Tristan nahm ihn an die Hand
Herzlich, wie ers im Herzen fand,
Und führt' ihn wieder hin zu Mark.
Da begann er ihnen stark
Und mächtig zu gefallen.
Eine Rede wars bei Allen:
Seht, wie gut Gewand so bald
Den Mann gemacht hat wohlgestalt!
Die Kleider stehn dem Kaufmann
Schön, ja unvergleichlich an;
Auch schaut er selber fürstengleich.
Wer weiß, er ist der Ehren reich:
Er hat davon die Weise wohl,
Wenn man die Wahrheit sagen soll.
Seht nur, wie herrlich er geht
Und wie ihm Thun und Laßen steht
In höfischen Gewanden.
Auch mag man an Tristanden
Seinen Werth gar wohl erschaun:
Ein Geschäftsmann könnte traun
Sein Kind so höfisch nicht erziehn,
Wär ihm nicht edler Sinn verliehn.
Als man jetzt das Waßer nahm
Und der König zu den Tischen kam,
Da setzt' er seinen Gast Rual
An seine Tafel und befahl,
Daß man ihm höfisch dien und wohl
Wie man dem Höfschen dienen soll.
Zu Tristan sprach er: »Vor der Schar
Der Gäste nimm des Vaters wahr.«
Nun, ich will meinen, das geschah.
Er bot ihm so viel Ehre da
Als ihm Jemand bieten könnte,
Weil es sein Herz ihm gönnte.
Auch aß Rual der gute
Sein Theil mit willgem Muthe,
Denn Tristan macht' ihn froh und frank,
Tristan würzt' ihm Speis und Trank;
Daß er Tristan vor sich sah,
War das höchste Heil, das ihm geschah.
Als nun zu Ende gieng das Mal,
Unterhielt der König sich im Saal
Mit dem Gast und fragt' ihn allerhand,
Sowohl von seinem Heimatland
Als über seine Reise.
Sie sprachen nicht so leise,
Die Ritter hörtens und die Herrn
Und vernahmen seine Märe gern.
»Herr«, sprach Rual, »es geht fürwahr
Jetzt schon tief ins vierte Jahr,
Seit ich aus meiner Heimat schied;
Und wo ich immer hingerieth
Nicht andrer Märe fragt' ich nach,
Als der, die mir am Herzen lag
Und um die ihr mich auch hier erseht.«
»Was war das?« – »Tristan, der hier steht.
Und doch hab ich Kinder eine Zahl,
Fürwahr, Herr, die mir Gott befahl,
Und gönn es allen auch so wohl
Als man nur seinen Kindern soll:
Drei Söhne: wär ich dort geblieben,
Nicht länger braucht ichs zu verschieben,
Zwei möchten jetzt wohl Ritter sein.
Und hätt ich nur die halbe Pein
Erlitten um sie alle Drei,
Wie fremde mir auch Tristan sei,
Die ich um ihn allein ertrug,
Es wär fürwahr des Leids genug.«
»Fremde?« fiel der König ein,
»Sagt mir an, wie kann das sein?
Euer Sohn doch ist er, wie er spricht.«
»Nein, Herr, verwandt ist er mir nicht,
Als nur sofern, ich bin sein Mann.«
Tristan erschrak und sah ihn an.
Der König sprach: »So thut uns kund,
Warum denn und aus welchem Grund
Erlittet ihr um ihn die Noth,
Daß ihr Weib und Kinder floht,
Wie ihr sprecht, so lange Frist,
Wenn er euer Sohn nicht ist?«
»Herr König, das weiß Gott und ich.«
»Freund, so belehrt davon auch mich«,
Begann der gute König,
»Es wundert mich nicht wenig.«
»Wüst ich«, sprach der Getreue,
»Daß es mich nicht gereue
Und daß mir diese Märe
Zu sagen ziemend wäre:
Herr, so möcht ich Wunder sagen,
Wie sich das Ding hat zugetragen
Und gefügt von Anfang an
Mit euerm Diener Tristan.«
Der König und die Herrn zumal
Und als das Ingesind im Saal,
Die baten ihn zur Stunde
Wie aus Einem Munde:
»Sagt uns, seliger Mann,
Getreuer Mann, wer ist Tristan?«
Da hub der Marschall an und sprach:
»Herr, es geschah vor manchem Tag,
Wie ihr wohl wißt und alle die,
Die zu den Zeiten waren hie,
Mit Riwalin, dem Herren mein,
Des Mann ich war und sollte sein
Noch heut, wenn Gott nur wollte,
Daß er noch leben sollte –
Daß er so viel zu euerm Preise
Vernahm und in so mancher Weise,
Bis er Leute mir und Land
Zumal befahl in treue Hand.
Zu diesen Landen kam er so,
Daß er euch kennen lerne, froh,
Und ward eur Ingesinde hier.
Des Weitern schweig ich, wißet ihr
Doch selber, was ihm widerfuhr
Mit der schönen Blanscheflur:
Wie er zur Freundin sie gewann
Und wie sie bald mit ihm entrann.
Als sie zu Lande kamen,
Und sich zur Ehe nahmen,
Das ist in meinem Haus geschehn:
Ich habs und mancher Mann gesehn.
Auch befahl er sie in meine Pflege,
Und pflag ich ihrer aller Wege
So gut ich immer konnte.
Nicht lang darnach begonnte
Der Ritter einen Heereszug,
Entbot die Seinen schnell genug
Und fuhr auch bald von dannen
Mit Freunden und mit Mannen
Und ward in einem Kampf erschlagen;
Ihr hörtet es wohl selber sagen.
Und als die leide Mär uns kam
Und die schöne Frau vernahm,
Wie es ergangen wär im Streit,
Das war ein tödtliches Leid,
Das so tief ins Herz ihr schlug –
Hier steht Tristan, den sie trug;
Den gebar sie in der bittern Noth;
Sie selber lag, die Mutter, todt.«
Darüber fiel den treuen Mann
So inniglicher Jammer an,
Es ward an ihm wohl offenbar:
Saß er doch und weinte gar
Als ob er kindisch wäre.
Auch sah man von der Märe
Den andern Herren allen
Die Augen überwallen.
Auch der gute König Mark
Nahm den Jammer sich so stark
Und Ruals Bericht zu Herzen,
Daß seines Herzens Schmerzen
In Thränen aus den Augen floßen
Und ihm Wang und Kleid begoßen.
Tristanden that die Kunde
Gar weh im Herzensgrunde,
Geschah ihm gleich kein Leid daran,
Als daß er an dem treuen Mann
Den Vater, den er sein geglaubt,
Sich auf einmal sah geraubt.
So saß Rual der gute
Mit traurigem Muthe
Und sagte dem Gesinde
Von dem verwaisten Kinde,
Dem er ein treuer Pfleger war,
Seit es die Mutter gebar.
Er sagte, wie's auf sein Geheiß
Verhohlen ward mit allem Fleiß;
Wie er das Gerücht verbreiten ließ,
Die Landgenoßen sagen hieß,
Es sei mitsamt der Mutter todt;
Dann wie er seinem Weib gebot
Wie ich euch früher sagte,
Daß sie sich heimlich klagte,
Und eine Weile inne lag,
Damit sie nach demselben Tag
Den Leuten möge sagen,
Sie hab ein Kind getragen;
Wie sie mit ihm zur Kirche gieng
Und es die Taufe da empfieng;
Warum es Tristan ward genannt;
Wie er es dann hinausgesandt,
Damit es in der Ferne
Mit Hand und Mund erlerne
Die Künste, die ers lehren hieß;
Dann wie ers in dem Schiffe ließ,
Wo es ihm diebisch ward genommen,
Und wie er wär hieher gekommen
Nach langer Irrfahrt seinetwegen.
So saß und meldete der Degen
Haarklein, wies ergangen wär.
Da weinte Marke, weint' auch Er,
Die Herren weinten insgemein
Außer Tristan allein:
Der konnt es nicht beklagen
Was er ihn hörte sagen,
Es kam ihm allzu jählings an.
Doch was Rual, der gute Mann,
Dem Gesinde von dem Leide
Sagte der Gelieben Beide,
Von Riwalin und Blanscheflur,
Was ihnen Alles widerfuhr,
Doch mochte sich dergleichen
Der Treue nicht vergleichen,
Die er dem Herrn erwies im Tod –
Ihr hörtet mit wie großer Noth –
An dem verwaisten Kinde:
Das schien dem Ingesinde
Die große Treue, die ein Mann
Zu seiner Herschaft je gewann.
Als diese Rede war geendet,
Sprach Marke zu dem Gast gewendet:
»Herr, ist es wahr, daß dieß geschah?«
Rual der gute legt' ihm da
Einen Fingerring in seine Hand.
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