Lus coucous per la pescado! Lus coucous per la pescado !
Die Eier für das Omelette, die Eier für das Omelette …
Wir aßen Omelette in der Herberge bei Mutter Albertine, die ein Herz hatte, so groß wie die ganze Welt, und die nicht einmal richtig zählen konnte. Lange war sie für mich der Inbegriff der Großzügigkeit, und häufig habe ich im Verlauf meines Lebens an sie denken müssen.
Und dann kam Ostern mit dem Festmahl, bei dem man das gesegnete Brot morgens anschnitt mit den Worten:
»Gesegnetes Brot, ich nehme dich; wenn der Tod mich ereilt, sei mir Sakrament.«
Ich sehe noch Alexis, wie er mit dem Messer das Kreuz auf der Pastete zieht, während Augustine beim Beten die Lippen lautlos bewegt, und beim Zurückdenken wird mir bewusst, wie sehr doch die Religion damals das Leben der Menschen bestimmte. Heutzutage ist das alles verloren gegangen. Die Kirchen sind leer und die Leute haben den Kopf voll anderer Dinge. Vielleicht kommt es einfach nur daher, dass man heute viel mehr Angebote zur Zerstreuung hat als früher. Vielleicht aber auch, weil Geld und materieller Besitz den geistigen Reichtum verdrängt haben. Ich weiß keine Lösung dafür, aber es scheint mir, als wären die Seelen schwerfälliger geworden, und ich habe wirklich Sorge, dass sie eines Tages nicht mehr in der Lage sein werden, ihre Schwingen zu erheben. Jedenfalls hatten wir damals keine Wahl, und wenn die Feste auch hauptsächlich religiöser Art waren, hätten wir nie daran gedacht, uns zu beklagen.
Im Sommer, vor Mariä Himmelfahrt, fanden jedes Jahr die Bittprozessionen statt. Wie oft bin ich da mitgelaufen, hinter dem Kinderchor und dem Pfarrer, der das Weihrauchfass trug. Es war ja nicht so, dass es viele Felder gegeben hätte, und überhaupt waren es mehr Buchweizen- als Weizenfelder, aber unser Pfarrer sah es als seine Pflicht, sie alle zu besuchen. Am Tag nach dem 15. August, an Sankt Rochus, segnete er alle Schafherden, indem er jedes Haus und jeden Bauernhof der Gemeinde aufsuchte. Bei uns auf dem Mas del Pech verzehrte er bei seinem Besuch immer ein Stück Brot mit Speck. Und er sagte zu Augustine:
»Kümmere dich gut um Marie, Augustine, Gott selbst hat sie dir geschenkt.«
Ich selber war noch zu jung und zu schüchtern, um mitzureden, aber ich war glücklich zu wissen, dass ich nicht zufällig auf dem Mas del Pech gelandet war, und ich dankte Gott, dass er eine so gute Wahl für mich getroffen hatte.
An Allerheiligen gingen wir nach der Vesper auf den Friedhof, um an den Gräbern der Verstorbenen zu beten, die vom Pfarrer vorher gesegnet worden waren. Das ergab wieder eine Gelegenheit, mit Johannes zu reden, der an einem Juniabend von mir gegangen war. Danach war ich einige Tage lang traurig, doch das Leben trug mich aufs Neue wieder mit sich fort bis zu den Adventssonntagen. In dieser Zeit wurde das Wetter schlechter, und Augustine empfahl mir, mich warm anzuziehen, mit den Worten:
A Notre-Dame des avents, pluies et vents! An Mariä Empfängnis: Regen und Wind … *
Das war mir gleich. Ich wusste, dass Weihnachten immer näher rückte, und ich freute mich schon jeden Tag auf die Mitternachtsmesse und die Feiertage danach … Aber davon habe ich schon ausführlich erzählt.
So bin ich aufgewachsen, zwischen Festen und Vespern, immer zufrieden, umgeben von meinen beiden Alten, mit unbedecktem Kopf im Wind, mit von Disteln und Brombeersträuchern zerkratzten Waden, wild wie eine Ziege und so dünn, dass man Angst bekommen konnte. Augustine verzweifelte schier, wenn sie mich so schwächlich sah, und wurde nicht müde, mir bei jeder Mittags- und Abendmahlzeit zu wiederholen:
»Iss, iss, meine Tochter, das alles kommt vom Herzen!«
Wenn mir auch aus heutiger Sicht unsere Mahlzeiten zu Anfang des Jahrhunderts sehr bescheiden vorkommen, muss ich doch sagen, dass es uns an nichts fehlte. Wir ernährten uns hauptsächlich von Suppe: eine dickflüssige Buchweizensuppe, die vorhielt und den Körper erwärmte, meist gefolgt von Speck, Käse, manchmal auch von Kartoffeln oder Ragout, sehr selten jedoch von Schweine- oder Lammfleisch. Hin und wieder gab es auch rohe Zwiebeln, zerriebenen Knoblauch, Crêpes, Maiskuchen, »cayasses« genannt, die sehr dick sein konnten. Dazu tranken wir Wein vom eigenen Weinberg, den Alexis mit viel Liebe bearbeitete und der an einem windgeschützten Hang lag. Augustine und ich verdünnten ihn mit Wasser, er nicht. Aber er trank nur wenig, und damals war dieser Wein übrigens ein reines Naturprodukt, nicht so ein Getränk, wie man es heute auf den Tischen stehen hat und das einem auf den Magen schlägt.
Oh! Der Alkohol und die Lehrer der III. Republik! Das war ihr Kreuzzug, und sie führten ihn ohne Unterlass, mit einer außergewöhnlichen Hartnäckigkeit. Auf einer großen Karte an der Wand des Klassenzimmers war eine fürchterlich rote Leber abgebildet, die alle diejenigen im Voraus abschreckte, die dem Wein sonst vielleicht zugetan gewesen wären. Madame Vieillevigne beschrieb uns die Leberschrumpfung auf so entsetzlich eindrückliche Art, dass ich eine Woche lang keinen einzigen Tropfen Wein trank. Aber sie hatte auch noch andere Verdienste, unsere wunderbare Lehrerin, insbesondere jenes, dass sie jedes Jahr zum Volksschulabschluss einige Jungen und Mädchen mitnahm, die eigentlich nur darauf aus waren, draußen im Freien zu sein und sich zu amüsieren. Sie war es also, die mich, als ich zwölf Jahre alt war, mit zwei anderen Kindern, deren Namen ich nicht mehr weiß, nach Figeac zu diesem Ereignis begleitete. Augustine hatte mir eigens für diese Gelegenheit eine neue Schürze gekauft, ebenso einen hölzernen Federhalter, auf dem der Mont Saint Michel eingraviert war. Es war zu Beginn des Sommers, als wir bei schönstem Wetter auf der Straße durch das Hochland, das von Heuschrecken übersät war, dahinfuhren. Madame Vieillevigne lenkte den Pferdekarren und gab uns ihre letzten Anweisungen:
»Überlegt gut, bevor ihr antwortet, und gebt euch Mühe beim Schreiben. Denkt an alles, was wir gelernt haben, und habt vor allem keine Angst – alle Lehrer lieben Kinder.«
Wie lang erschien mir doch der Weg! Es war mir, als würden wir Figeac nie erreichen, für mich damals eine große unbekannte Stadt. Als wir endlich auf dem Schulhof eintrafen, hatte ich solche Angst, dass ich am liebsten sofort wieder heimgefahren wäre. Madame Vieillevigne musste ihre ganze Freundlichkeit aufbieten, damit ich in das Klassenzimmer ging, in dem die einzelnen Prüfungen stattfanden. Dort waren viele Jungen und Mädchen, die ich nie gesehen hatte, was mich noch mehr einschüchterte. Und dann trat ein Mann mit einer Brille ein, der an uns alle Blätter verteilte und uns aufforderte, uns für das Diktat bereit zu machen. Ich holte meinen schönen neuen Federhalter heraus und vergaß mit der Zeit, wo ich mich befand.
Der Vormittag verging wie im Traum. Mittags, als ich fertig war, erinnerte ich mich weder an die Worte, bei denen ich gezögert hatte, noch an die Lösungen, die ich bei den Textaufgaben gefunden hatte. Unsere Lehrerin war nicht besorgt, im Gegenteil: Sie sagte mir, ich könne mich deswegen an nichts erinnern, weil ich keinerlei Schwierigkeiten begegnet sei. Wir gingen in einen kleinen Park, wo wir den Inhalt unserer Picknickkörbe miteinander teilten. Es war etwas seltsam, einfach so mit Madame Vieillevigne zu essen, da ich sie sehr bewunderte, und es kam mir vor, als wäre ich innerhalb eines Vormittags um einige Jahre älter geworden.
Während dieser kurzen Mahlzeit bemühte sie sich, uns Mut zuzusprechen und uns auf die Prüfungen am Nachmittag vorzubereiten. Als wir aufbrachen, überkam mich dieselbe Angst wie am Morgen. Bei der mündlichen Prüfung befragten mich zwei Männer mit Kinnbärten und schwarzen Anzügen. Da ich mich weigerte, ihnen zu antworten, versuchten sie, mich zu ermutigen, indem sie mir sagten, dass ich meine Rechenaufgaben richtig gelöst und nicht einen einzigen Fehler im Diktat gemacht hätte. Mein Gott! Hatte ich eine Angst! Madame Vieillevigne musste sich zu ihnen setzen, damit ich mich traute, auf ihre Fragen zu antworten. Das Schlimmste war, vor diesen Herren die Marseillaise singen zu müssen. Ich sehe ihre ernsten und autoritären Gesichter noch heute vor mir.
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