Das uns jetzo nimmt den Frieden.
Herr, unser Trost und lieber Wahn,
War immer dieser bisheran,
Wir sollten miteinander leben;
Nein, unserm Leben ist vergeben,
Das wir zu Freuden sollten haben:
Erstorben ist es und begraben,
Wenn ihr euch von hinnen kehrt.
Herr, so habt ihr uns gemehrt
Und nicht gemindert unser Leid.
Unser aller Seligkeit
War kaum ein wenig aufgestiegen;
Nun muß sie gar darnieder liegen.«
Ich weiß es sicher wie den Tod,
Wie groß der Andern Klag und Noth
Und ihres Herzens Schwere
Auch war um diese Märe,
Rual, dem es zu Gut geschah,
Der davon so großes Frommen sah
An der Ehre wie am Gut,
Dem schuf es doch in seinem Muth
Mehr als all den Andern Qual:
Er empfieng ein Lehen dazumal,
Weiß Gott, ihm ward all sein Leben
Mit solchem Jammer keins gegeben.
Nun Rual und seine Kinder
Belehnt sind und beerbt nicht minder
Von Tristan, ihres Herren Hand,
Tristan befahl Gott Leut und Land
Und fuhr aus seinen Landen;
Da fuhr auch mit Tristanden
Sein treuer Meister Curvenal.
Seine Mannen mit Rual,
Dazu das Landvolk insgemein,
War ihr Kummer da nur klein
Und ihres Herzens Leiden
Um des trauten Herren Scheiden?
In Treuen, das vernein ich wohl.
Parmenîe war da voll
Des Jammers und der Klagen;
Es war nicht auszusagen.
Die Marschallin Floräte,
Die treue, die stäte,
Marterte den schönen Leib
Wie es billig thut ein Weib,
Der Gott ein gehehrtes Leben
An Weibesehren hat gegeben.
Was läng ich länger noch hieran?
Der landlose Tristan
Als der gen Cornwal wieder kam,
Eine Mär er allzuhand vernahm,
Die er ungern hat vernommen:
Von Irland wär gekommen
Morold der heldenstarke,
Und forderte von Marke
Mit kampflichen Handen
Den Zins von beiden Landen,
Von Cornwal und von Engelland.
Um diesen Zins wars so bewandt:
Der Englands Krone sonst besaß,
Wie ichs in der Historie las
Und die rechte Märe spricht,
Der hieß Gurmun und anders nicht,
Und war von Africa geboren
Und sein Vater dort zum Herrn erkoren.
Als der verschied, da fiel das Land
An ihn und seines Bruders Hand,
Der Erbe war so gut als er.
Doch wuste Gurmun sich so hehr
Und trug so hoch seinen Muth,
Er mochte kein gemeines Gut
Mit einem andern Mann empfahn.
Ihn wies das Herz auf andre Bahn:
Er wär gern selbst ein Herr gewesen.
Da begann er zu erlesen
Die Muth- und Ehrenfesten,
Zu aller Noth die Besten,
Die Jemand wust im Lande,
Ritter und Sarjande,
Die er mit seinem Gute
Oder höfischem Muthe
Bringen mocht in sein Geleit,
Und überließ zur selben Zeit
Seinem Bruder all sein Land.
So wandt er sich hinaus zuhand
Und erwarb auch bei den Römern bald,
Die der Welt geboten mit Gewalt,
Urlaub mit dem Bedinge:
Was seine Kraft bezwinge,
Daß er darüber schalte,
Und ihnen nur behalte
Gewisse Recht' und Ehren.
Da mocht ihm Niemand wehren,
Er fuhr mit einem starken Heer
Über Land und über Meer
Bis er zu den Iren kam,
Deren Land er siegreich nahm
Und sie so bezwang im Streit,
Daß sie, wenn auch unbereit,
Ihn zum Herrn und König nahmen
Und so in Knechtschaft kamen,
Daß sie zu allen Zeiten
Mit Stürmen und mit Streiten
Ihm die Nachbarn halfen zwingen.
So einmal im Gelingen
Unterwarf er seiner Hand
Auch Cornewal und Engelland.
Marke war da noch ein Kind,
Unwehrhaft wie die Kinder sind:
So nahm er ab an seiner Kraft
Und ward Gurmunen zinshaft.
Auch half dabei Gurmunen sehr
Und lieh ihm Macht und Ehre mehr,
Daß er Morolds Schwester freite:
Das half ihm, daß er Furcht verbreite.
Der ward da Herzog genannt
Und hätte gern ein Königsland
Selber auch beseßen;
Denn er war gar vermeßen
Und hatte Land und großes Gut,
Starken Leib und hohen Muth.
So focht er Gurmuns Heer voraus.
Nun aber leg ich euch aus
Wie es mit dem Zinse stand,
Der den Iren ward gesandt,
Aus jedwedem Lande zwar:
Sie sandten hin das erste Jahr
Dreihundert Mark Messinges
Und keines andern Dinges;
Das andre Silber, das dritte Gold.
Im vierten aber kam Morold
Der Starke von Irlanden
Und wollte sein bestanden.
So wurden denn vor ihn gesandt
Aus Cornewal und Engelland
Die Baronen all und Großen.
Die giengen da zu looßen
In seinem Beisein, Wer von ihnen
Sein Kind ihm gäbe, das zu dienen
Geschickt wär nach den Jahren
Und kundig zu gebahren
Nach Zucht und edelm Hofgebranch,
Schönen Leibes nicht minder auch:
Nicht Mädchen, lauter Knäbelein,
Und der Knaben sollten dreißig sein
Aus jedwedem Lande,
Und sollte dieser Schande
Niemand mögen widerstehn,
Es müst im Zweikampf denn geschehn
Oder auch im Landgefecht.
Nun mochten sie zu ihrem Recht
Mit offner Gegenwehr nicht kommen,
Denn die Lande hatten abgenommen.
So war auch Morold so stark,
So erbarmungslos und arg,
Daß Niemand wider ihn allda,
Der ihm in die Augen sah,
Verwagte Leben und Leib,
Ein Mann so wenig als ein Weib.
Und wenn der Zins für jedes Jahr
Nach Irland hingesendet war
Und nun das fünfte Jahr begann,
So musten beide Lande dann
Stäts zur Sonnenwenden
Romwärts solche Boten senden,
Die den Römern behagten,
Die dann den Boten sagten,
Welch Gebot und welchen Rath
Der gewaltige Senat
Auserdacht und festgestellt
Für ein jedes Volk der Welt,
Das den Römern pflichtig war.
Denn da las man ihnen jedes Jahr
Vor und ließ sie wißen,
Wie sie hinfort beflißen
Sollten sein, das Recht zu weisen
Nach Römerlandrecht, Römerweisen.
Sie musten dann auch immer leben
Wie ihnen Lehre ward gegeben.
Dieser Zins ward hingesandt
Aus diesem wie aus jenem Land
Roma der Gebieterin
Bei jedes fünften Jahrs Beginn.
Doch boten sie ihr solche Ehr
Und diese Zinspflicht nicht so sehr
Um Rechtes noch um Gottes willen
Als um Gurmuns Zorn zu stillen.
Laßt uns zurück zur Märe kommen.
Tristan hatte wohl vernommen
Dieses Leid zu Cornewal;
Auch hatt er früher manches Mal
Wohl gehört schon den Bericht
Wie es stand um dieses Zinses Pflicht.
Doch nun vernahm er alle Tage
Aus des Landvolkes Klage
Des Landes Leid und große Schmach,
Wohin er ritt dem Wege nach,
Vor Städten und Castellen.
Und als zu den Gesellen
Nach Tintajöl er jetzo kam,
Seht, da hört' er und vernahm
In Gaßen und auf Straßen
Die Klage schallen solcher Maßen,
Daß es ihm sehr zu Herzen gieng.
Nicht lange währt' es, so empfieng
Der Hof und König Mark die Märe,
Daß Tristan angekommen wäre;
Des waren sie da Alle froh.
Froh, das mein ich aber so,
Das Maß lag in der Dinge Stand.
Denn die Besten, die man fand
Im ganzen Lande Cornewal,
Waren eben dazumal
Alle an den Hof gekommen
Zur Schande, wie ihr habt vernommen.
Die Edeln und die Großen
Giengen da zu looßen
Ihren Kindern, ach, zum Falle.
So fand sie Tristan Alle
Niederknieend zum Gebete,
Denn ein Jeder bat und flehte
Ohne Scham und unverborgen,
Laut weinend in den Sorgen,
Mit inniglichen Schmerzen
Des Leibes und der Herzen,
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