Kein anderer Roman hat diesen Archetyp besser gezeichnet als Nikos Kazantzakis’ Meisterwerk Alexis Sorbas, auf dem der Film Sorbas der Grieche beruht. Was Sorbas noch überzeugender macht, ist die Tatsache, dass er eine reale Person war, einer von uns. Sein Name war Georgis Sorbas und er war ein lebenslanger Freund des Autors. Ich hatte Gelegenheit, Helen, der Frau von Kazantzakis, zu begegnen, und sie erzählte mir, Anthony Quinns Darstellung von Sorbas in dem preisgekrönten Film habe das Wesen und die Persönlichkeit jenes Sorbas, den sie kannte und liebte, sehr gut getroffen. Sorbas besaß, in den Worten von Kazantzakis, „den ursprünglichen Blick … eine kreative Aufmerksamkeit, die jeden Morgen erneuert wurde und die es ihm ermöglichte, alle Dinge ständig so zu sehen, als sähe er sie das erste Mal.“ 16Sorbas hatte „den furchtlosen Wagemut, die Seele zu hänseln, als trüge er eine der Seele überlegene Kraft in sich“. Er konnte auf Seevögel zeigen und sagen: „Das ist der Weg, den wir gehen müssen; finde den absoluten Rhythmus und folge ihm mit absolutem Vertrauen.“ Er besaß ein „wildes, überschäumendes Lachen, welches die Barrieren niederreißen konnte, die das Leben einzwängen. … Selbst die unbedeutendsten Ereignisse, die mit Sorbas zu tun hatten“, schrieb Kazantzakis in seiner Autobiografie, „strahlten vor Klarheit, waren in rascher Bewegung und kostbar wie farbenprächtige Fische in einem transparenten Ozean“. 17
„Mich interessiert, was heute geschieht, in dieser Minute“, sagte Sorbas. „Wahres Glück besteht darin, keinen Ehrgeiz zu haben und doch zu arbeiten wie ein Pferd, als hätte man allen Ehrgeiz der Welt. Es besteht darin, fern von den Menschen zu leben, sie nicht zu brauchen und sie doch zu lieben. Es besteht darin, dort zu sein, wo immer man sich befindet, und sich davon nicht einschüchtern zu lassen.“ 18Wenn man diese Aussagen Sorbas’ auf Eigenschaften reduziert, dann beschreiben sie zum Teil die Natur unseres primitiven Gehirns. Selbst die Vorstellung, die Sorbas von Gott hatte, war primitiv. „Lasst uns nach draußen gehen“, sagte er, wenn er das Bedürfnis verspürte zu beten, „damit Gott uns besser sehen kann.“
Wie Einstein warnte Sorbas davor, den Intellekt zu einem Gott zu machen. „Du denkst zu viel“, sagte er zu seinem pedantischen Freund, „das ist dein Problem. Schlaue Menschen und Krämer, die wägen alles ab. Los doch, mein Freund, entscheide dich. Wage den Sprung. Ein Mann braucht etwas Wahnsinn … ansonsten … wagt er es niemals, die Bande durchzuschneiden und frei zu sein.“ Es ist natürlich eine Herausforderung, das durchzutrennen, was uns an das begriffliche Ich fesselt, und den Sprung zu wagen; so fühlt es sich zumindest für einen verkörperten Geist an, wenn er die Angst loslassen soll. Da schwingt die Lebendigkeit des Wagemuts mit. „Hätte ich nur auf seine Stimme gehört“, schreibt Kazantzakis, „dann hätte mein Leben mehr Wert gehabt. Ich hätte mit Blut, Schweiß und Knochen erfahren, wovon ich heute nur tagträume wie ein Haschischraucher.“ 19
Diese tiefere ursprüngliche Person existiert in jedermann, und sie ruft uns. Sie scheint ganz klar zu wissen, wer und was wir wirklich sind. Sie weiß, wohin wir gehen wollen, wie wir dorthin gelangen, wozu wir hier sind und was wir zur Welt beizutragen haben. Diese tiefere Natur tritt zutage, wenn Bauch, Herz und Kopf zusammenkommen, um eine exponentielle Intelligenz zu erzeugen. Wie wir sehen werden, besitzen wir die Fähigkeit, unser Gehirn so zu vernetzen, dass wir diese Integration erreichen können. Einsicht, Weitblick und Intuition können miteinander vernetzt werde, sodass sie eine innere Stimme bilden, die zu uns spricht und die uns zu führen vermag. Manchmal führt uns diese innere Stimme an den Rand einer neuen Welt und fordert uns auf, den Sprung zu wagen. Manchmal warnt sie uns auch vor dem Rand einer Schlucht des Unheils. Ohne diese innere Führung hätten wir kein echtes und persönliches Gefühl einer inneren Reise. Uns bleibt dann nur das begriffliche Ich, das oft nur eine Fassade ist oder eine ängstliche Unsicherheit, die die Bestätigung anderer erheischt, indem wir deren Erwartungen erfüllen.
In einer Rede vor frisch Graduierten der Stanford-Universität riet Steve Jobs diesen: „Lassen Sie ihre Innere Stimme nicht von dem Getöse der Meinungen anderer übertönen. … Haben Sie den Mut, Ihrem Herzen und Ihrer Intuition zu folgen. Irgendwie wissen diese bereits, was Sie wirklich werden wollen. Alles andere ist zweitrangig.“ 20Kazantzakis und Jobs waren sich dessen vielleicht nicht bewusst, aber das, worauf sie hinweisen, hat nicht nur inspirierende Qualität; es geht hier um ein neurologisches Vermögen.
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