Zu Ende brachte nach Begehr,
Herr Marke sprach: »Tristan, geh her.
Der dich das hat gelehret,
Der sei vor Gott geehret
Und du mit ihm: das hat wohl Grund.
Ich hörte gerne deinen Mund
Lieder singen vor der Nacht,
Wenn doch dein Auge gern noch wacht.
Nicht wahr, das thust du mir und dir?« –
Ja, gerne, Herr. – »Nun sage mir,
Kannst du noch ander Saitenspiel?« –
Nein, sprach er, Herr. »Zier dich nicht viel;
So lieb als ich dir bin, Tristan,
Die rechte Wahrheit sag mir an.«
Die Wahrheit sprach er da getreuer:
»Ihr braucht mich nicht so hoch und theuer
Zu mahnen, Herr: ich hätt es wohl
Schon so gesagt, da ich es soll,
Und ihr es wollet wißen.
Herr, ich war beflißen
Zu lernen jedes Saitenspiel;
Und kann von Keinem doch so viel,
Ich wüste gern davon noch mehr.
Auch hab ich es nur nebenher
Und nicht jeden Tag getrieben;
Und bin dabei geblieben
Kaum in das siebente Jahr
Oder wenig drüber, das ist wahr.
Man lehrte mich in Parmenie
Fiedelspiel und Symphonie;
Harfen und Rotten
Lehrten mich Galiotten,
Zwei Meister galoise;
Mich lehrten Britanoise
(Sie waren aus der Stadt zu Lut)
Die Leier und das Sambiut.«
Sambjut, was ist das, lieber Mann?
»Das beste Saitspiel, das ich kann.«
»Seht«, sprach das Hofgesinde,
»Gott hat diesem Kinde
Zu recht wonniglichem Leben
Seiner Gnaden viel gegeben.«
Noch fragt' ihn König Marke mehr:
»Tristan, ich hörte dich vorher
Britunnisch singen und galois,
Gut Latein und auch franzois;
Kannst du die Sprachen?« – »Herre, ja,
So ziemlich wohl.« Von fern und nah
Kam der Haufe da gedrungen,
Wer nur in fremden Zungen
Sprach aus einem Nachbarland,
Der versucht' ihn allzuhand,
Bald in dieser, bald in der;
Da fiel antworten ihm nicht schwer
Ihnen Allen in der ihren,
Norwegern oder Iren,
Allmannen, Schotten, Dänen.
Da mochte wohl sich sehnen
Manch Herz nach Tristans Gaben:
Die wollten Alle haben;
Ein Jeder wollte sein wie er,
Und rief mit herzlichem Begehr
Süß und wonniglich ihm zu:
»Ach, Tristan, wär ich doch wie du!
Tristan, du magst wohl gerne leben:
Dir sind im Übermaß gegeben
Alle Gaben, die ein Mann
Auf der Welt nur haben kann.«
Groß Wunder ward auch dorten
Von ihm gemacht mit Worten:
Hört! sprach Dieser, hört! sprach Der;
Alle Welt die höre her:
»Ein vierzehnjähriges Kind
Kann alle Künste, die nur sind.«
Da sprach Herr Marke: »Tristan höre,
An dir ist was ich nur begehre,
Alles kannst du was ich will,
Jagdkunst, Sprachen, Saitenspiel.
So wollen wir Gesellen sein,
Du mein Geselle und ich dein.
Wir wollen Tages reiten jagen:
Des Abends finden wir Behagen
An höfischen Dingen:
Harfen, Fiedeln, Singen,
Das kannst du wohl, das thu du mir.
Ich kann ein Spiel, das thu ich dir,
Das auch dein Herz dir wohl begehrt:
Schön Gewand, manch schnelles Pferd,
Und wonach noch sonst der Sinn dir zielt,
Geb Ich dir: das ist wohl gespielt.
Sieh, mein Schwert und meine Sporn,
Meine Armbrust und mein golden Horn,
Geselle, die befehl ich dir:
Die übernimm und pflege mir,
Und sei du höfisch und sei froh.«
Nun ward der Heimatlose so
Bei Hof ein lieb Gesinde.
Man sah an einem Kinde
Den Segen nie, nicht vor noch nach,
Denn was er that und was er sprach,
Das däucht und war auch also gut,
Daß alle Welt ihm holden Muth
Und geneigtes Herze trug.
Der Rede sei hiemit genug.
Wir legen diese Märe nieder
Und greifen zu der andern wieder,
Was sein Vater Marschall Don Rual,
Li foitenant et li leal,
Als er ihm gieng verloren,
Für Rath deshalb erkoren.
Don Rual li foitenant
Fuhr aus Parmenîe dem Land
Über Meer mit großem Gut,
Denn also stand ihm der Muth,
Nicht wieder wollt er kommen,
Er hätte denn vernommen
Zuvor gewisse Märe,
Wo sein Junker wäre.
So kam er gen Norwegen:
Da forscht' er allerwegen
Umher in den Landen
Nach seinem Freund Tristanden.
Was half ihm das? er war nicht da,
Sein Suchen all umsonst geschah.
Als er ihn dort nicht heimisch fand,
Gen Irland wandt er sich zuhand.
Da konnt er, seht, auch dort nicht mehr
Von ihm erfahren als vorher.
Doch weil sich jetzt sein Gut begann
Zu mindern, daß es schier zerrann,
Bequemt' er sich, zu Fuß zu laufen
Und seine Pferde zu verkaufen
Er schickte seine Leute
Heim mit dem letzten Deute;
Sich selber ließ er in der Noth
Und gieng betteln um das liebe Brot.
So trieb er fort sein Wandern
Von einem Reich zum andern,
Von Landen zu Landen,
Und forschte nach Tristanden
Drei Jahre wohl oder mehr,
Bis er endlich all so sehr
Von seines Leibes Schöne kam
Und also ab an Farbe nahm,
Daß wer nicht zuvor gekannt sein Wesen,
Daß er je ein Herr gewesen
Wohl schwerlich glauben würde.
Diese schmähliche Bürde
Der Landstreichergestalt,
Trug der edle Don Rualt
Ohne daß die Armut,
Wie sie weiß Gott doch Manchem thut,
Den guten Willen ihm benahm.
Als es ins vierte Jahr nun kam,
Da war er in Dänemark
Und sucht' und forscht' auch da so stark
Von Statt zu Stätten fern und nah;
Von Gottes Gnaden traf er da
Jene beiden Pilger an,
Die sein Jungherr Tristan
Damals auf dem Waldweg fand.
Nach diesem fragt' er sie zuhand;
Auch sagten sie ihm Märe,
Wann und wie lang es wäre,
Daß ihnen eben solch ein Knabe
Aufstieß wie er beschrieben habe,
Des Führer sie nicht lang geblieben;
Wobei sie ihn genau beschrieben
Nach Antlitz und Haaren,
Nach Reden und Gebahren,
Dazu nach Wuchs und Gewand;
Und wie geschickt und gewandt
Sein Gehaben war in allen Dingen.
Wer mocht es noch in Frage bringen,
Ob es sein lieber Jungherr wär?
Die beiden Waller bat er sehr,
Daß sie ihm doch die Stätte,
Wo er sie verlaßen hätte,
Wenn sie die anders kennten,
Um Gotteswillen nennten.
Da sagten sie dem Marschall:
»Bei Tintajöl in Cornewal
War es, wo wir von ihm kamen.«
Da ließ er mehrmals sich den Namen
Nennen des Orts, und sprach zumal:
»Nach welcher Hand liegt Cornewal?«
»Es stößt«, versetzten sie sogleich,
Jenseits auf Britannenreich.«
Ach, dacht er, Gott und Herre mein,
Hier zeigt sich deiner Gnade Schein.
Ist Tristan, wie ich hier vernommen,
Denn nach Cornewal gekommen,
So ist er unbewust daheim,
Denn Marke ist sein Oheim.
Gott, weise mich auf gleiche Pfade;
Ach, süßer Gott, in deiner Gnade
Laß mir nur noch so wohl geschehn,
Daß ich Tristanden möge sehn.
Von der Märe, die ich hier vernommen,
Laß mir noch Herzensfreude kommen.
Sie gefällt mir wohl und ist auch gut:
Ich fühle meinen schweren Muth
Erleichtert, seit ich sie gewann.
»Ihr selgen Leute«, sprach er dann,
»Mög euch der Jungfrau Sohn bewahren;
Ich will auf meine Straße fahren
Und sehn, ob ich ihn finde.«
»Er weis' euch zu dem Kinde,
Der aller Welten hat Gewalt.«
»Dank«, sprach der gute Don Rualt;
»Gebietet mir, ich muß zur See.«
»Freund«, sprachen sie, »ade, ade!«
Da schritt der Marschall immer zu,
So unverdroßen, daß zur Ruh
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