Sinn.«
»Sieh«, sprach die weise Königin,
»Ich will den Kämmerlingen sagen
(Kann er anders es vertragen,
Wenn Hände ihn berühren
Und von der Stelle führen),
Daß man ihn zu uns bringe,
Ob bei dem Stand der Dinge
Vielleicht noch Hülfe fromme,
Daß er zu Kräften komme.«
Dieß ward gethan und dieß geschah.
Als da die Königin ersah,
Wie es um sein Übel stand,
Und der Wunde Farbe hatt erkannt,
Da sah sie wohl das Gift daran.
»Ach, armer Spielmann«, hub sie an.
»Von Gifte bist du also wund.«
»Ich weiß nicht«, sprach des Kranken Mund:
»Ich kann nicht wißen, was es sei;
Doch da mir alle Arzenei
Nicht helfen mag, daß ich entrinne,
So weiß ich nicht was ich beginne
Als daß ich mich Gott ergebe
Und so lang ich möge, lebe.
Wer aber Gnad an mir begeht,
Da es so ängstlich um mich steht,
Dem lohne Gott. Hülf ist mir Noth:
Ich bin lebendgen Leibes todt.«
Die Weise sprach ihm wieder zu:
»Sag an, Spielmann, wie heißest du?«
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