1 ...7 8 9 11 12 13 ...42 Und alsdann vor aller Welt
Zu behaupten und zu sagen,
Sie habe selbst das Kind getragen,
Die Waise von Riwalin.
Die selige Marschallin,
Die gute, die stäte,
Die reine Floräte,
Die der Frauentugend Spiegel war,
Und der Güte Demant immerdar,
Die ließ sich leicht zu dem bewegen
Was nur geschah der Treue wegen.
Sie stellte Leib und Sinn zur Klage
Wie Eine, die am andern Tage
Schon eines Kindes soll genesen.
Ihr Kämmerlein und all ihr Wesen
Ließ sie in Ordnung bringen
Zu heimlichen Dingen.
Sie wust auch aus Erfahrung wohl,
Wie man dabei sich halten soll:
Dem ahmte sie mit Absicht nach
Und heuchelte groß Ungemach
Am Gemüth und an dem Leibe,
Und that gleich einem Weibe,
Die solcher Noth entgegenblickt
Und Alles weislich beschickt
Was man da zu bedürfen pflegt.
So ward das Kind zu ihr gelegt
Gar heimlich und verstohlen
Und aller Welt verhohlen;
Nur einer Amme wars bekannt.
Bald gieng die Märe durch das Land,
Daß die Marschallin Floräte
Einen Sohn gewonnen hätte.
Es war auch wahr, man log nicht dran,
Daß sie einen Sohn gewann,
Der ihr Sohnestreu erzeigte
Bis sich Beider Leben neigte.
Es trug dieß süße Kind zu ihr
So süße kindliche Begier
Als zu der Mutter soll ein Kind;
Und billig ward sie so geminnt:
Sie hatt auch Ihres Herzens Triebe
Auf Ihn gewandt mit Mutterliebe,
Und hielt daran so treu gesinnt,
Als hätte selber sie dieß Kind
Unter ihrer Brust getragen.
Wie wir die Märe hören sagen,
So hat nie früher noch seither
Ein fremdes Paar so treulich mehr
Erzogen ihres Herren Sohn;
Die Märe selber wird davon
Noch zeugen unverborgen,
Wie väterlicher Sorgen,
Wie mancher Noth sich must um ihn
Der getreue Marschall unterziehn.
Nun die Marschallin zum Schein
Der Noth genesen sollte sein
Und nach den sechs Wochen,
Die den Fraun sind zugesprochen,
Zur Kirche gehen mit dem Sohn,
Von dem ihr mehr vernommen schon,
Da nahm sie selbst ihn auf den Arm
Und trug ihn wohlversorgt und warm
Zu dem Gotteshause hin.
Und als sie dann mit frommem Sinn
Ihr Gottesrecht empfangen
Und zum Opfer war gegangen
Mit schönem Ingesinde,
Da war dem kleinen Kinde
Die heilge Taufe bereit,
Damit es seine Christenheit
In Gottes Namen empfienge
Und, wie es ihm hernach ergienge,
Sein Christenrecht doch hätte.
Da nun an heilger Stätte
Der Priester stand und Alles auch
Bereit war, was beim Taufen Brauch,
Da fragt' er, wie das Kindelein
Denn geheißen sollte sein.
Da gieng die Marschallin hindann
Und sprach geheim mit ihrem Mann
Und fragt ihn, wie er wollte,
Daß man es nennen sollte.
Da schwieg der Marschall lange
Und sann und war ihm bange,
Ob er den Namen finde,
Der ziemend wär dem Kinde.
Dabei erwog er her und hin
Des Kindes Looß von Anbeginn
Und wie's mit ihm gekommen war;
Er hatt es ja vernommen gar.
»Seht«, sprach er, »Frau, wie ichs vernahm
Von seinem Vater, daß es kam
Mit ihm und seiner Blanscheflur,
Wie Trauriges ihm widerfuhr
Bis sein Will und Wunsch ergieng,
Wie sie dieß Kind mit Traur empfieng
Und es mit Trauer gewann,
So heißen wir es Tristan .«
Denn Triste zielt auf Traurigkeit,
Und von der beiden Eltern Leid
Ward Tristan dieses Kind genannt,
Tristan getauft von Priesterhand.
Sein Name war von Trist Tristan;
Mit Recht gehört' ihm der auch an,
Ziemt' ihm in aller Weise
Wie euch die Mär erweise.
Seht wie traurig es war,
Da ihn die Mutter gebar;
Seht wie früh die Welt ihm Noth,
Des jungen Rückens Bürde, bot;
Seht, welch ein trauriges Leben
Ihm zu leben ward gegeben;
Seht an den traurigen Tod,
Der alle seine Herzensnoth
Mit einem Ende beschloß,
Der alles Todes Übergenoß
Und aller Trauer Galle war.
Wer jemals diese Märe gar
Vernimmt, erkennt wohl, daß dem Leben
Der Nam entsprechend ward gegeben:
Er war, so wie er hieß, ein Mann,
Und hieß recht wie er war, Tristan.
Wer aber gerne hätt erkannt,
Aus welchem Grunde Foitenant
Verbreiten ließ die Märe,
Seines Herren Kindlein wäre
Von der Geburtsstunde Noth
Mit seiner todten Mutter todt,
Dem geben wir den Grund wohl an:
Es ward aus Treue gethan.
Wegen Morgan that es der Getreue,
Vor seinem Haße trug er Scheue.
Er sorgte, wüst er um das Kind,
So würd er es mit List geschwind
Oder mit Gewalt verderben
Und das Land berauben seines Erben.
Deshalb nahm der treue Mann
Zum Kinde sich das Waislein an
Und erzogs zu seinem Sohne,
Wofür die Welt zum Lohne
Ihm Gottes Gnade wünschen soll:
Das verdient' er an der Waise wohl.
Als das Kind nun war getauft,
Nach Christenbrauch dem Heil erkauft,
Da nahm ihr liebes Kindlein hin
Die tugendreiche Marschallin
In ihre heimliche Pflege:
Sie wollt es alle Wege
Selbst hüten und besorgen
Den Abend wie den Morgen.
Mit so süßem Fleiße Tag und Nacht
Hielt die süße Mutter ihn bewacht,
Daß sie ihm auch nicht gönnte,
Daß er nur unsanft könnte
Den Fuß zu Boden schieben.
Als sie das mit ihm getrieben
Bis sein siebtes Jahr war voll,
Daß er Geberd und Rede wohl
Verstehen konnt und auch verstand,
Da kam der Marschall allzuhand
Und befahl ihn einem weisen Mann.
Mit diesem sandt er ihn hindann
In fremdes Land der Sprache wegen;
Da sollt er sich aufs Lernen legen,
Das Lesen und das Schreiben
Bei ihm mit Fleiß betreiben
Vor jedem andern Unterricht.
Das war der erste Verzicht,
Den er auf seine Freiheit that,
Nun er in den Bannkreiß trat
Anerzwungner Sorgen,
Die ihm zuvor verborgen
Und noch erlaßen waren.
In seines Aufblühns Jahren,
Da sein Glück erst sollt erstehn,
Der Freud er sollt entgegengehn,
In seines Lebens Beginn,
Da war sein bestes Leben hin.
Als er freudig zu erblühn begann,
Da fiel der Sorge Reif ihn an,
Der mancher Jugend Schaden thut
Und sengt' ihm seiner Freuden Bluth.
Da seine Freiheit begann
War seine Freiheit hindann.
Die Bücherweisheit und ihr Zwang
War seiner Sorgen Anfang,
Und doch, als er damit begann,
Kehrt' er seinen Sinn daran
Und sein Befleißen also sehr,
Daß er in den Büchern mehr
Erlernet hatt in kurzer Frist
Als je ein Kind, von dem ihr wißt.
Zwischen beiden Lernungen,
In den Büchern der und der der Zungen,
Verwandt er seiner Zeit noch viel
Auf jede Art von Saitenspiel.
Daran kehrt' er spät und früh
Seine Emsigkeit und Müh,
Bis er es herrlich konnte.
Zu lernen begonnte
Er heute dieß und morgen das,
Und konnt ers wohl, noch lernt' ers baß.
Ferner lernt' er nebenher
Mit dem Schild und mit dem Sper
Wohl und behende reiten,
Das Ross zu beiden Seiten
Geschickt mit Sporen rühren,
Es stolz im Sprunge führen,
Loisieren und Turnieren,
Mit den Schenkeln sambelieren
Nach Gebrauch im Ritterspiel;
So tummelt' er sich oft und viel.
Wohl schirmen, wacker ringen,
Schnell laufen, tüchtig springen,
Dazu schießen den Schaft,
Darin versucht' er oft die Kraft.
Wir hören wohl auch von ihm sagen,
Es lernte birschen und jagen
Nie ein Mann so wohl als er,
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