Je mehr der Terminkalender mit Arbeitszeiten gefüllt ist, desto mehr Termine sollten für die Auszeiten eingetragen werden!«
Ich freute mich sehr auf diese Woche und bezog voller Vorfreude ein urgemütliches und dennoch modernes Hotelzimmer. Vom Hotel aus machte ich mich direkt auf den Weg nach Maxlrain, schließlich wollte ich den Golfplatz so schnell wie möglich in Augenschein nehmen. Noch im Auto sitzend stockte mir der Atem: Vor mir erhob sich ein unglaublich schönes Schloss. Wie magisch angezogen parkte ich bei der Schlosswirtschaft direkt neben diesem imposanten Gebäude. Ich kann nicht sagen, wie lange ich vor dem großen Gittertor stand, es kam mir alles so bekannt vor. Mein Déjà-vu allerdings musste ich mir einbilden, schließlich konnte ich unmöglich schon einmal hier gewesen sein, denn meine bisherigen Urlaube hatte ich stets mit meiner Mutter verbracht – und die war auf Bayern und seine Bewohner, wie ich jetzt wusste, nicht gut zu sprechen!
Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Meine Mutter hatte ein Fotoalbum – das »Album der besonderen Erinnerungen«, wie sie es nannte. Sie sagte immer:
»Wenn du im Alter glücklich sein möchtest, solltest du früh beginnen, schöne Erinnerungen zu sammeln. Erinnerungen, die du im Herzen trägst, kann dir niemand mehr wegnehmen.«
Nun war ich mir ganz sicher, eine Postkarte von diesem Schloss in ihrem persönlichen Album gesehen zu haben!
Immer noch in Gedanken nahm ich in der Schlosswirtschaft Platz und bestellte mir zu meinem Kaffee ein paar Apfelkücherl mit Vanilleeis. Dabei fühlte ich mich die ganze Zeit über beobachtet, und so schaute ich mich ein wenig um. Ein älteres Ehepaar, der Sprachmelodie nach Einheimische, sprach mich freundlich an und deutete auf meine Haare: Eine so außergewöhnliche blonde Naturkrause und noch dazu solch leuchtend grüne Augen hätten sie bis dahin erst einmal vorher gesehen. Die ältere Frau meinte, dass hier vor etlichen Jahren eine Frau gelebt habe, die mir zum Verwechseln ähnlich sehe. Dann verabschiedete sie sich lächelnd. Langsam begann ich mich zu fragen, wie das alles zusammenpasste – ach Unsinn, ich schüttelte meinen Lockenkopf und hoffte, damit die unpassenden Gedanken zu zerstreuen. Schließlich war ich hier, um Spaß zu haben und nicht, um ständig vor mich hin zu grübeln.
Um die feinen Süßspeisen besser zu verdauen – O.K., ich gestehe, ich hab mir nach den Apfelkücherln noch ein Stück von dem köstlichen Kuchen gegönnt, den ich am Nachbartisch entdeckt hatte – machte ich mich auf den Rundweg um den Golfplatz. Ich war schon ziemlich gespannt, denn mein Opa hatte mir erzählt, dass der Golfplatz von Maxlrain einer der sensationellsten Golfplätze sei, auf denen er in seinem Leben gespielt habe, und Opa war schon an vielen schönen Orten auf dieser Welt gewesen. Noch dazu gehört der Platz zu den 36 schönsten Leading-Golf-Clubs in Deutschland.
Meine erste Erkundungstour war wirklich beeindruckend. Ein Golfplatz inmitten eines idyllischen Schlossparks mit uraltem Baumbestand und vielen mächtigen Eichen. Als bei einer Wegkreuzung ein älteres Paar an mir vorüberging, hörte ich ein »Liesl«, aber sogleich entschuldigte sich die Frau und meinte, sie habe mich wohl verwechselt. Freundlich nickte ich der Dame zu, ertappte mich aber dabei, wie ich im Weitergehen unwillkürlich den Kopf schüttelte. Es war aber auch zu seltsam, denn mich konnte man eigentlich gar nicht verwechseln. Als Kind hatte ich meine blonde Naturkrause gehasst – aber nun gefällt mir meine »Einzigartigkeit« ganz gut – und jeder, der meinen Namen nicht mehr weiß, sagt einfach »Wuschelkopf« zu mir – und ich fühle mich sofort angesprochen.
Meinen Gedanken nachhängend machte ich noch einen ausgiebigen Spaziergang durch den Forst. Da ich nicht ahnte, wie riesig dieser Wald war, verlief ich mich prompt, fand mich allerdings nach einigen Schreckmomenten außerhalb des Waldes in einem beschaulichen Dörfchen namens Weihenlinden wieder. Dort bestaunte ich entzückt die außergewöhnlich große und wunderschöne Barockkirche. Aber wallfahren wollte ich eigentlich nicht gehen. Auf dem Rückweg zu meinem Auto landete ich hungrig und dem Verdursten nahe in der »Schwemme«. Was für ein seltsamer Ausdruck für diesen wundervollen, eingewachsenen Biergarten mit den typischen großen Kastanienbäumen. Neugierig wie ich bin, habe ich die Wirtschaft natürlich auch von innen begutachtet und war entzückt von den alten Gewölben, die einstmals als Pferdeställe genutzt worden waren.
Nach meiner ungeplanten Laufrunde bestellte ich eine bayerische Schweinshaxe. Ich hatte ja keine Ahnung, dass in der Schwemme eine Schweinshaxe zwar super gebraten und mit einer genialen Kruste versehen, aber die Portion wohl nur von einem sehr stämmigen Bayern zu bezwingen ist. Nun, den Hund am Nebentisch hat’s gefreut!
Als ich todmüde wieder im B&O Hotel angekommen war, bemerkte ich auf meinem Nachttisch ein Buch mit dem Titel »Zauberhafte Momente«. Neugierig schlug ich es auf und entdeckte sogleich mein Lieblingszitat von Mark Twain:
»Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden.«
Ich las noch ein paar der Geschichten und Zitate und lächelte beim Einschlafen selig vor mich hin, da das Zitat so gut zu meinem Tag passte, denn mein erster Urlaubstag hatte wirklich mit vielen zauberhaften Momenten begonnen.
Am nächsten Morgen genoss ich ein ausgiebiges Frühstück auf der Terrasse direkt am Park und freute mich auf meine erste Runde im Golfclub Schloss Maxlrain. Es fühlte sich fast unwirklich an, in einem echten Schlosspark Golf zu spielen. Am Loch Vier musste ich länger stehen bleiben, um den traumhaften Blick auf meinen geliebten Wendelstein zu genießen. Fast das gesamte Spiel über war ich allein auf dem Platz unterwegs und spielte zügig durch, bis ich zum Loch 16 kam. Da staute es sich ein wenig, da das vorhergehende Turnier noch nicht ganz beendet war. Dort wartete bereits ein großer Mann, den ich auf etwa sechzig Jahre schätzte. Ich grüßte freundlich mit einem: »Servus, ich bin die Kathi, wollen wir die letzten drei Löcher zusammen spielen? So könnten wir uns ein wenig die Wartezeit verkürzen.« Er reichte mir die Hand: »Gerne«, und dann stellte er sich vor: »Lobkowicz.« Uppsala – ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Eben wurde mir bewusst, dass ich dem Prinzen von Lobkowicz gegenüberstand. Ich musste mich kurz räuspern, bevor ich wieder einen Laut von mir geben konnte, um mich für mein loses Mundwerk zu entschuldigen. Er erzählte, dass vor vielen Jahren eine begnadete Köchin für seine Familie gearbeitet habe, die noch besser backen konnte. Die Prinzessin schwärme heute noch von diesen Kuchen. »Sie sehen dieser Frau zum Verwechseln ähnlich, es könnte Ihre Mutter gewesen sein.« Ich stutzte kurz: »Meine Mutter und ich sehen uns wirklich sehr ähnlich, sie ist auch eine begnadete Köchin und das Backen ist ihre absolute Leidenschaft, aber sie hat noch nie in Bayern gearbeitet.« Ich konnte dem Prinzen ja schlecht sagen, dass sie die Bayern nicht leiden kann. Mein Herz klopfte noch immer wild. Das wird mir daheim keiner glauben, dass ich die Ehre hatte, mit einem echten Prinzen Golf zu spielen. Noch dazu war er sehr charmant und unterhaltsam. So habe ich von ihm erfahren, dass der Vorgängerbau des Schlosses eine Burg war, die 1577 abgebrannt ist. Das heutige Schloss ist ein Achteckbau mit vier Ecktürmen und mehreren Anbauten. Trotz der Wartezeiten an den beiden letzten Löchern verging die Zeit viel zu schnell, der Prinz war ein wirklich guter Erzähler, und die Geschichte des Schlosses interessierte mich sehr. Diese Golfrunde werde ich wohl immer in meiner Erinnerung behalten, und ein Bild von Schloss Maxlrain kommt ganz sicher auch in mein »Album der schönen Erinnerungen«. Wie sagt mein Opa immer?
»Deponiere so viele Glücksmomente wie nur möglich auf deiner persönlichen Bank der Erinnerungen, denn die Rendite ist erstaunlich. In schwierigen Zeiten kannst du dich jederzeit davon bedienen, ohne dass der Kontostand weniger wird.«
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