Henrik C. Josefsson - Die Männer aus dem ewigen Eis

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Während Dorfschullehrer Ludwig Kofler als Aushilfe bei der jährlichen Bergbahnrevision arbeitet, wird er dazu verdonnert, zwei störende Gletscherleichen auf dem Friedhof zu entsorgen. Sie entpuppen sich jedoch als erstaunlich lebendige Bergsteigerpioniere des 19. Jahrhunderts, die durch eine Katastrophe in das 21. Jahrhundert katapultiert wurden. Bei ihrer Wiedereingliederung muss Ludwig sie im Eiltempo mit zahlreichen neuen Umgangsformen und Technologien vertraut machen.
Von Hightech-Bauern, Balkanroute, herumstreifenden Bären bis zur Ahnenforschung reichen die Herausforderungen. Selbst der Papst muss sich mit den ehemaligen Bergführern beschäftigen. Neben Journalisten und Wissenschaftlern zeigen aber auch Geheimdienste und sogar Google massives Interesse an den Tiroler Neubürgern, die vermutlich eine biologische Sensation darstellen.

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Henrik Carl Josefsson

Die Männer aus dem ewigen Eis - Neubeginn

Roman

Zu diesem Buch

Während sich der junge Dorfschullehrer Ludwig Kofler als Aushilfskraft bei den jährlichen Revisionsarbeiten an der Bergbahn etwas dazuverdienen möchte, wird er dazu verdonnert, zwei aufgefundene Gletscherleichen auf den Friedhof zu schaffen.

Diese entpuppen sich als Bergsteigerpioniere des 19. Jahrhunderts, die durch eine kleinere Katastrophe ins 21. Jahrhundert katapultiert wurden. Ihre Wiedereingliederung erweist sich für die jungen Alt-Tiroler und ihr Umfeld als nicht ganz unkompliziert. Dabei muss Ludwig sie im Eiltempo mit zahlreichen neuen Umgangsformen und modernen Technologien vertraut machen.

Neben neugierigen Pressevertretern zeigen auch unterschiedlich motivierte Wissenschaftler großes Interesse an den Neubürgern. Zudem treten mehrere Geheimdienste und andere finstere Gestalten den run auf eine biologische Weltsensation an. Selbst der Papst muss sich mit dem Dilemma der Liebe zwischen den Jahrhunderten beschäftigen.

HENRIK C. JOSEFSSON, der 1976 das erste Nordlicht erblickte, ist der leicht verschrobene Spross einer norwegisch-deutschen Wissenschaftlerfamilie. Mit seiner Familie lebt er auf einer malerischen Halbinsel Jeløy im Oslofjord und im Allgäu.

Trotz seiner Herkunft spricht er nur Englisch, Deutsch und kaum Norwegisch, was er seinen unsteten Eltern verdankt, die aufgrund verschiedenster Anstellungen häufig zwischen einem gefühlten Dutzend nordeuropäischer Städte und dem ruhenden Pol bei den Großeltern in den Alpen pendelten.

Falls Henrik Josefsson nicht gerade an einem neuen Buch schreibt, arbeitet er als Dozent für Wirtschaft und Wirtschaftspsychologie. Neben Wandern, Skilaufen und Radfahren singt er gerne A- oder mit capella.

Henrik C. Josefsson

Die Männer aus dem ewigen Eis

- Neubeginn -

Roman

MidsommarVerlag.com

1. Auflage November 2019

© www.MidsommarVerlag.com

ISBN 978-3-948509-02-6

Printed in Germany

Umschlaggestaltung und Fotos:

FOTOKUNST Ulrich Haas, Memmingen

www.ulrichhaas.com

Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.

Albert Einstein

1 Gefährliche Bergwelt

Ende Oktober war es im Kostnertal normalerweise schon kalt und feucht. Nur selten erreichte das Thermometer noch zweistellige Temperaturen. Während die ersten Herbststürme reinigend über die Berge und durch die Täler zogen, hatte es nachts bereits den ersten leichten Frost.

Grimmig graue Wolken lagen, selbst wenn es gerade nicht regnete, über dem langen, weiten Hochtal. Die Bauern gingen auf ihren Höfen all den Aufgaben nach, die noch vor dem ersten stärkeren Schneefall zu erledigen waren.

Am dringendsten mussten die Wege außerhalb des Dorfes mit Kies ausgebessert werden. Außerdem waren Dächer, Türen und Wände auf etwaige Schwachstellen hin zu kontrollieren. Die gebrauchten Erntewerkzeuge wurden gründlich gereinigt und verräumt. Das Vieh wurde nur noch einen halben Tag auf die näher gelegenen Weiden getrieben, damit die Grasnarbe nicht komplett abgefressen wurde, denn nur dann konnte im Frühjahr das dringend benötigte Gras möglichst rasch nachwachsen.

Da es bereits schon vor dem Abendläuten dunkel wurde, blieb tagsüber kaum Zeit für tiefschürfende Betrachtungen des Wetters. Das wäre ohnehin nichts als vertane Zeit, und davon gab es in den kommenden Wintermonaten noch mehr als genug. Das Wetter wurde ohnehin so, wie es wurde. Hier oben war es immer besser gewesen, wenn man sich auf das unangenehmste Wetter einstellte.

Im Jahre 1883 war es Ende Oktober nochmals außergewöhnlich mild, trocken und sonnig. Ein langer Spätsommer hatte das ruhiger werdende Hochtal über einige Wochen hinweg richtiggehend verwöhnt. Und so gingen die Bauern im Kostnertal ihren Arbeiten ein klein wenig entspannter als sonst nach.

Wegen des guten Wetters machten sich die Vettern, der Leitner Toni und der Vogler Alois, nochmals auf eine Erkundungstour als Vorbereitung für die englischen Abenteurer, die auch den kommenden Sommer wieder im Kostnertal verbringen wollten.

Seit einigen Jahren quartierten sich über die Sommermonate regelmäßig junge Engländer bei ihnen ein. Den Einheimischen erschienen sie als exotische Zeitgenossen, die offenbar keiner anderen irgendwie gearteten sinnvollen Beschäftigung nachgehen mussten und das nötige Geld für derlei Sommerfrische übrighatten.

Nur so konnten sie auf die eigenartige Idee gekommen sein, plötzlich die Tiroler Bergwelt in verschiedensten Bereichen zu erkunden. Einige Engländer erforschten das gesamte Tal, indem sie alle Tiere und Pflanzen systematisch untersuchten. Andere, vermutlich angehende Kartografen, vermaßen das Gelände und die Berge mit äußerst kompliziert wirkenden Geräten. In der Dorfschänke wurde die neu vermessene Höhe eines Berggipfels stolz verkündet oder munter über seine wahre Höhe gestritten.

Für die Einheimischen war es jedoch völlig einerlei, ob ein Gipfel nun ein paar Meter höher oder weniger hoch war. Sie stuften die Berge einfach nach der Gefährlichkeit für das Tal ein: Geröll- oder Schneelawinen an den gefährdeten Hängen oder besonders unwegsames Gelände, in das sich ein Tier verirrte und dabei möglicherweise sogar verletzte. Gut zugängliche und saftige Hochwiesen waren dagegen ein Gewinn für die Fütterung des Viehs.

Aber auch Künstler zählten zu den Sommergästen. Diese fertigten zahlreiche Skizzen oder Bilder des Tales und der umgebenden Bergwelt an. So konnten sie immerhin ein Stück Bergwelt mit nach Hause nehmen. Einem Einheimischen wäre es nie und nimmer eingefallen, solch ein Bild anzufertigen. Sie sahen ihre Bergwelt schließlich tagein und tagaus, oft länger, als ihnen lieb war. Manch junger Bauer, der ein paar Tage unten in der Landeshauptstadt verbracht hatte, sehnte sich anschließend eher nach mehr Abwechslung und Modernität. Zahlreiche der englischen Urlauber wanderten jedoch am liebsten in der möglichst schroffen und einsamen Bergwelt umher.

Die mutigsten der jungen Abenteurer stiegen dabei auf die allerhöchsten Gipfel. Bergregionen, die für die Einheimischen eigentlich nur unnütz oder hochgradig hinderlich waren. Hinderlich auf dem Weg ins nächste Bergdorf oder benachbarte Tal und unnütz, da es dort oben ohnehin nur das kargste Futter gab oder sich manches Stück Vieh auf seiner Futtersuche dort in unwegsamem Gelände verstiegen oder verletzt hatte.

Nicht zuletzt wegen der dort erst sehr spät zurückweichenden Schneemengen waren diese „oberen Gebiete“, wie sie bei den Bauern genannt wurden, über Monate hinweg kaum passierbar und bedrohten das Tal mit Lawinen.

Kaum hatte im Frühsommer die Schneeschmelze die letzten Reste der weißen Masse säuberlich entfernt, drohten bei stärkeren Regenfällen große Gefahren wie Steinschläge und Murenabgänge. In diese Regionen zog es die einheimische Bevölkerung kaum. Höchstens ein paar umherziehende Besenbinder oder Scherenschleifer, die ihr Kommen mit einer schrill klingenden Schelle ankündigten, oder die deutlich leiser arbeitenden, nicht gänzlich unbekannten Schmuggler fanden den ein oder anderen Weg über die Höhenzüge in die Nachbartäler.

Berufsbedingt musste der Jäger des Landgrafen mehr oder weniger regelmäßig den Bestand an Rotwild und Gämsen kontrollieren. Dabei kam es manchmal zu wenig angenehmen Aufeinandertreffen mit Wilderern, die versuchten das karge Mehlsuppen-Einerlei durch das ein oder andere Stück Fleisch aufzuwerten.

Selten konnte der Jäger einen Wilderer stellen. Ab und an trug ein einheimischer Bursch von einer ungeplanten Begegnung dubiose Verletzungen davon, die im Dorf eher lakonisch kommentiert wurden: „Da hob i mi beim Heu machen gschnitten“. In einzelnen Fällen wurde deshalb schon im April „Heu gemacht“. Da das Gras dort oben so früh im Jahr normalerweise selten hoch genug für einen ersten Schnitt stand, wusste damit jeder um die Umstände der nicht ganz unheroischen Verletzung.

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