Justin Steinfeld - Ein Mann liest Zeitung

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Der autobiografisch geprägte Roman «Ein Mann liest Zeitung» erzählt die Geschichte des jüdischen Kaufmanns Leonhard Glanz aus Hamburg. Im Exil in der Tschechoslowakei zur Untätigkeit verdammt, verbringt er seine Zeit in Prager Kaffeehäusern mit dem Lesen von Zeitungen. Akribisch verfolgt er das politische Geschehen in der Tagespresse, und doch kann er sein eigenes Schicksal, das ihn in die Emigration trieb, nicht begreifen. Erinnerungen an ein verlorenes Leben, Beobachtungen auf der Straße und Gedanken über das in der Zeitung Gelesene, die oft weit in die Vergangenheit weisen, verbinden sich zu einem dichten Panorama der dreißiger Jahre.
Atmosphärisch und präzise, klug und poetisch fängt Justin Steinfelds einziger Roman den Hexenkessel Europa am Vorabend des Zweiten Weltkrieges ein. Ein großer, erst posthum erschienener Exilroman, der eine unerhörte Erfahrung zur Sprache bringt, die doch so viele traf und trifft: Die Erfahrung, nirgendwo mehr dazuzugehören.

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Vor Jahren lernte ich mal auf einem Kostümfest ein Mädchen kennen. Das war eine brennende Leidenschaft von zwei Stunden. In Chicago ist der Weizen um volle 25 cents gefallen. Bitte. Bitte sehr. Meinetwegen um einen ganzen Dollar. Was geht das mich an. Alle Weizenmärkte der Welt gebe ich um eine Strähne blonden Haares. Allen Mais von Rio de la Plata um einen seidenen Frauenstrumpf. Seide, Seide, weiche Seide. Und jetzt hört der Strumpf auf. Himmel und Erde. Ich glaube in all den Jahren habe ich nur diese beiden Stunden gelebt.

Aber das Mädchen war klug. Das Mädchen führte mich zum Vater. Der war ein Gelehrter und krank an einer schweren Lähmung. Er saß im Rollstuhl und studierte Buddhismus. Man sagte, er sei Buddhist geworden. Er erzählte mir, wie ein König Chulalongkorn von Siam ihn besucht habe. Der hatte ihn gefragt: Doktor, glauben Sie, dass Europa bald für den Buddhismus reif werden kann? Nein, hatte er geantwortet, vorläufig nicht, frühestens vielleicht in fünfhundert Jahren. Wie in fünfhundert Jahren schon? Dann ist Europa ja nicht verloren.

Wer kann sich da auskennen. Der König Chulalongkorn ist tot. Seinen Nachfolger hat das siamesische Volk mit Revolution davongejagt. Das heißt, er lief beim ersten Flintenschuss. Weil das Volk nicht mehr glauben wollte, dass man mit endlosem Verzicht und restlosem Entsagen schon auf Erden zur Seligkeit des Erlöstseins gelangen könne. Nun ist der König von Siam, aus lauter Gold und Perlen und Edelsteinen und so viel Weisheit, dass ihm diese Märchenschätze garnicht daran gehindert hatten, ein Entsagender im Geiste zu sein, nun also ist er ein Emigrant ohne Namen und spielt Roulette in Monte Carlo.

Wir gewöhnlichen Emigranten müssen zunächst einmal warten. Wie gesagt, wir haben es zumeist gelernt. In der Zelle, wissen Sie. In der Zelle. Fünf Schritte lang. Drei Schritte breit. 126 Fliesen bilden den Fußboden. Das erste Mal hat man vielleicht eine Fliese zu wenig gezählt, das andere Mal eine Fliese zu viel. Aber schließlich stellt man die endgültige Zahl fest. Oben angefangen oder unten. Genau gezählt. Das eiserne Bett hängt am Mauerhaken, hochgeklappt an der Wand. Sieben Gitterstäbe hat das Fenster und man darf nicht hinausschauen. Nur die Sonne kann hineinschauen, weil keine Verfügung der Gestapo, eines Gefängnisdirektors oder eines Staatsanwalts es ihr verbieten kann. Um sieben Uhr ist die Sonne bei der vierten Fliesenreihe, um 8:00 Uhr bei der fünften, um 9:00 Uhr … das heißt, dann ist es Mai. Im Juni ist es anders. Und im Dezember erst, noch ganz anders. Da lässt sich gemächlich warten.

Da hatten sie einen politischen Gefangenen. Von dem wollten sie alles mögliche wissen. Er sollte seine Freunde nennen und verraten. Sie haben ihm alles mögliche versprochen, wenn er zum Verräter würde. Und haben ihm schrecklich zugesetzt, weil er sich weigerte. Ich sollte etwas gestehen, was ich nicht getan hatte. Dergleichen von einem Menschen verlangen, das ist schon eine schurkische Gemeinheit. Aber jemanden zwingen, mit Foltern des Leibes und der Seele, seine Freunde und Gefährten zu verraten, das ist Verworfenheit. Verworfen. Weggeworfen. Ausgeworfen. Auswurf. Ausgespucktes. Ausgekotztes. Das stinkt. Das einem immer wieder übel wird. Der Kranke schämt sich seines Auswurfs. Der Besoffene noch flüchtet auf den Abort, wenn er kotzen muss. Die aber sind stolz auf ihre Ausgekotztheit. Die Treue ist das Mark der Ehre. Heil Heckerle. Große Worte, schöne Worte, heilige Worte machen sie zu Scheißhausparolen. Bitte sehr. Sie stoßen sich an dem peinlichen Wort? Aber es ist doch so. Es ist doch so. Man muss doch mal sagen dürfen, was ist. Ich bin ja kein Diplomat. Ich darf einen Lumpen einen Lumpen nennen. Ich darf zur Scheiße ehrlich Scheiße sagen. Früher war ich auch so etepetete. Aber ich habe was gelernt da drüben, in den Kerkern von Blut und Scheiße.

Speiübel kann einem werden. Ging es nicht um den Etat, ich möchte mir einen Cognac bestellen. Einerlei. Ober, einen kleinen einfachen Cognac bitte. Ich habe einen so schlechten Geschmack im Mund. Als ob ich faules Fleisch gegessen hätte. Stinkendes Fleisch. Es sind schon Maden drin. Weiße, glibbrige Maden. Wurmgetiere. Wenn man es durchschneidet, leben beide Hälften weiter. Aus Schleim und Eiter und schillernder Geronnenheit. Bitte sehr. So rufen Sie doch eine Desinfektionsanstalt an, statt dass Sie wegsehen und sich ein parfümiertes Taschentuch unter die Nase halten. Sie haben genug gelesen über die Greuel der Konzentrationsläger. Über die Gestapo-Folterkammern. Sie wissen das alles schon. Gut. Gut. Ich werde Ihnen nichts erzählen, was Sie schon wissen. Ich habe nur versucht, Ihnen das einmal anders zu erzählen. Sie hatten genug von der naturalistischen Darstellung. Vielleicht bin ich ein Symboliker. Aber gleich im Anfang wird Ihnen übel. Das sind doch nur Worte. Worte und Gedanken. Das muss man doch erst erlebt haben. Ha, ha, ha. Da ist ja auch schon der Cognac.

Als die Folterknechte der Nazis aus dem politischen Gefangenen nichts herausbringen konnten, kamen sie auf eine Satansidee. Sie sperrten den Mann drei Wochen lang in eine Dunkelzelle ein. Drei Wochen lang in die Nacht. Sie dachten, da würde er entweder wahnsinnig werden oder kapitulieren und alles sagen, was sie wissen wollten. Drei Wochen lang Nacht und nur Nacht. Die Augen gewöhnen sich daran? Das ist ja das Schreckliche, dass die Augen die Finsternis zum düsteren Nebel machen. Wo die Kerkermauern zu zerfließenden Fernen werden, die Liegepritsche zu einem kauernden Ungetüm. Die Türrahmen zu Gespenstern. Drei Wochen in feuchtkalter Nacht. Da lernt sich warten. Da lernt sich die ausgesponnene Langweile tragen. Unser Mann hatte gar keine Langweile. Er schaffte sich Arbeit. Am Türgeräusch, wenn der Kerkerknecht ihm Brot und Wasser hineinschob, wusste er den Ablauf der Tage. Wusste er genau das Datum des Kalenders. Wichtig war das für unseren Mann im Nachtgemäuer. Denn er errechnete sich: Heute ist ein Lenin-Gedenktag. Oder heute ist ein Marx-Gedenktag. Oder heute ist ein Goethe-Gedenktag. Oder heute ist ein Feiertag der Sowjet-Union. Und da meinte unser Mann, bis zum Abend müsste er sich selbst eine Feierrede zu diesem Gedenktag halten, dass die feuchten Mauersteine hören würden. Heißt es nicht wo, dass wenn die Menschen schweigen, die Steine reden würden? Und wenn die Menschen taub sind, können nicht dann die Steine hören? So präparierte unser Mann sich den ganzen Tag auf eine Feierrede. Dann probte er sie und sie schien ihm nicht gut genug. Und er formte sie um, ließ Stellen weg und tat andere hinzu. Und am Abend des Tages in der Nacht hielt er den Steinen eine Rede, von Rosa Luxemburgs Leben und Sterben, von Friedrich Hölderlins Freiheitstraum, von Frankreichs großer Revolution und den Sansculottes, die die Heere der Reaktion aus dem Frankreich der ersten Tricolore hinausgeschlagen hatten. So stand unser Mann in Kerkernacht als ein großes Leuchten und die Steine lauschten und wurden hunderttausend horchende Kameraden und er nannte sie: Genossen.

Wie hatte der alte Anwalt in Hamburg gesagt, dass diese Leute seien? Eisern. So sind sie und noch viel mehr. Eisern gepanzert und drinnen mit brennender Seele. Und ich bin nur ein Stein. Aber die Steine müssen reden und so rede ich davon.

Der Mann hieß Willi Bredel. Sie sagten mir, er sei ein Schriftsteller und ein Kommunist. Ich dachte mir: groß ist der und breit. Und sie sagten mir, er sei nicht breit und sogar klein. Einerlei. Einerlei. Er ist doch groß und stark. Und er kann es leuchten machen in der Nacht.

Dergleichen Warten haben wir gelernt. Mehr oder weniger. Aber immerhin. Warten kann eine Leere sein, aber es kann auch eine Lehre sein. Je nachdem. Dem einen wird die Zeit ermordet, dem anderen wird sie nur gestohlen, der dritte aber lernt sie zu gestalten. Auf den dritten kommt es an.

Wie lange habe ich beim Hilfskomitee warten müssen? Nur ein paar Stunden. Ein paar lehrreiche Stunden. Ein paar geradezu notwendige Stunden. Einführung in die Kunst, Emigrant zu sein.

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