»Und die Heiratsschwindler?«
»Oh, die sind wahnsinnig charmant und schmieren dir tonnenweise Honig ums Maul. Die Liebe zu dir trifft sie wie ein Blitzschlag, und natürlich bist du die Frau, nach der sie ihr Leben lang gesucht haben. Sie werden ziemlich schnell konkret, was eine feste Beziehung angeht. Sie sind darauf spezialisiert, einsame und bedürftige Frauen zu finden, die besonders empfänglich für ihre Schmeicheleien sind. Und dann, wenn die Frauen vollkommen blöd vor Verliebtheit sind, geht es plötzlich um Geld.«
»Das ist ja abartig. Aber woher weißt du darüber so viel? Ist das deiner Bekannten passiert?«
Diana schüttelte den Kopf. »Nein. Aber Okko hatte zwei Mandantinnen, die sogar auf ein und denselben Kerl reingefallen sind. Es war extrem schwer, ihm die Betrugsabsicht nachzuweisen, denn schließlich gaben die Frauen ihm freiwillig das Geld. Natürlich wurden sie in dem Moment abgeschossen, als das Konto leer war. «
»Freiwillig?« Ich schüttelte den Kopf. »Ich nenne das Betrug. Immerhin hat der Mann ihnen Gefühle vorgegaukelt, die nicht echt waren.«
»Und wie willst du das beweisen? Beziehungen enden halt manchmal, oder? Hast du von Pascal alle Geschenke zurückgefordert, als ihr euch getrennt habt? Natürlich nicht. Und genau damit argumentieren die Männer: Sie sagen, die Frau war halt großzügig. Geld geliehen? Nein, das war geschenkt. Und innerhalb einer Beziehung werden eher selten Verträge abgeschlossen, da man sich ja vertraut. Die Dunkelziffer ist hoch, denn vielen Frauen ist es peinlich, dass sie sich haben abzocken lassen. Aber Okko hatte Glück, denn er konnte weitere Frauen auftreiben, die der Mann gerade in der Mangel hatte. Seine bevorzugten Jagdgründe waren Speed-Datings und Single-Partys, und er hatte immer mehrere Damen parallel am Start. Der Mann kann froh sein, dass die Frauen sich nicht zusammengetan, ihn erschlagen und dann irgendwo verscharrt haben. Da dürfte eine Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Betrugs und die zumindest teilweise Rückzahlung des ergaunerten Geldes eindeutig das kleinere Übel gewesen sein.«
Da hatte sie wohl recht.
Eine »Begegnung« an überraschender Stelle und ein Streit, bei dem die Fetzen fliegen
»Hallöchen! Ich werd nicht mehr – Loretta sucht einen Mann!«, johlte Dennis direkt hinter mir.
Ich zuckte erschrocken zusammen. Wie zum Henker hatte er es geschafft, sich vollkommen geräuschlos anzuschleichen? Üblicherweise hörte man ihn bereits kommen, wenn er noch kilometerweit entfernt war, schließlich hatte er eine Vorliebe für Schuhe mit Plateausohlen, wahlweise eisenbeschlagene Cowboystiefel aus Reptilienleder. Klomp, klomp, klomp – Achtung, Dennis ist im Anmarsch. So war ich es gewohnt.
Unwillkürlich blickte ich hinunter zu seinen Füßen: Heute trug er Schuhe mit dicken Gummisohlen, das erklärte einiges. In Zukunft musste ich vorsichtiger sein, wenn ich mich während der Arbeitszeit im Liebesgarten umzusehen gedachte.
Mit fast schon arroganter Selbstverständlichkeit zog er sich einen Stuhl heran, setzte sich neben mich und starrte ungeniert auf das, was gerade auf meinem Monitor zu sehen war.
»Soso, du bist im Liebesgarten , die Plattform kenne ich. Ich bin da auch unterwegs. Der Heiopei da, den du dir gerade anguckst, ist ’ne Wurst, das sehe ich sofort. Zeig mal dein Profil.«
Wie bitte? Vor Empörung blieb mir glatt einen Moment lang die Spucke weg. Ich sollte ihn so tief in meine Privatsphäre lassen? Wohl kaum.
Natürlich bemerkte er mein Zögern und fuhr fort: »Komm, Loretta, zier dich nicht. Zeigst du mir deins, dann zeig ich dir meins.«
»Diese ziemlich schmierig klingende Aufforderung könnte man auch falsch verstehen, Chef. Für mich schrammt das nur haarscharf an sexueller Belästigung vorbei.«
Brüllend vor Lachen schlug er sich auf die Schenkel und wischte sich schnaufend die Lachtränen aus dem Gesicht. »Mach mal halblang«, keuchte er dann. »Wir sind hier unter Erwachsenen und nicht im Kindergarten. Oder soll ich zuerst? Na, ist das ein Angebot?«
Noch immer war ich nicht restlos überzeugt, nickte aber. »Wie finde ich dich? Du musst mir schon deinen Nickname sagen. Oder bist du unter deinem echten Namen angemeldet?«
Dennis grinste breit und schüttelte den Kopf. »Ich bin doch kein Idiot. Rate doch mal meinen Nickname.«
Ich grinste zurück. »Koteletten-Ömmes? Mister Breitcord? Rüschen-Honk? Nein, ich gebe auf. Wie soll ich denn bitte erraten, was dein kleines, verdrehtes Hirn ausgebrütet hat? Das ist unmöglich.«
»Gecko.«
Meine Gesichtszüge drohten zu entgleisen, aber ich riss mich zusammen. »Wie das kleine Echsentier oder wie der große, böse Finanzhai aus diesem Film, dessen Titel mir gerade nicht einfällt?«
»Du meinst Wall Street . Gordon Gecko. Das wäre allerdings reichlich plump. Nee, wie das Tier. Im Fernsehen lief gerade eine Tierdokumentation über Geckos, als ich mein Profil angelegt habe. Ich war ziemlich beeindruckt von der Fähigkeit einiger Arten, kopfüber an Glasscheiben hinabzulaufen. Das sind Lamellengeckos, um genau zu sein. Aber Lamellengecko fand ich dann doch eine Spur zu schräg. Klingt irgendwie voyeuristisch, oder? Ein reptilienköpfiger Schrat, der ahnungslose Frauen durch die Spalten einer Jalousie hindurch beobachtet. Also nur Gecko. Und rate mal: Weitere Geckos gab es nicht.«
»Ist den meisten Männern wohl zu uncool, sich nach einem kleinen Kriechtier zu benennen.«
Dennis zuckte mit den Schultern. »Kann nicht feststellen, dass es mir schadet. Okay, vielleicht hätte ich Hunderte Anfragen mehr, wenn ich Alligator oder Hammerhai heißen würde, aber hey – ich habe nur zwei Hände.«
»Was soll das denn heißen?«
»Was nutzen mir unzählige Anfragen, wenn ich doch nur einer Frau meine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken möchte? Ich bin keiner von der Sorte, der mit mehreren gleichzeitig jongliert. Wenn mir einmal eine Frau gefällt, kümmert mich keine andere.«
»Das ist sehr löblich, Chef.« Ich nickte anerkennend. »Wie sieht deine Erfolgsbilanz aus?«
Wieder zuckte er mit den Schultern. »Ein paar Treffen, die zum Teil ganz nett waren, aber nicht zu mehr geführt haben. Wenn man sich nichts zu erzählen hat, sollte man realistisch sein und die Reißleine ziehen, bevor es zu spät ist. Das ist nicht zuletzt der Frau gegenüber fair. Vielleicht hätte ich die eine oder andere ins Bett locken können, mit ziemlicher Sicherheit sogar. Aber das gibt nur unnötigen Stress.«
»Du müsstest nur kopfüber an einer Scheibe runterlaufen. Also, mich würde das extrem beeindrucken.«
Wir kicherten eine Runde, dann sagte er: »Und danach? Danach wird es unschön, wenn du die Sache nicht fortsetzen willst. Ich habe keine Lust, Frauen gegenüber gemein zu sein, die sich vielleicht mehr versprochen haben. Außerdem bin ich kein Mann für eine Nacht.«
»O edelster aller Geckos!«, deklamierte ich übertrieben theatralisch, dann gab ich seinen Namen in die Suchmaske ein.
Und da war er auch schon: mein Chef in seiner ganzen Pracht. Sein Profil zeigte sogar mehrere Fotos: nur das Gesicht mit den schicken Koteletten, Dennis mit Elvis-Sonnenbrille, dann in einigen seiner spektakulärsten 70er-Jahre-Outfits … Mir gefiel, wie selbstironisch er auf seine große Liebe zu diesem Modestil einging und darauf hinwies, dass man mitnichten gerade Bilder irgendwelcher Mottopartys sehe.
Tatsächlich war seins ein gutes Beispiel für ein Profil, das mein Interesse geweckt hätte. Ausgerechnet Dennis!
Mein Chef war – so kannte ich ihn – derart selbstbewusst, dass er mich nicht einmal fragte, was ich von seinem Profil hielt.
»So. Du bist dran«, sagte er stattdessen.
Ich gab meinen Namen ein, und er beugte sich interessiert vor. »Soso, Miss Lynx also«, murmelte er. »Luchs auf Englisch, nehme ich mal an.«
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