Auf einmal kam der Weltkrieg. Im Krieg an sich dürfte der Tabakkonsum wesentlich steigen. Soldaten können nicht immer nur Schlachten schlagen und in der Freizeit rauchen sie, so spekulierte Juan March ganz richtig, aber sein gut aufgezogenes Geschäft geriet doch heillos durcheinander. Beamte wechselten. Wie mit den neuen zu reden sei, war unklar. Juan March lag verkehrt. Er lag überhaupt verkehrt. Im Krieg soll man doch mit Waffen handeln. Also umstellen. Das aber gelang nicht. Überall, wo man in den Waffenhandel sich hätte einschalten können, saß schon einer, nämlich Mister Zaharoff.
Juan March war ernstlich böse, nämlich auf sich selbst. Da hatte er einen Bekannten, der wegen geplatzter Wechsel und entsprechender Zusammenhänge nach Mexico gegangen war. Der hatte drüben einen Export von Musca angefangen. Musca hat nichts mit dem Gewürz zu tun, das Muskat heißt, im Gegenteil, es ist eine scheußliche stinkende Sache. Musca ist die mexikanische Sumpffliege, die in ungeheuren Mengen gefangen wird. Haben Sie schon einmal eine Fliege zu fangen versucht? S – t, mit der Hand an der Wand entlang, oder an der Fensterscheibe. Weg ist sie, Sie haben sie nicht gekriegt. Es war einmal ein General, der hielt sich einen Laubfrosch. Der Laubfrosch fraß lebendige Fliegen, und zur Beschaffung dieses Laubfroschfutters hatte die Division einen Mann ständig kommandiert, der nichts zu tun hatte, als Fliegen zu fangen. In Mexico ist das anders. Es ist egal, wie man da die Fliegen fängt und zu Millionen nach Gewicht in Kisten verpackt, als Fischfutter oder zu chemischen Zwecken. Ist ja egal. Eines Tages schrieb der geplatzte Wechselmann aus Mexico, es sei Blödsinn in dieser Zeit mit Musca zu handeln, wo in Mexico jeden Tag Revolution ausbrechen könne. Man müsse mit Gewehren und Maximkanonen handeln. War das nicht ein Wink vom Himmel gewesen? Und nicht befolgt. Sonst wäre Juan March jetzt in Trade. Anstatt daneben zu sitzen.
Aber schließlich und Gott sei Dank, wird Krieg ja nicht nur mit Waffen und Munition geführt. Da haben die Deutschen einen sehr gescheiten Mann aus der Elektrizitätsbranche. Er soll auch sonst was verstehen. Rathenau heißt er. Der soll den Krieg der allgemeinen Wirtschaft organisiert haben. Rohstofforganisation. Diese Deutschen. Wenn sie nur organisieren können. Der Ballin soll übrigens geflucht haben, dass man ihn nicht rechtzeitig informiert hatte, dass und wann man Krieg machen würde. Er hätte sonst mit seiner Flotte Deutschland so voll Getreide geworfen, dass eine Brotsorge nie hätte kommen können.
Haben die Deutschen Brotsorgen? Aufpassen, Juan March. Da gibt es was, um einzuhaken. Aber der Haken lässt sich nicht einschlagen, keine ordentliche Verbindung möglich, zu den Mittelmächten. Und die Alliierten haben selbst alles. Soll Juan March die großartige Chance versäumen? Lebt in einem neutralen Land und kann am Kriege nicht verdienen? Ist er ein Trottel? Ein Greenhorn? Ein Caballero sin caballo. So einen Krieger erlebt man doch nur einmal im Leben (Höchstens zweimal, oder … abwarten, Sie werden schon sehen). Sitzt Juan March völlig daneben, rauft sich die Locken, die ohnehin nicht mehr fest sitzen. Der Kummer lässt sie ihm ausgehen.
Juan March liefert Schweine an die französische Heeresverwaltung. Das ist nicht viel, aber ein Anfang. Auf einmal sind deutsche Kriegsschiffe in spanischen Häfen. U-Boote. Etwas klein. Aber da muss Juan March eben kleine Geschäfte machen. Stolz weht die Flagge schwarz, weiß, rot. Allons enfants de la patrie. Britannia, rule the waves.
Der Gott des Krieges lächelt dem wackeren Juan March zu. Der König und die Granden sind für die Mittelmächte. Die Finanz ist für die Alliierten. Spanien bleibt neutral. Juan March schwimmt dazwischen. Juan March geht in die Politik. Juan March liefert dem Geheimdienst der Deutschen geheime Nachrichten. Juan March liefert den geheimen Dienst der Alliierten geheime Nachrichten. Juan March hört etwas vom deutschen Gesandten und verkauft es dem englischen Generalkonsul. Er hört etwas vom französischen Botschafter und verkauft es dem österreichischen Attaché. Juan March spricht viele Sprachen und handelt mit vielen Waren, Juan March steigt sachte in die Börse ein und kauft unter der Hand ein paar Majoritäten auf. Ein paar Banken, ein paar Industriewerke, ein paar Reedereien. Land? Nein. Land kauft er nicht auf. Mit den Granden will er nicht konkurrieren. Im Gegenteil. Er will in die Hofsonne. Orden? Was soll Juan March mit Orden? Den wohlriechenden Zwiebelorden? Den treugeschmuggelten Tabakorden? Den wohlgemästeten Schweineorden? Den patriotischen Geheimdienstorden? Was soll ein Kaufmann mit Bändchen und Blech? Der Krieg steht faul. Er frisst zu viel Menschen. Das kann nicht ewig weiter gehen. Faul. Der Krieg neigt sich seinem Ende zu. Juan March muss sich nach einem soliden Geschäft umsehen und nach einem seriösen Partner, der die richtigen Verbindungen hat. Noch einmal will man nicht halb daneben sitzen und zusehen, wie dieser Basil Zaharoff die Sahne abschöpft, von einem Meer von Blut.
Wer ist der beste Geschäftsmann von ganz Castilien? Nach Juan March, natürlich. Denn dass er das Fixeste ist, das weiß er sowieso. Sie sagen, der beste Geschäftsmann sei der König. Sie sagen auch, dass er der beste Tennisspieler, Reiter, Fechter sei. Das ist das Vorrecht aller Majestäten. Das war Wilhelm, der von Gottes Gnaden auch. Was habe ich Ihnen gesagt? Faul, der Krieg. Wilhelm ist nicht mehr der beste Mann im Staate. Er ist nur noch der beste Holzhauer von Doorn. Majestäten an sich sind schlecht im Kurs. Aber dieser Alfons ist ein guter Geschäftsmann.
Politisch hat sich die Majestät von Spanien schiefgelegt. Der Rifkrieg, mit den schneidigen Reiterattacken. Das hat er noch von Wilhelm von Doorn her. Nichts gelernt. Dieser Alfons XIII. hat sich verdammt unpopulär gemacht. Das eben ist nun Juan Marchs Chance. Der hat die Popularität. Viel Geld, viel Geld, viel Geld und alle halten ihn für einen netten Kerl. Warum auch nicht? Mit der frühen Glatze und der Brille sieht der aus wie ein Professor im Film. Ein Haifisch, der wie ein Professor aussieht.
Seine Majestät brauchen Geld. Ha, ha, ha. Das ist alles? Der beste Geschäftsmann von Castilien und León. Und er braucht Geld. Ein König von Spanien aus dem Hause Habsburg und braucht Geld. Von einem Zwiebelhändler, der oft genug zum Mittagessen sich eine Knoblauchzwiebel vom eigenen Wagenstück stibitzt hat. Majestät, es ist mir eine Ehre. Wieviel befehlen Majestät, dass ich mit meinen bescheidenen Kräften zu dero erlauchter Verfügung stelle? Majestät sind sehr gnädig. Sehr gütig, Majestät. Juan March, wie stehst du da, vor deinem König. Als du anfingst, mit Zwiebeln, hast du geglaubt, der König geht mit Purpurmantel und Hermelin zu Bett. Und die Krone stellt er auf das Nachtschränkchen.
Und jetzt bist du wirklicher, geheimer Hofbankier. Und teilst mit der Majestät von Spanien einen hübschen Geschäftsertrag, nämlich den des spanischen Tabakmonopols. Vom Tabakschmuggel bis zum Tabakmonopol. Ein ganz hübscher Weg schon über die Krone. Eines Tages dankt der König ab und geht nach Monte Carlo, Roulette spielen, und nun ist Juan March alleiniger Besitzer des Tabakmonopols. Und nun sieht man wieder, warum der Krieg in Spanien kam, wie er kam. Dass die spanische Republik dich nicht zum Teufel jagte, Juan March, dich und die anderen deinesgleichen, das war ihr großer Fehler. Dass sie Leute wie dich geduldet hat und erlaubt hat, dass die Juan Marchs politische Parteien finanzierten »zur Verteidigung des Besitzes« nebst »spanischer Phalanx«, das war ihr unverzeihlicher Fehler. Dass der radikale Mann des Volkes Alejandro Lerroux so einen Menschenfresser für ganz in Ordnung hielt, das war sein volksverräterischer Irrtum. José Maía Gil-Robles und Juan March, hinab in die Zwiebeln, woher ihr kamt. Da es nicht geschah, gab es Krieg.
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