Daß ihm Gott der milde
Beschirme und beschilde
Seinen Adel und sein Kind.
Wie sie so im Beten sind,
Kommt Tristan hergegangen.
Wie ward er da empfangen?
Das sag ich euch, der Wahrheit nach:
Tristan ward an diesem Tag
Unter alle dem Gesinde
Von keinem Mutterkinde,
Auch Marken nicht, mit Grüßen
Empfangen also süßen,
Als er doch sicher wäre
Ohne dieses Leid, das schwere.
Des nahm nun Tristan wenig wahr;
Doch trat er kecklich vor die Schar,
Der man die Looße zog und las,
Wo Morold und Marke saß,
»Ihr Herren«, sprach er allzumal,
»Wie ihr auch heißt in diesem Saal,
Die hieher zum Looße laufen,
Ihre edeln Kinder zu verkaufen:
Schämt ihr euch nicht der Schande,
Die durch euch geschieht dem Lande?
So mannhaft wie ihr allezeit
In allen Dingen wart und seid,
So solltet ihr euch selbst zugleich
Und dieses Land und euer Reich
Zu Ansehn bringen und zu Ehren
Und eure Ehren immer mehren;
Und wollt eure Freiheit nun,
Wie verzagte Wichte thun,
Euern Feinden vor die Füße legen
Und ihm schnöden Zins erlegen!
Und eure edeln Kindelein,
Die eure Wonne sollten sein,
Euer Lust und euer Leben,
Gebt und habt ihr hingegeben
Zu Schalken und zu Waisen,
Und könnt doch nicht erweisen,
Daß euch Noth dazu bezwinge.
Denn hier brauchts nicht andre Dinge
Als ein Zweikampf und ein Mann;
Andre Noth hats nie gethan.
Doch könnt ihr in dem ganzen Reich
Nicht Einen finden unter euch,
Der wider Einen Mann sein Leben
An die Wage wolle geben
Ob er bleibe oder siege.
Sei es auch, daß er erliege,
So mag doch wohl ein kurzer Tod
Und diese währende Noth
Im Himmel und auf Erden
Nicht gleich gewogen werden.
Geschieht es aber, daß er siegt
Und das Unrecht erliegt,
So ist ihm Ehr hienieden,
Dort Gottes Lohn beschieden.
Soll doch der Vater für sein Kind,
Da beide nur Ein Leben sind,
Das Leben geben. so wills Gott.
Der treibt mit Gottes Willen Spott,
Der sein freigeboren Kind
Dem Zwingherrn auszuliefern sinnt,
Daß es in Knechtschaft schwebe
Und er in Freiheit lebe.
Soll Ich euch Rath zu euerm Leben
Nach Gott und nach den Ehren geben,
So dünkt michs beßer viel gethan,
Ihr erwählt euch einen Mann,
Wo man ihn immer finde
Unter diesem Landgesinde,
Der den Kampf nicht braucht zu meiden
Und dem Glück es freistellt, zu entscheiden,
Ob er siege oder falle:
Den Kühnen bittet Alle,
Um Gotteswillen allermeist,
Und fleht, daß ihm der heilge Geist
Glück und Ehre gebe,
Auf daß er nicht erbebe
Vor Morold, weil er stark und groß;
Auf Gottes Macht vertrau er bloß,
Denn der verließ noch keinen Mann,
Der auf gerechte Dinge sann.
So geht zu Rath denn schnelle,
Berathet euch zur Stelle,
Wie ihr die Schande von euch kehrt
Und euch des Einen Manns erwehrt:
Nehmt von Geburt und Adel
So großer Schande Tadel.«
»Ach«, sprachen Alle zu Tristan,
»Viel anders stehts um diesen Mann,
Vor dem kann Niemand gedeihn.«
Tristan sprach: »Laßt die Rede sein.
Gott zu Lieb besinnt euch noch:
Seid ihr von Geburt ja doch
Allen Köngen gleich entsproßen.
Aller Kaiser Genoßen,
Und wollt nun eure edeln Kinder,
Die edel sind wie ihr, nicht minder,
Verhandeln und verkaufen
Und zu Eigenschalken taufen.
Und mögt ihr Keinen eurer Mannen
Hierzu erherzgen und ermannen,
Daß er um eure Noth und Klage
Und des Landes Schmach und Niederlage
Kühnlich nach dem Rechte
In Gottes Namen fechte
Wider diesen Einen Mann,
Und geruhet ihr alsdann
Daß ihrs an Gott stellt und an mich,
Fürwahr, ihr Herren, so will Ich
Meine Jugend und mein Leben
Mit Gott auf Abenteuer geben,
Und euch zu lieb den Kampf bestehn.
Gott laß ihn euch zu Gut ergehn
Und helf euch noch zum Rechte.
Geschieht es im Gefechte,
Daß es mir am Glück gebricht,
Das schadet euerm Rechte nicht.
Find ich in dem Kampf den Tod,
Damit ist euer Aller Noth
Weder ab- noch angekehrt,
Nicht gemindert noch gemehrt,
Es steht noch wie es jetzo steht;
Und ists, daß es zum Heil ergeht,
Das kommt allein von Gotteswegen,
Und Gott verdankt allein den Segen.
Denn den ich soll bestehn allein,
Der ist, so sagt man allgemein,
So durch Muth und Leibeskraft
In aller ernsten Ritterschaft
Ein lange her bewährter Mann:
Ich aber, dem nur erst heran
Der Muth wächst und die Kräfte,
Bin zu des Kampfs Geschäfte
Noch nicht zu kürbar und so gut
Als uns Noth wohl jetzo thut;
Doch weiß ich im Gefechte
An Gott und an dem Rechte
Siegreiche Helfer bei mir stehn:
Die solln mit mir zum Kampfe gehn.
Auch hab ich willigen Muth,
Der ist auch zum Kampfe gut:
Und helfen mir nur diese drei,
Wie unversucht ich anders sei,
So hab ich guten Trost dazu,
Daß mir der Eine Mann nichts thu.«
»Herr«, sprach die ganze Ritterschaft,
»Die heilige Gotteskraft,
Die all die Welt geschaffen hat,
Die vergelt euch Trost und Rath.
Und der frohen Hoffnung Wahn,
Die ihr uns habt aufgethan.
Herr, laßt euch das Ende sagen:
Unser Rath hat wenig Frucht getragen.
Wollt unser Heil es uns gestatten,
So viel wie wirs versucht schon hatten
Und so oft als es begonnen ward,
So blieb es nicht auf heut verspart.
Wir haben nicht zu Einem Mal
Allein, wir hier in Cornewal,
Rath um unsre Noth gepflogen:
Wir sind auf manchen Tag gezogen
Und konnten, wie bedrängt wir sind,
Doch Keinen finden, der sein Kind
Nicht lieber wollt in Knechtschaft geben
Als in den Tod das eigne Leben
Im Kampf mit diesem Teufelsmann.«
»Wie sprecht ihr also?« sprach Tristan,
»Der Dinge sind doch viel geschehn:
Man hat oft Wunder gesehn,
Wie ungerechte Hochfahrt
Durch kleine Kraft geniedert ward.
Das möcht auch jetzt wohl noch geschehn,
Wagt' es Einer zu bestehn.«
Das hörte Morold all mit an:
Da verdroß ihm mächtig, daß Tristan
So eifrig nach dem Kampfe da
Verlangte, der so kindisch sah,
Und trug ihm drum im Herzen Haß.
Tristan sprach jedoch fürbaß:
»Ihr Herren alle, redet nun,
Was ist euch lieb, daß ich soll thun?«
»Herr«, sprachen Alle insgemein,
»Möcht es immer also sein,
Die Hoffnung, die ihr uns gemacht,
Daß die würde vollbracht,
So geschäh uns Allen nach Begehr.«
»Ist euch das lieb«, sprach wieder Er,
»Wohl, da es so auf diese Frist
Und mir vorbehalten ist,
Will es denn Gott gefallen,
So versuch ich, ob euch Allen
An meinen jungen Jahren
Gott Heil läßt widerfahren
Und ob mir selber blüht das Glück.«
Da zög ihn Marke gern zurück
Von so fährlichem Beginnen:
Er hofft es zu gewinnen,
Wenn ers ihn laßen hieße,
Daß ers ihm zu Liebe ließe;
Nein, Gott weiß, daß er das nicht that:
Wie er gebot und wie er bat,
Er konnt ihn nicht dazu bewegen,
Daß er abstünde seinetwegen.
Er gieng dahin, wo Morold saß,
Und redete darauf fürbaß:
»Herr«, sprach er zu ihm, »saget mir,
So helf euch Gott, was werbt ihr hier?«
»Freund«, sprach Morold da zur Stund,
»Was fraget ihr? euch ist wohl kund
Mein Gewerb und mein Begehr.«
»Ihr Herren alle, höret her,
Mein Herr der König und sein Bann«,
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